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Dermopharmazie

Hauterkrankungen im Kindesalter

17.04.2007  10:09 Uhr

Dermopharmazie

Hauterkrankungen im Kindesalter

Von Ursula Kindl

 

Häufig sind Viren für Hauterkrankungen im Kindesalter verantwortlich. Die Erkrankungen bedürfen einer speziellen Diagnostik und Therapie. Sie äußern sich oft anders als bei Erwachsenen, da das Immunsystem noch nicht ausgereift ist und die Haut funktionelle Besonderheiten aufweist.

 

Zu den häufigen Hauterkrankungen gehören cutane Virusinfektionen, hervorgerufen durch humane Papillomviren (HPV). Bekannt sind verschiedene HPV-Typen, die unterschiedliche Warzentypen hervorrufen.

 

Bei Kindern treten Warzen bevorzugt an Händen und Fußsohlen auf (Verrucae vulgares). Die Übertragung erfolgt durch direkten Hautkontakt oder durch virusbeladene, abgestoßene Hautschuppen.

 

Schmerzhaft können Verrucae plantares (Dornwarzen) sein, die entweder einzeln in die Tiefe des Hautgewebes dringen oder oberflächlich in zu Beeten angeordneten Mosaikwarzen auftreten. Mit der Lupe betrachtet, sieht man winzige rotbraune Einblutungen in den hyperkeratotischen Plaques.

 

Verrucae planae juveniles zeigen sich vor allem im Gesicht und an den Handrücken. Es sind kleine hautfarbene bis gelbliche Papeln.

 

Condylomata acuminata, Feigwarzen, ausgelöst durch die nicht onkogenen HPV-Typen 6 und 11, werden primär durch sexuellen Kontakt übertragen. Bei Kindern sind sie seltener; die Übertragung erfolgt hier überwiegend auf nicht-sexuellem Weg (zum Beispiel über ein gemeinsames Bad).

 

Eine Spontanheilung ist nicht selten; aufgrund der Tendenz der Kondylome zur Vergrößerung und Ausbreitung ist in den meisten Fällen aber eine Therapie erforderlich. Hierzu eignet sich beispielsweise der Immunmodulator Imiquimod.

 

Zur Prophylaxe stehen Impfstoffe zur Verfügung. Sie werden auch zur Vorbeugung gegen Karzinome im Genitalbereich eingesetzt, die durch onkogene Viren (zum Beispiel HPV 16 und 18) ausgelöst werden.

 

Dellwarzen (Mollusca contagiosa) werden durch Viren der Pockengruppe hervorgerufen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch. Vor allem Kinder mit atopischen Ekzem sind gefährdet. Es zeigen sich weißlich-blassrosa, zentral gedellte Papeln, die einzeln oder in Gruppen verstreut auftreten können. Bevorzugt sind Achselhöhlen, Leisten und Hals betroffen. Durch Kratzen entstehen oft bakterielle Superinfektionen. Die Behandlung erfolgt bevorzugt durch Kürettage (Entfernung mit einem chirurgischen Löffel).

 

Vorsicht bei der Therapie

 

Bei 65 Prozent der Patienten lassen sich zwei Jahre nach der Diagnose auch ohne Therapie keine Warzen mehr nachweisen. Da sie jedoch kosmetisch störend und oft sehr schmerzhaft sind, sollten sie behandelt werden. Eingesetzt werden Keratolytika, Ätzmittel, Zytostatika, Immunmodulatoren sowie physikalische Maßnahmen.

 

Beliebt sind Salicylsäure-Pflaster in Konzentrationen bis zu 60 Prozent mit anschließender Kürettage. Bei Säuglingen und Kleinkindern dürfen wegen der guten Resorption des Wirkstoffs über die Haut und der Gefahr von Intoxikationen keine großen Flächen behandelt werden.

 

In verschiedenen Handelspräparaten wird Salicylsäure mit anderen Lokaltherapeutika (zum Beispiel 5-Fluorouracil) kombiniert. Zur Selbstmedikation gibt es Kombinationen aus Salicyl- und Milchsäure oder Vereisungssprays mit einem Gemisch aus Dimethylether und Propan.

 

Zubereitungen aus Monochloressigsäure, Salpetersäure oder Silbernitrat sollten bei Kindern wegen der Verätzungsgefahr nur vom Arzt oder den Eltern appliziert werden. Da die Behandlung schmerzhaft sein kann, wird sie von vielen Kindern abgelehnt.

 

Flüssiger Stickstoff führt bei der Kältetherapie (Kryotherapie) zu einer Nekrose der Haut. Die schmerzhafte Behandlung führt zu Blasenbildung und Entzündung und ist deshalb für Kinder nur bedingt geeignet.

 

Eine photodynamische Therapie mit 5-Aminolävulinsäure und Lichtbehandlung wird speziell bei therapierefraktären Warzen durchgeführt und gilt zurzeit noch als experimentelle Maßnahme.

 

Eine Skabies (Krätze) tritt bei Kindern relativ häufig auf. Die Infektion erfolgt durch Hautkontakt von Mensch zu Mensch über befruchtete Weibchen der Krätzmilbe. Sie bohren in die Hornschicht zarter Hautpartien, zum Beispiel Fingerseiten oder Handgelenkbeugen, Gänge und legen darin ihre Eier (dunkle Punkte) ab, aus denen sich nach drei bis fünf Tagen Larven entwickeln. Hauptsymptom der Krätze ist starker Juckreiz.

 

Bei der Wahl eines Antiskabiosums zur Behandlung muss eine mögliche orale Aufnahme des Wirkstoffes (durch Lecken) und die bei Kindern große Körperoberfläche im Verhältnis zum Körpergewicht bedacht werden. Als Therapie der Wahl gilt die topische Applikation von Permethrin 5 Prozent.

 

Unter dem Begriff Exanthem versteht man das plötzliche, gleichzeitige Auftreten identischer Hauterscheinungen in generalisierter Verteilung. Dabei ist die ganze Variationsbreite von Effloreszenzen möglich. Die Ursache sind meist Viren und Bakterientoxine, seltener Medikamente oder Autoimmunerkrankungen.

 

Virale Exantheme in vielen Varianten

 

Die Auslösung eines viralen Exanthems kann auf verschiedenen Wegen erfolgen:

 

Durch Viren über den Blutweg in die Haut; es entstehen Gewebsschäden (zum Beispiel: Varizellen, Herpes simplex).

Durch Reaktion infektiöser Erreger mit zirkulierenden und zellvermittelten Immunfaktoren (Masern, Röteln).

Durch zirkulierende Immunfaktoren (akute Urtikaria, Stevens-Johnson-Syndrom).

 

Meist kann aufgrund des klinischen Bildes, Anamnese, Alter des Kindes sowie von Begleitsymptomen die Diagnose gestellt werden.

 

Masern treten bevorzugt im Winter und Frühjahr auf. Die Viren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Erkrankung beginnt mit  den bekannten Krankheitszeichen Fieber, Schnupfen, trockener Husten, Lichtscheu und Konjunktivitis. Einen Tag vor Auftreten der Hauterscheinungen zeigen sich im Rachen weißlich-graue Papeln mit erythematösem Saum, am weichen Gaumen sieht man ein dunkelrotes Enanthem (Schleimhautausschlag).

 

Das makulopapulöse Exanthem beginnt am Stirnansatz und hinter der Ohrmuschel (retroaurikulär) und breitet sich dann über den ganzen Körper aus. Wenn die unteren Extremitäten erreicht sind, beginnt am Kopf bereits die Abheilung. Die Therapie ist symptomatisch und umfasst im Wesentlichen Bettruhe und Antipyretika. Die beste prophylaktische Maßnahme ist die Schutzimpfung. Bei immunsupprimierten Patienten werden Immunglobuline verabreicht.

 

Röteln oft ohne Symptome

 

Röteln treten meist im Frühjahr auf. Die Verbreitung erfolgt über Tröpfcheninfektion. Zu Beginn der Erkrankung kommt es zu einer Lymphknotenschwellung. Später treten kleine Papeln auf, die sich  vom Kopf über den ganzen Körper ausbreiten. Begleitsymptome können Fieber und Gliederschmerzen sein. Oft verlaufen Rötelninfektionen auch symptomlos.

 

Die Therapie besteht in der Linderung der Hautsymptome (Lotio alba) und eventuell fiebersenkenden Maßnahmen. Zu den prophylaktischen Maßnahmen gehört die Isolierung erkrankter Kinder bis zu einer Woche nach Ausbruch des Exanthems.

 

Eine Rötelnimpfung wird zusammen mit Masern und Mumps ab dem 11. Lebensmonat empfohlen, eine zweite im 2. Lebensjahr, wobei ein Abstand von mindestens vier Wochen eingehalten werden sollte.

 

Das Pfeiffersche Drüsenfieber, ausgelöst durch das Epstein-Barr-Virus, wird durch Speichel übertragen. Der Gipfel der Erkrankung liegt im Schul- und jungen Erwachsenenalter. Die Erkrankung beginnt mit Fieber, Kopfschmerzen, Pharyngitis und Lymphadenopathie (Erkrankung der Lymphknoten).

 

Manche Patienten entwickeln ein stark juckendes Exanthem an Gesicht und Stamm (abzugrenzen von Röteln, Masern und anderen viral bedingten Exanthemen). Manchmal kommt es in der ersten Woche zu einem Gesichtsödem.

 

Die Therapie erfolgt symptomatisch unter Berücksichtigung eventuell auftretender Komplikationen. Bei der Gabe von Ampicillin oder Amoxycillin kann es zum Auftreten eines Ampicillin-Exanthems kommen.

 

Dreitagefieber bei Kleinkindern

 

Das Dreitagefieber (Exanthema subitum) gehört zu den häufigsten Hauterkrankungen im Alter zwischen dem sechsten und 24. Lebensmonat. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Die Erreger gehören zur Gruppe der humanen Herpesviren.

 

Nach plötzlich einsetzendem hohem Fieber, das drei bis sechs Tage anhält, entsteht häufig ein diskretes makulöses Exanthem mit Betonung von Nacken und Stamm. Die Kinder zeigen jetzt kaum noch Krankheitssymptome. Die Therapie erfolgt symptomatisch, Isolierungsmaßnahmen sind nicht notwendig.

 

Der Erreger der Ringelröteln (Erythema infectiosum) ist das Parvovirus B19. Die Viren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Inkubationszeit liegt zwischen vier und vierzehn Tagen. In der ersten Woche ist die Ansteckungsgefahr am größten, bei Auftreten des Exanthems liegt sie nicht mehr vor.

 

Bei den wenigsten Infizierten kommt es zur manifesten Erkrankung. Diese zeigt sich in einer kräftigen homogenen Rötung der Wangen und einem girlandenförmigen Exanthem im Bereich der Extremitäten, Juckreiz kann auftreten. Typisch ist das Aufblühen und Verblassen des Exanthems im Wechsel, provoziert durch Irritationen, Temperaturschwankungen und psychischen Stress. Eine Therapie ist normalerweise nicht nötig. Mögliche Gelenkbeschwerden sprechen gut auf nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) an.

 

Vorsicht Narben

 

Das Varizella-zoster-Virus wird durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen. Die Erkrankung beginnt oft mit Fieber und Abgeschlagenheit, gefolgt von der Ausbildung eines Exanthems.

 

Es zeigen sich Bläschen auf gerötetem Grund, im Verlauf der Erkrankung trübt sich der Bläscheninhalt ein, es bilden sich Krusten. Wangenschleimhaut und das Zahnfleisch (Gingiva) sind meist mit betroffen. Vorherrschend ist ein starker Juckreiz. Durch Kratzen entstehen bakterielle Superinfektionen, die unter Narbenbildung abheilen können.

 

Zur Stillung des Juckreizes dienen Antipruriginosa wie Lotio alba mit Polidocanol oder Anthistaminika. Gegen Sekundärinfektionen mit Bakterien  kommen desinfizierende, austrocknende Maßnahmen zum Einsatz. Nach Auftreten einer bakteriellen Sekundärinfektion ist systemische Antibiotikagabe nötig. Zur Windpockenprophylaxe wird von der STIKO (Ständige Impfkommission) die Varizellenimpfung empfohlen.

 

Scharlach wird durch Streptokokken ausgelöst und über Tröpfcheninfektion übertragen. Betroffen sind meist Kinder zwischen drei und zehn Jahren. Neben allgemeinen Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen, Abgeschlagenheit ist die zuerst weiß belegte, dann himbeerrote Zunge ein typisches Indiz für die Erkrankung.

 

Ein bis zwei Tage nach Fieberbeginn folgt das Exanthem. In den Achseln und an der Leiste zeigen sich kleine rote Papeln, die mit Ausnahme der Beine oft den ganzen Körper überziehen. Das Gesicht ist häufig gerötet mit einer typischen Blässe um den Mund. Nach einer Woche beginnt die Haut zu schuppen.

 

Die Therapie umfasst neben Bettruhe die Gabe von Penicillin sowie die symptomatische Behandlung mit Antipyretika. In der Phase der Hautschuppung sind pflegende Externa (zum Beispiel Unguentum emulsificans aquosum) sinnvoll.

 

Arzneistoffbedingte Exantheme

 

Bei Kindern kommen vor allem Antipyretika und Sulfonamide als Auslöser von Exanthemen in Betracht. Beim sogenannten fixen Arzneimittel-Exanthem sind an den typischen Prädeliktionsstellen von Genitalregion, Handtellern und Fußsohlen scharf begrenzte, fahlrote Flecken auffällig. Sie können im Zentrum eine Blase ausbilden. Das Absetzen des verantwortlichen Medikaments führt zur Abheilung.

 

Carbamezepin, Phenytoin und Phenobarbital können Auslöser eines Antikonvulsiva-Hypersensitivitäts-Syndroms sein. Oft erst nach mehreren Wochen entwickelt sich neben Fieber, Eosinophilie, Lymphadenopathie ein Exanthem. Das Antikonvulsiva-Hypersensitivitäts-Syndrom beginnt mit einem Gesichtsödem. Das folgende Exanthem weitet sich nicht selten zur Erythrodermie (generalisierte, schuppende Hautrötung) aus. Als typisch gilt zudem eine frühzeitige Ekzematisierung des Exanthems.

 

Diagnose und Behandlung erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dabei sollte die Möglichkeit der Entwicklung einer toxischen epidermalen Nekrolyse (früher als Lyell-Syndrom bezeichnet) sowie einer Leberschädigung berücksichtigt werden.

Dank: Mein besonderer Dank gilt Privatdozentin Dr. Regina Fölster-Holst, Kiel, für die ausführliche Literatur, die klinischen Bilder sowie die kritische Durchsicht des Manuskripts.

Anschrift der Verfasserin:

Ursula Kindl

Heinrich-Marschner-Straße 70

85598 Baldham

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