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Gesundheitssystem

Der Patient als Partner

15.03.2011  18:05 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Die Koalition will die Rechte von Patienten über ein Gesetz stärken. Doch welche Bedürfnisse haben die Versicherten im Gesundheitsmarkt? Dieser Frage sind das Bundesgesundheitsministerium und der Verbraucherzentrale Bundesverband auf einer gemeinsamen Veranstaltung nachgegangen.

Das Ministerium und die Verbraucherzen-tralen hatten sich den Welt-Verbrauchertag am 15. März ausgesucht, um über die Rolle des Patienten im Gesundheitswesen zu diskutierten. »Der souveräne Patient ist unser Ideal, aber er entspricht noch nicht der Wirklichkeit«, sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) in Berlin. Das deutsche Gesundheitswesen sei ein sehr undurchsichtiges System. Es müsse mehr Transparenz und eine bessere Information für die Versicherten geben.

»Außerdem brauchen Patienten Unterstützung, um ihre Interessen wahrzunehmen«, so Rösler. Er lobte die Unabhängige Patientenberatung, die den Verbrauchern bundesweit zur Verfügung steht. Noch im März werde die Regierung zudem Eckpunkte für ein Patientenrechtegesetz vorlegen. »Dort werden die Rechte der Versicherten zusammengeführt und so die Souveränität der Patienten gestärkt.«

 

Patienten verstehen Rabattverträge nicht

 

Auch Gerd Billen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, begrüßte das geplante Gesetz. »Wir haben heute eine kritischere Gesellschaft als noch vor einigen Jahren. Die Patienten wollen ihre Rechte wahrnehmen«, sagte Billen. Auch an anderer Stelle gebe es jedoch viel zu tun. So würden Verbraucher einige von der Politik durchaus gut gemeinte Regelungen nicht verstehen. Als Beispiel nannte Billen die Arzneimittelrabattverträge, die ökonomisch zwar sinnvoll seien. »In der Apotheke erlebt der Patient die Verträge aber als negativ, weil er plötzlich ein ihm fremdes Präparat bekommt. Das ist kein wirksames Preissignal«, so Billen.

 

Bei den Rabattverträgen hätte es im Vorfeld mehr Aufklärung geben müssen, sagte auch Wolfgang Zöller (CSU) in der anschließenden Diskussionsrunde. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung forderte alle Akteure im Gesundheitssystem auf, den Patienten künftig stärker als Partner wahrzunehmen. Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, nannte die umfassende und transparente Information der Patienten zwar wichtig. »Dafür benötigen wir aber auch Zeit und die haben wir leider häufig nicht«, so Weigeldt. Im europäischen Vergleich sei der durchschnittliche Arzt-Patienten-Kontakt in Deutschland sogar der kürzeste.

 

Dass sich die Patienten für die Kosten der erbrachten Leistungen interessierten, sei entgegen vieler Behauptungen ein Irrtum, sagte Hermann-Josef Tenhagen von der Stiftung Warentest. »Die Kosten sind für einen Patienten nicht die wichtigste Frage, wenn er krank beim Arzt sitzt.« Dem stimmte Weigeldt zu. »Ich möchte die Kostendebatte nicht immer im Vordergrund sehen, wenn es um Patientensouveränität geht.« Erfahrungen mit der sogenannten Patientenquittung bestätigen diese Einschätzung: Laut Umfragen nehmen nur 2 Prozent der Versicherten die im Jahr 2004 eingeführte Quittung in Anspruch.

 

Kritik an der Veranstaltung von Gesundheitsministerium und Verbraucherzentralen kam aus der Opposition. »Es reicht nicht aus, nur vom souveränen Patienten zu reden«, sagte Maria Klein-Schmeink von den Grünen. Wesentliche Fragen würden nicht bedacht, die Stärkung der Patientenrechte werde daher vermutlich ein vordergründiges Versprechen der schwarz-gelben Koalition bleiben, so Klein-Schmeink. 

 

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie kritisierte den Gesundheitsminister. Patienten würden etwa bei der sogenannten Mehrkostenregelung Informationen vorenthalten, hieß es. Die Versicherten wissen nicht, welchen Betrag die Kasse erstattet, wenn sie ein anderes als das rabattierte Arzneimittel wählen. »Wie kann man den Patienten ernsthaft als wesentlichen Akteur im Gesundheitswesen bezeichnen, wenn man ihn über die finanziellen Folgen seines Handelns völlig im Unklaren lässt?«, fragte Verbandschef Bernd Wegener. / 

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