Wenn das Herz leidet |
29.04.2008 10:14 Uhr |
Wenn das Herz leidet
Von Christina Hohmann
Wenn Herzzellen absterben, entlassen sie Enzyme in die Blutbahn. Durch den Anstieg der Konzentrationen lassen sich die Schäden des Organs abschätzen.
Wie alle Zellen des Körpers verwenden die Herzmuskelzellen Enzyme, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten und ihre Funktionen auszuüben. Bei Schädigungen am Herzen, sterben die Zellen ab, und die Enzyme gelangen in den Blutkreislauf. Charakteristisch für Herzschäden sind die Lactatdehydrogenase, Kreatinkinase, Myoglobin und die kardialen Troponine.
Ein relativ unspezifischer Marker ist die Lactatdehydrogenase (LDH). Das Enzym spielt eine zentrale Rolle in der anaeroben Energiegewinnung und kommt daher in fast allen Zellen des Körpers vor. In größeren Mengen ist es in Leber, Herzmuskel, roten Blutkörperchen und der Niere vorhanden. Dabei sind die fünf Isoformen des Enzyms charakteristisch für bestimmte Organe. LDH-1 ist hauptsächlich im Herzmuskel vertreten, LDH-2 im Lymphsystem, LDH-3 in Milz und Lunge, LDH-4 und -5 in der Muskulatur sowie der Leber. Ein Anstieg der LDH-Konzentration kann daher ganz verschiedene Ursachen von Bluterkrankungen über Lungenembolie und Hepatitis bis hin zu Tumoren haben.
Bei massiven Schäden des Herzmuskels, wie sie etwa bei einem Herzinfarkt oder Myokarditis (Herzmuskelentzündung) entstehen, steigt der Gesamt-LDH-Wert nach sechs bis zwölf Stunden an. Entsprechend der Verteilung im Körper steigt vor allem die LDH-1-Konzentration. Sie macht etwa 45 Prozent des Gesamt-LDH-Spiegels aus. Nach 24 bis 60 Stunden erreicht er seine Spitze und normalisiert sich erst nach ein bis zwei Wochen wieder. Besonders hilfreich ist die Bestimmung des Markers daher in der Spätdiagnostik eines Herzinfarkts. Bei gesunden Menschen liegt der Wert unter 250 Einheiten pro Liter (U/l).
Kreatinkinase
Sehr viel spezifischer als der LDH-Wert ist der Kreatinkinase-Spiegel im Blut. Das Enzym katalysiert die Bildung von Adenosintriphosphat (ATP), die universelle Energiequelle der Zellen. Man unterscheidet vier Isoformen: CK-MB (Myokardtyp) kommt im Herzmuskel, CK-MM im Skelettmuskel, CK-BB im ZNS und CK-MiMi in Mitochondrien vor. Klinisch relevant ist eigentlich nur die Messung der Gesamt-CK und der CK-MB-Konzentration. Der Kreatinkinase-Wert liegt normalerweise unter 170 U/l bei Frauen und unter 190 U/l bei Männern. Ein Anstieg kann auf Herzschäden, intramuskuläre Spritzen, Operationen, Muskelerkrankungen oder Unfälle zurückgehen. Auch starke körperliche Anstrengung, epileptische Anfälle und Vergiftungen können den Wert erhöhen.
Von besonderer Bedeutung ist die Messung der CK-Konzentration für die Herzinfarktdiagnostik. Wichtig hierbei ist der Anteil des CK-MB-Wertes am Gesamt-CK-Wert. Liegt dieser zwischen 6 und 25 Prozent, weist das auf eine Schädigung der Herzmuskulatur hin. Bei einem Herzinfarkt steigen der Gesamt-CK- und der CK-MB-Spiegel nach drei bis vier Stunden an. Der Gesamtwert erreicht nach 16 bis 36 Stunden, der CK-MB-Wert nach 12 bis 18 Stunden sein Maximum und sinkt dann wieder ab. Bei Verdacht auf Herzinfarkt oder einem tatsächlichen Infarkt werden beide Parameter mehrmals hintereinander gemessen, um einen Verlauf zu ermitteln. Der Normbereich für den CK-MB-Wert liegt unter 15 U/l.
Kardiale Troponine
Troponine sind Proteine, die in Muskelzellen vorkommen und für deren Kontraktion verantwortlich sind. Sie regulieren das Ineinandergleiten der Aktin- und Myosinfilamente. Von Troponin gibt es drei Isoformen: Troponin I, T und C. Jede Muskelart, die glatte, quergestreifte und Herzmuskulatur, hat eigene Isoformen. Die herzmuskelspezifischen Unterformen werden als kardiales Troponin T und I bezeichnet. Sie sind die aussagekräftigsten Marker für eine Herzschädigung.
Bei gesunden Menschen kommen kardiale Troponine im Blut nicht vor. Ein Troponin-T-Wert von mehr als 0,04 µg/l und ein Troponin-I-Wert mehr als 0,1 bis 1,5 µg/l (je nach Testsystem) zeigen Schäden am Herzmuskel an. Ein Herzinfarkt lässt sich durch den Test auf kardiale Troponine mit einer Sensitivität von 94 Prozent diagnostizieren. Nach einem Infarkt beginnt der Troponin-Spiegel nach drei bis acht Stunden anzusteigen, sein Maximum ist nach 12 bis 96 Stunden zu erwarten. Liegt der Troponin-Wert in Mehrfachmessungen im Normbereich, kann ein Herzinfarkt ausgeschlossen werden.
Der Wert ist gut geeignet, um das Ausmaß der Schädigung bei einem Myokardinfarkt abzuschätzen, die Art der Therapie festzulegen und deren Erfolg zu bestimmen. Da die Konzentrationen der kardialen Troponine noch ein bis zwei Wochen erhöht bleiben, lassen sich mit ihrer Hilfe auch zurückliegende Ereignisse diagnostizieren. Kardiale Troponine werden außerdem bestimmt, um den Erfolg einer Thrombolysetherapie zu kontrollieren, kleinere Verletzungen am Herzen nach Operationen sowie Patienten mit Angina pectoris zu überwachen.
Myoglobin
Der schnellste Herzinfarkt-Marker ist der Myoglobin-Wert. Der Spiegel des Hämoproteins steigt bereits zwei Stunden nach dem Infarktbeginn an. Er erreicht seinen Höchstwert nach sechs bis zwölf Stunden und fällt dann rasch wieder ab. Der Wert ist daher zur Frühdiagnose von Herzinfarkten und zum Erkennen von Reinfarkten geeignet. Das Protein kommt in Muskelzellen vor und transportiert dort Sauerstoff von der Zellmembran zu den Mitochondrien. Bei gesunden Männern liegt der Wert unter 55 µg/l und bei Frauen unter 35 µg/l Blutserum. Auch die Myoglobinkonzentration im Urin kann bestimmt werden. Sie sollte unter 0,3 mg/l liegen.
Der Myoglobinwert kann ebenfalls bestimmt werden, um den Erfolg einer Thrombolysetherapie zu kontrollieren oder den Trainingszustand von Sportlern zu bestimmen. Erhöhte Spiegel können auf Muskelerkrankungen wie Muskeltraumen, genetische Myopathien, toxische Muskelschäden oder fieberhafte Infekte hinweisen.
Die Bestimmung der vier Herzenzyme spielt eine wichtige Rolle in der Herzinfarktdiagnostik. Da die Spiegel aber erst vergleichsweise spät (erst nach zwei bis drei Stunden) ansteigen, fallen entsprechende Enzymtests in der Frühphase negativ aus. In dieser Zeit ist die Diagnose über die Schmerzsymptomatik und entsprechende Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG) zu stellen. Bei Patienten mit den typischen langanhaltenden Brustschmerzen, die bis in Schulter und Arm ziehen können und von Atemnot, Schweißausbrüchen und Schwindel begleitet sind, sollte möglichst rasch ein EKG erstellt werden.