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Viruswarzen

Kein Hexenwerk

13.04.2010  15:36 Uhr

Von Ina Stolze und Henning Hamm / Warzen sind weit verbreitet, äußerst lästig und zum Teil schmerzhaft. In der Regel sind sie jedoch ungefährlich. Anders als früher angenommen, werden sie nicht durch einen Pakt von Hexen mit dem Teufel, sondern durch eine virale Infektion verursacht. Welche therapeutischen Mittel stehen zur Verfügung?

Mit Ausnahme von Dellwarzen werden Viruswarzen durch eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) hervorgerufen. Hierbei handelt es sich um DNA-Viren, die zur Familie der Papillomaviridae gehören. Mittlerweile wurden mehr als 100 Typen identifiziert. Charakteristisch ist ihre hohe Affinität zu Epithelzellen der Haut und Schleimhäute.

Je nach klinischem Warzentyp und Lokalisation dominieren unterschiedliche HPV-Typen, darunter einige mit hohem Entartungspotenzial. Diese onkogenen HPV-Typen verursachen im Genitoanalbereich und an Schleimhäuten häufig intraepitheliale Neoplasien und maligne Tumoren, vor allem das Zervixkarzinom. Thema dieses Artikels sind jedoch nur die fast immer gutartigen Hautwarzen.

 

Die Übertragung der Viren erfolgt durch direkten Hautkontakt, über Gegenstände wie Scheren und Nagelfeilen oder über Böden und andere Flächen, etwa in Turnhallen, Schwimmbädern oder Saunen. Über kleinste, zumeist unsichtbare Verletzungen gelangen die Viren in die basale Zellschicht der Epidermis und vermehren sich in den Zellen höherer Epidermislagen.

Häufig verbreiten sie sich durch Auto-inokulation auf der Haut der Patienten, vor allem durch Kratzen. Dies erklärt die oft strichförmige Anordnung von Warzen. Risikofaktoren für die Ausbreitung sind eine geschwächte lokale Immunabwehr (Rauchen, Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus) und systemische Immunschwäche (zum Beispiel HIV-Infektion, immunsuppressive Behandlung bei Organtransplantation).

 

Die Inkubationszeit bis zur klinisch erkennbaren Warze ist ausgesprochen lang und beträgt Wochen bis Monate, gelegentlich sogar Jahre. Die meisten Infektionen verlaufen lediglich subklinisch und rufen keine sichtbaren Veränderungen hervor. Weltweit sind schätzungsweise 10 bis 15 Prozent der Menschen von HPV-Infektionen betroffen, am häufigsten in der zweiten Lebensdekade.

 

Zahlreiche Warzenformen

 

Gemeine Warzen (Verrucae vulgares) sind die häufigste Viruswarzenform. Sie treten besonders an Fingern und Händen auf. Die gutartige Epithelhyperplasie manifestiert sich als hautfarbene Erhabenheit (Papel) mit massiv verdickter und zerklüfteter Hornschicht (Hyperkeratose) (siehe Abbildung 1). Warzen am Nagelwall oder im Nagelbett, aber auch deren Therapie können eine Nagelwachstumsstörung hervor­rufen.

Dornwarzen, Fußsohlenwarzen (Verrucae plantares) zeigen sich an der Fußsohle als flache, derbe, hautfarbene Verdickungen der Hornschicht, häufig mit dunklen Punkten, die durch kleinste Einblutungen entstehen (siehe Abbildung 2). Durch den Druck, der auf ihnen lastet, können diese Warzen dornartig (Dornwarzen) nach innen wachsen und starke Schmerzen verursachen. Plantarwarzen können zu Beeten konfluieren und werden dann als Mosaikwarzen bezeichnet.

 

Pinselwarzen (filiforme Warzen) kommen häufig im Bereich der Augenlider oder auch am Hals vor. Es handelt sich um kleine, fadenartige oder zapfenförmige, hautfarbene Auswüchse.

 

Flachwarzen (Verrucae planae) finden sich vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Gesicht (siehe Abbildung  3), an Händen und Unterarmen. Es handelt sich um kleine, flache, hautfarbene bis rotbräunliche Papeln mit häufig matter Oberfläche. Sie können in großer Zahl auftreten.

Epidermodysplasia verruciformis ist eine seltene Erbkrankheit. Ihr liegt ein spezifischer angeborener Immundefekt zugrunde, durch den eine Warzenaussaat am gesamten Körper begünstigt wird. Durch Infektion mit bestimmten onkogenen HPV-Typen entstehen bei 30 bis 50 Prozent der Betroffenen Plattenepithelkarzinome der Haut, die sogar metastasieren können. Diese Patienten müssen engmaschig von einem Hautarzt betreut werden.

 

Dellwarzen (Mollusca contagiosa) werden im Unterschied zu den übrigen Warzen durch ein Virus aus der Gruppe der Pockenviren (Molluscum-contagiosum-Virus) verursacht. Oft bestehen zahlreiche buntstecknadelkopf- bis erbsengroße, hautfarbene oder rötliche Knötchen mit glatter Oberfläche (siehe Abbildung 4). Meist weisen sie in der Mitte eine Delle auf, aus der bei Quetschung ein talgartiger Brei austritt.

 

Besonders häufig sind Kinder mit anlagebedingter Neigung zu Neurodermitis, Heuschnupfen oder allergischem Asthma betroffen. Auch bei jungen Erwachsenen kommen Dellwarzen vor, wobei die Übertragung hier meist durch Sexualkontakte erfolgt. Eine große Aussaat von Dellwarzen bei Erwachsenen kann auf das Vorliegen einer HIV-Infektion hindeuten.

Diagnose meist kein Problem

 

In aller Regel kann die Diagnose durch das typische klinische Bild problemlos gestellt werden. In Zweifelsfällen, insbesondere bei raschem Wachstum, bei Immunsupprimierten oder im Bereich der Nägel sollte eine Probebiopsie mit histologischer Untersuchung erfolgen, um andere, vor allem bösartige Veränderungen, auszuschließen.

 

Für die Behandlung von Warzen sind zahlreiche Hausmittel bekannt, die von Verbänden mit Bananenschalen über Nacht, Auftragen trockener Tafelkreide oder Knoblauch, Aufsetzen von Schnecken bei Vollmond bis zum Besprechen der Warzen reichen. Die Effektivität dieser Methoden kann durch die Neigung zur Spontanregression der Warzen und Autosuggestion erklärt werden.

 

Eine Spontanheilung tritt bei etwa 60  Prozent der Patienten innerhalb von zwei Jahren ein. Eine weitere Besonderheit von Warzen ist die Viruspersistenz durch Immunevasion, eine Art Umgehung des Immunsystems. So kann es sehr lange dauern, bis eine zelluläre Immunantwort eintritt. Dann jedoch erfolgt eine narbenlose Abheilung, die schnell und an allen Warzen gleichzeitig auftreten kann.

 

Jede Therapie zielt lediglich auf die Entfernung der sichtbaren Warzen ab, eine vollständige Beseitigung der Viren ist mit keiner Therapieform erreichbar. Aufgrund der hohen Spontanheilungstendenz von Hautwarzen sollten aggressive, mit möglicher Vernarbung verbundene Maßnahmen vermieden werden.

 

Konservativen, wenig eingreifenden Methoden ist unbedingt der Vorzug zu geben, auch wenn der Therapieerfolg hierbei verzögert eintritt. Nur bei Verdacht auf bösartige Veränderungen sollte in jedem Fall eine Probebiopsie oder Exzision erfolgen. Je nach Warzentyp, -zahl und -lokalisation sowie Alter und Wünschen des Patienten sollte die Therapie individuell angepasst werden. Abwarten kann ebenfalls eine Möglichkeit sein.

 

Bei vulgären Warzen und Fußsohlenwarzen ist die Entfernung der Hyperkeratose Grundlage der Therapie. Bewährt und evidenzbasiert ist die Anwendung von Salicylsäure in Form von Kollodium oder Pflaster (zum Beispiel Verrucid®, Guttaplast®), gegebenenfalls in Kombination mit Milchsäure (zum Beispiel Clabin plus®, Wurzeltod Warzenpflaster®).

 

Die aufgeweichte Hornhaut wird vorsichtig mit einem Hornhauthobel oder einem scharfen Löffel entfernt, ohne dass es zu einer Blutung kommt. Kombiniert mit einer Cignolin (Dithranol)-haltigen Warzensalbe konnten Abheilungsraten von bis zu 77 Prozent erzielt werden. Hierbei wird nach Anwendung von zum Beispiel Guttaplast® über drei bis vier Tage und Abtragung der Hyperkeratose die Warzensalbe zweimal täglich für vier bis fünf Tage aufgetragen und mit einem Pflaster abgeklebt (Verfärbung der Kleidung möglich). Diese Therapiezyklen werden über mehrere Wochen wiederholt.

 

Ein weiterer Therapieansatz sind topische Zytostatika, insbesondere 5-Fluorouracil. Ein gängiges Präparat in Kombination mit Salicylsäure (Verrumal® Lösung) wird dreimal täglich dünn aufgetragen. Der hierbei entstehende Film sollte vor dem erneuten Auftragen abgelöst werden.

 

Vereisung und andere Methoden

 

Niedrig konzentrierte Salpetersäure-Milchsäure-Lösung (Solco-Derman®) verätzt Warzen und wird einmal wöchentlich vom Arzt angewendet. Als Nebenwirkungen dieser relativ aggressiven Lösung können Rötung und Brennen auftreten.

 

Auch mit der Vereisungstherapie (Kryotherapie), entweder im Kontakt- oder offenen Sprayverfahren, lassen sich Warzen zur Abheilung bringen. Vom Arzt wird die Vereisung in der Regel mit flüssigem Stickstoff durchgeführt. Für die Anwendung zu Hause stehen andere Vereisungsverfahren zur Verfügung, zum Beispiel Wartner® (Dimethylether, Propangas) oder Scholl Freeze Warzenentferner® (Dimethylether, Isobutan, Kohlenwasserstoffe, Propan). Die Methode führt zur Blasenbildung unterhalb der Warze, wodurch sie abgehoben wird. Meist sind zwei bis drei Sitzungen in wöchentlichen Abständen notwendig.

 

Bei ausgedehnten Fußsohlenwarzen können im Off-Label-Use auch Imiquimod-Creme (Aldara 5 %) oder die einmalige Injektion von Interferon-alpha 2a Erfolge zeigen, da hierdurch das Immunsystem zur Bekämpfung der Warzen angeregt wird.

 

Erfolgversprechend ist auch eine topische Immuntherapie mit dem obligaten Kontaktallergen Diphenylcyclopropenon, wie sie bei schweren Formen der Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall) eingesetzt wird.

 

Operativ können die Warzen durch Kürettage mit einem scharfen Löffel, elektrokaustisch oder mit einem ablativen Laser entfernt werden. Bei zu tiefer Abtragung besteht jedoch das Risiko der Narbenbildung, was vor allem im Bereich der Fußsohlen zu dauerhaften Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen führen kann.

Rezeptur Warzensalbe NRF

Die Rezeptur der Warzensalbe erfolgt nach dem Neuen Rezeptur-Formularium (NRF 11.31):

Dithranol 0,5 g

Acidum salicylicum 12,5 g

Paraffinum liquidum 2,5 g

Vaselinum album ad 50,0 g

Die Therapie der Wahl für Flachwarzen, die meist in sehr großer Zahl auftreten, ist lokal angewendetes Tretinoin (zum Beispiel Airol®-Creme 0,05 %). Bei stärkerer Reizung wird diese Therapie unterbrochen.

 

Pinselwarzen werden am besten mittels Scherenschlag entfernt. Alternativ kann – sofern die Warzen nicht am Augenlid lokalisiert sind – eine Vereisungstherapie erfolgen. Im Gesicht und insbesondere an den Augenlidern sollten die oben genannten Warzentinkturen, -cremes und -pflaster nicht angewendet werden, um eine Reizung der Augenschleimhaut zu vermeiden.

 

Eine neuere Studie konnte zeigen, dass bei sehr hartnäckigen, durch HPV induzierten Warzen die Einnahme von Zinksulfat in einer Dosierung von 10 mg/kg Körpergewicht (maximal 600 mg pro Tag) über ein bis zwei Monate oft zu einer vollständigen Abheilung ohne starke Nebenwirkungen führen kann.

 

Unterstützend zu allen diesen Therapieformen können folgende begleitende Maßnahmen empfohlen werden:

 

Rauchverbot,

Behandlung von übermäßigem Schwitzen (insbesondere an Händen und Füßen),

Hygienemaßnahmen: Kratzen an den Warzen vermeiden, keine gemeinsame Benutzung von Handtüchern, Nagelfeilen, Tragen von Badeschuhen in öffentlichen Schwimmbädern, Saunen oder etwa Gemeinschaftsduschen

 

Dellwarzen können mit Kaliumhydroxid-Lösung (Infectodell®) zweimal täglich behandelt werden. Diese Therapie wird beendet, sobald es zu einer deutlichen Entzündung kommt. Alternativ können Dellwarzen exprimiert oder mit dem scharfen Löffel kürettiert werden. Der Eingriff ist bei Kindern nach okklusiver Vorbehandlung der Warzen mit einer lokalanästhetischen Creme (zum Beispiel Emla®) erleichtert. Zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung ist zusätzlich eine konsequente Rückfettung der Haut notwendig, insbesondere bei Neurodermitis.

 

Für jede Warzentherapie gilt, dass konsequent behandelt und nicht zu früh aufgegeben werden sollte. Mit der Auswahl der geeigneten Methode und Geduld lassen sich die meisten Warzen beseitigen. / 

 

Literatur bei den Verfassern

Für die Verfasser

Professor Dr. Henning Hamm

Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Klinikum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Josef-Schneider-Straße 2

97080 Würzburg

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