Behörden nehmen Versender ins Visier |
05.04.2011 17:27 Uhr |
Von Daniel Rücker und Annette van Gessel / Seit mehr als einem Jahrzehnt beliefern Versender aus den Niederlanden deutsche Patienten mit Arzneimitteln. Das hat die Behörden bislang kaum interessiert. Jetzt scheint sich dies zu ändern.
Bereits in den Neunziger Jahren, versuchten Versender aus Großbritannien wie Pharmacy2U, mit preiswerten Kontrazeptiva den deutschen Markt für sich zu erobern. Im Jahr 2000 bekamen sie Konkurrenz auf dem Festland. In den Niederlanden gründeten der niederländische Apotheker Jaques Waterval und der Deutsche Ralf Däinghaus die Versandapotheke DocMorris. Ihr Konzept entsprach dem der Briten. Unter Umgehung der Arzneimittelpreisverordnung und des Versandhandelsverbotes wurden Arzneimittel an deutsche Verbraucher geschickt.
Über das Internet und über Pick-up-Stellen bestellen deutsche Patienten Arzneimittel in den Niederlanden. Dort will sich die Aufsicht in Zukunft intensiver um die Versandapotheken kümmern.
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Das Geschäftsmodell fand schnell Nachahmer. Mit der Europa-Apotheek, Schleckers Versandabteilung Vitalsana und etlichen kleineren Anbietern entstand in der deutsch-niederländischen Grenzregion eine Branche, die sich darauf spezialisiert hatte, deutsche Verbraucher am Rande und jenseits der Legalität mit Arzneimitteln zu versorgen.
Angesichts der zweifelhaften Rechtsgrundlage war es durchaus bemerkenswert, dass sich staatliche Stellen beiderseits der Grenze wenig bis gar nicht dafür interessierten. Den niederländischen Behörden war das Treiben offenbar nicht so wichtig, weil zum einen der Versandhandel mit Arzneimitteln dort erlaubt ist und zum anderen ohnehin nur deutsche Kunden beliefert wurden. Innerhalb der Niederlande hat der Versandhandel mit Arzneimitteln keine Bedeutung.
Kein Interesse der Regierung
Doch auch in Deutschland zeigte die ansonsten eher regulierungsfreudige rot-grüne Bundesregierung wenig Ambitionen, der systematischen Umgehung deutscher Gesetze und Verordnungen etwas entgegenzusetzen. Ein wichtiger Grund für die ungewohnte Freizügigkeit war offensichtlich das von der Politik geteilte Inte-resse der Krankenkassen, die Versicherten kostengünstiger mit Arzneimitteln zu versorgen. So blieb es den deutschen Apothekern vorbehalten, die Rechtslage auszuloten. Am Ende bekamen sie zwar in vielen Punkten Recht, doch hatte der Gesetzgeber im Jahr 2004 mit der Zulassung des Versandhandels und der Aufnahme der Niederlande auf die Länderliste die Grundlage verändert. Die Versorgung deutscher Patienten über niederländische Apotheken inklusive abstruser Geschäftsmodelle wie Pick-up-Stellen sogar in öffentlichen Apotheken schien zu einem langfristigen Ärgernis der deutschen Arzneimittelversorgung zu werden.
Vor Kurzem hat sich der Wind gedreht. Im Februar fiel das Schlecker-Konstrukt Vitalsana beim Oberlandesgericht Stuttgart mit Pauken und Trompeten durch. Die Richter sahen in der Auslagerung pharmazeutischer Tätigkeiten vom Versender hin zu Schlecker einen Verstoß gegen deutsches Apothekenrecht.
Etwa zur selben Zeit gerieten die niederländischen Versandapotheken ins Visier der eigenen Aufsicht. Nachdem ehemalige Mitarbeiter von niederländischen Versandapotheken auf Missstände hingewiesen hatten, wurde die Behörde aktiv. Sie will nun durchsetzen, dass sich auch die Versandapotheken grundsätzlich an die niederländische Apothekennorm (NAN) halten. Bei einem Treffen mit den Versendern, informierte die Behörde darüber, dass in Zukunft alle niederländischen Gesetze zu beachten sind. Das ist für die Versandapotheken durchaus ein Problem, denn manche Regelungen lassen sich bei Rezepten aus Deutschland nicht umsetzen. In den Niederlanden sind Apotheker verpflichtet, Rezeptangaben zur Indikation und der Dosierung auf die Arzneimittelpackung zu schreiben. Auf deutschen Rezepten sind Dosierung und Indikation nicht vorgeschrieben. Die Dosierung ist noch relativ häufig vermerkt, die Indikation nur in Ausnahmefällen, etwa bei verordneten OTC-Arzneimitteln. Außerdem müssen niederländische Apotheken die Originalrezepte archivieren. Mit deutschen Regelungen ist das nicht in Einklang zu bringen, da die Krankenkassen ohne Rezept nicht abrechnen.
Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Verantwortlichen von DocMorris, Europa-Apotheek und den anderen Versandapotheken die neuen Vorgaben ohne weiteres hinnehmen. Faktisch können die Versender die Bedingungen gar nicht erfüllen. Kampflos ihren Geschäftsbetrieb einstellen werden sie aber wahrscheinlich auch nicht. /