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Bionnale

Speed-Dating für klamme Start-ups

20.03.2012  16:53 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / An Ideen und Potenzial mangelt es jungen Biotech-Firmen nicht, wohl aber an Kapital. Deshalb gab es bei der Bionnale in Berlin eine Art Speed-Dating, um klamme Start-ups und potenzielle Investoren zusammenzubringen.

Zumindest in der Klischeeversion taugt die pharmazeutische Biotechnologie zum Filmstoff. Gerne gesichtsblass stellt man sich genialische Forscher mit heilsbringender Superidee vor, fast verzweifelnd, bis endlich jemand mit Kapital im Rücken an die Vision glaubt und ihre Umsetzung ermöglicht.

 

Geht auch ohne Happy End: Dann ist der Kreditgeber ein heuschreckenartiges Ungetüm, das die braven, aber zum Ende in der Gosse verdammten Wissenschaftler aussaugt.

Die Realität freilich bietet ein grautönigeres Spektrum, auch wenn Gentechnik, Pharmafirmen und Investmentfonds im Spiel sind. Einen Einblick in die Phase des Zusammenfindens bot in der vergangenen Woche die zehnte Bionnale in Berlin. Gefördert vom Senat und veranstaltet von BioTop, der zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle für Biotech-Belange in der Hauptstadtregion, stand dort auch ein sogenannter Venture Market auf dem Programm – eine Art Speed-Dating zwischen zehn Start-up-Firmen und zehn potenziellen Investoren.

 

Pausen zum Beschnuppern der Partner in spe

 

Neben den Präsentationen war für reichlich Pausen zum »Matchen« gesorgt, also zum Beschnuppern der Partner in spe. Vorab lieferte indes Sven-René Friedel, Finanzchef der Berlin Heart GmbH, ein inspirierendes Beispiel dafür, wie das Durchstarten einer jungen Firma in der Praxis beispielhaft aussehen kann.

 

Das Unternehmen ist auf die Produktion von Kunstherzen spezialisiert und entwickelt Systeme für die mechanische Herzunterstützung. Nur rund 4000 Spenderherzen seien weltweit verfügbar, bei zigfach höherem Bedarf, führte Friedel aus. Eine gute Ausgangslage also Ende der 1990er-Jahre, zumal es im Herzpumpensegment damals schon eine jahrzehntelange Forschungstradition gab. »Die Anfänge glichen aus heutiger Sicht aber eher einer Frankenstein-Therapie«, witzelte Friedel.

 

Die Voraussetzungen für das junge Unternehmen seien umso günstiger gewesen, weil es Anschubfinanzierung durch einen lokalen »Business Angel«, nämlich die Technologiestiftung Berlin, ebenso gegeben habe wie wissenschaftliche Unterstützung durch das Deutsche Herzzentrum und personelle Ressourcen aus Restbeständen der Akademie der Wissenschaften der DDR. Von der Gründung 1998 an dauerte es dennoch fünf Jahre bis zur ersten CE-Zertifizierung, sieben Jahre bis zum Erreichen des Break Even, der Gewinnschwelle, an der Kosten und Erlös sich die Waage halten.

 

Friedel berichtete, dass in diesem Zeitraum sechs Finanzierungsrunden zum Eindecken mit Risikokapital nötig waren, ehe der Übergang in die klassische Bankenfinanzierung gelang. Den jungen Unternehmern empfahl Friedel, frühzeitig auf Kundenintegration, und Qualitätsmanagement zu setzen. »Sonst verlieren sie am Ende ihr Tafelsilber«, so der Finanzchef. Dann präsentierten sich die jungen Unternehmen, die ihr Silber noch aufpolieren müssen. Vergleichsweise weit ist beispielsweise die Initiative Gesundheit aus Landshut, die ein sicheres Dokumentations- und Kommunikationssystem für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte entwickelt hat und zurzeit nach 3,5 Millionen Euro zu Expansionszwecken sucht.

 

»Wir haben Kapitalbedarf in Höhe von fünf Millionen Euro«, berichtete Ron Meyer, Chef der noch weiter am Anfang stehenden InfanDx AG aus Köln. Das Unternehmen hat einen Biomarker-Test für perinatale Asphyxie und Gehirnschädigung entwickelt. Für Hirnschäden infolge von Sauerstoffmangel gebe es zwar eine Therapie, aber bisher kein Diagnostikum für die ersten Stunden nach der Geburt.

 

Geld für klinische Studien fehlt

 

Zielgruppe seien Kliniken mit einem Kreißsaal, der Test habe das Potenzial zum Standarddiagnostikum, so Meyer weiter. Aber erst einmal benötige sein Unternehmen Geld für die Durchführung einer klinischen Studie sowie einer technologischen Weiterentwicklung. Angst vor Heuschrecken brauchten Firmen wie diese auf der Bionnale übrigens nicht zu haben, denn beim Matchen warteten auf der anderen Seite öffentlich geförderte Fonds wie etwa der High-Tech Gründerfonds oder die IBB Bet.gesellschaft mbH. Seriöse Partner also, wenn auch nicht glamourös genug für Hollywood. /

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