Die Antientzündungsdiät |
27.04.2016 08:59 Uhr |
Von Annette Mende, Mannheim / Eine Entzündung im Körper lässt sich nicht nur mit Arzneimitteln, sondern auch mit der Nahrung bekämpfen. Beim Internistenkongress in Mannheim erklärten Ernährungsmediziner, warum das besonders bei Adipositas wichtig ist.
Mit einer Entzündung versucht der Körper, Noxen zu beseitigen. Gelingt das, verschwindet die Entzündung, ist der Versuch erfolglos, wird die Entzündung chronisch. Viele sogenannte Wohlstandskrankheiten gehen mit einer chronischen Entzündung einher, auch die Adipositas. »Erhöhte Spiegel von inflammatorischen Zytokinen sagen eine Gewichtszunahme voraus«, sagte Professor Dr. Johannes Georg Wechsler von der Technischen Universität München. Im Tierversuch kann man das belegen: Gesunde, normalgewichtige Mäuse, denen man inflammatorische Zytokine infundiert, reagieren mit Fettzuwachs, Resistenz gegen Insulin und das Sättigungshormon Leptin sowie einem Anstieg des Entzündungsmediators Protease Activated Receptor 2 (PAR2).
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Weniger Gewicht, weniger Entzündung
Umgekehrt reduziert ein Gewichtsverlust die Entzündung. Wechsler erklärte, wie es dazu kommt: Entwicklungsphysiologisch sei Adipositas eine neue Situation. Die Fettspeicherung sei in früheren Zeiten ein Überlebensvorteil gewesen und deshalb eigentlich gewünscht, aber eben nur in einem gewissen Rahmen. »Nimmt das Fettgewebe überhand, erkennt der Körper: Das ist nicht gut für mich, und arbeitet dagegen«, so der Ernährungsmediziner.
Bei einem Überangebot an Energie differenzieren sich Präadipozyten, die im Fettgewebe von Normalgewichtigen zahlreich vorkommen, zu Adipozyten. Bei Übergewichtigen überwiegen die Adipozyten. »Diese werden von Makrophagen angegriffen, die Entzündungsmediatoren freisetzen und sich bemühen, die Fettzellen apoptotisch abzubauen«, sagte Wechsler. Doch das schaffen sie nicht: Die Folge ist eine chronische Inflammation. Da sich bei Adipositas Adipozyten nicht nur im Fettgewebe, sondern unter anderem auch im Gehirn, in der Leber, im Muskel, in den Gefäßen und im Pankreas finden, resultiert eine Entzündung im gesamten Körper. Abdominelle Adipozyten weisen zudem eine gesteigerte Lipolyserate auf. Es werden vermehrt freie Fettsäuren ins Blut abgegeben, was wiederum die Sekretion unter anderem der Entzündungsmediatoren TNF-α und Interleukin-6 erhöht.
Die Nahrung spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, die über ihre Funktion als Energielieferant hinausgeht. Denn es ist nicht egal, in welcher Form die Kalorien zugeführt werden. Bestimmte Lebensmittel führen an sich schon zu einem Anstieg proinflammatorischer Botenstoffe. Dazu gehören zuckerreiche, raffinierte und prozessierte Lebensmittel sowie zuckergesüßte Getränke.
Obst und Gemüse liefern nicht nur Ballaststoffe, sondern auch Antioxidanzien.
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Viel Gemüse und Fisch
Und umgekehrt? Kann man gegen die Entzündungsprozesse im Körper anessen? Ja, sagte Professor Dr. Olaf Adam von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Patienten mit rheumatoider Arthritis hätten in einer Studie zur Ernährungstherapie ihre antientzündlichen Medikamente deutlich reduzieren können. Die Teilnehmer benötigten 32 Prozent weniger nicht steroidale Antirheumatika und 15 Prozent weniger Corticosteroide. Dies konnte allein durch die Umstellung auf eine lactovegetarische Kost mit erhöhter Zufuhr von Fischöl, Omega-3-reichen Ölen, Antioxidanzien, Calcium und Vitamin D3 erreicht werden.
Viel Gemüse und Omega-3-Fettsäuren, viel Fisch und wenig Fleisch: Das entspricht in etwa der Mittelmeerdiät. Von ihr ist bekannt, dass sie bei diversen Entzündungs-assoziierten Erkrankungen empfehlenswert ist. Allerdings kann sich das, was unter einer mediterranen Kost verstanden wird, von Studie zu Studie durchaus leicht unterscheiden. Privatdozent Dr. Thomas Skurk, ebenfalls von der TU München, fasste die Gemeinsamkeiten der Antientzündungsdiät am Beispiel der Ernährungsempfehlungen der europäischen kardiologischen Fachgesellschaft ESC zusammen.
Demnach sollen gesättigte Fettsäuren maximal 10 Prozent der Gesamtenergiemenge ausmachen, trans-Fettsäuren, also ungesättigte Fettsäuren mit einer oder mehreren Doppelbindungen in trans-Konfiguration, weniger als 1 Prozent. Die Lebensmittelindustrie achtet mittlerweile darauf, den trans-Fettsäure-Anteil gering zu halten, sodass hierzulande die meisten Menschen unter der 1-Prozent-Grenze bleiben. »Ein Problem kann allerdings der häusliche Herd sein. Wenn man mehrfach ungesättigte Öle stark erhitzt, kann man sich unbewusst erhebliche Mengen trans-Fettsäuren selbst erkochen«, sagte Skurk.
Mit Salz und Zucker sparen
Eine entzündungshemmende Diät sollte salzarm (weniger als 5 g pro Tag) und ballaststoffreich sein. Täglich sollten 30 bis 45 g Ballaststoffe, vor allem aus Vollkornprodukten, Früchten und Gemüse, auf dem Speiseplan stehen. Davon ist die Bevölkerung in Deutschland mit durchschnittlich 20 g jedoch weit entfernt und diese Menge lässt sich laut Skurk »nur schwer steigern«. Täglich je 200 g beziehungsweise zwei bis drei Portionen Früchte und Gemüse sollten es aber mindestens sein. Das ist nicht nur wegen der Ballaststoffe wichtig, sondern auch wegen der sekundären Pflanzeninhaltsstoffe, zum Beispiel Isoflavone und Flavonoide.
Schwierig zu erreichen dürfte auch das Ernährungsziel sein, mindestens zweimal pro Woche Fisch zu essen. Dagegen ist die Verzehrempfehlung zu Alkohol – höchstens zwei Gläser oder 20 g pro Tag für Männer beziehungsweise 10 g für Frauen – zumindest theoretisch für jeden machbar. Eine Anstrengung ist es aber wert, wie Skurk ausführte: Wo die Ernährung mit diesen Empfehlungen gut übereinstimmt, beispielsweise in einigen Orten in Italien und Japan, und die Menschen sich zudem viel bewegen, werden sie sehr alt. Und nicht nur das: »Sie sind offensichtlich auch glücklicher als anderswo«, sagte der Ernährungsmediziner. Gesundes Essen tut eben Leib und Seele gut. /