Rürup sieht Chancen für die Apotheke |
05.03.2007 11:19 Uhr |
Rürup sieht Chancen für die Apotheke
Von Thomas Bellartz, Frankfurt am Main
Der Applaus war nur vereinzelt mit zaghaften Buhrufen gespickt. Dabei hatte Professor Dr. Bert Rürup beim Apothekerforum der Andreae Noris Zahn AG (Anzag) den Apothekenketten das Wort geredet. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass auch dem selbstständigen Apotheker die Zukunft in einem wachsenden Markt gehöre.
»Apothekenketten werden kommen«, sagte der Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen vor rund 200 Apothekerinnen und Apothekern im Hotel Intercontinental. Die hatten sich für einen Vortrag des Darmstädters Professors entschieden. Mit Blick auf den abendlichen Deutschen Apothekerball in der Alten Oper ein zwar halbwegs unterhaltsamer, aber auch anstrengender Auftakt.
Denn nach dem gewohnten Rürupschen Parforceritt durch das deutsche Gesundheitswesen, inklusive der Entkräftung der Theorie von der Ausgabenexplosion und dem Verweis auf die nicht mehr zu behebenden demografischen Verwerfungen im System, hangelte sich der Professor schließlich zu den speziell für die Zielgruppe im Saal ausgewählten Themen.
Inhabergeführte Apotheke bleibt
Im Mittelpunkt standen dabei die Apothekenketten, die, so Rürup, zwar kommen werden, aber die inhabergeführten Apotheken nicht verdrängen. Fest stehe auch, aus welcher Ecke die Ketten kommen könnten. »Europäisches Recht bricht deutsches Recht«, sagte der Wirtschaftwissenschaftler. Und deswegen sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis Apothekenketten den deutschen Markt eroberten. Das ändere jedoch grundsätzlich nichts daran, dass der Apotheken- und Arzneimittelmarkt ein großes Wachstumspotenzial habe.
Bei einer Liberalisierung der Strukturen werde die Zahl der Apotheken zunächst steigen. Erst im Anschluss folge eine Konsolidierung im Apothekensektor. Der könnten die Apoteheker jedoch gefasst entgegensehen. Ebenso, wie der Versandhandel keine ernsthafte Gefährdung der traditionellen Apotheke sei, würden Apothekenketten nicht zum Ende der selbstständigen Apotheke führen.
Rürup warnte davor, die Debatte »rückwärtsgewandt« zu führen. Es seit legitim, gegen Apothekenketten zu sein. Rürup: »Und dafür gibt es sogar einige Gründe.« Allerdings bedeute dies nicht, dass man auch für ein generelles Verbot des Fremdbesitzes von Apotheken sein müsse. Der Professor war bemüht, beide Positionen sorgsam voneinander zu trennen.
Allerdings empfahl Rürup, sich mit den möglichen Veränderungen auseinanderzusetzen. »Gute Apothekenvertreter sollten immer gegen den Fremdbesitz kämpfen, aber auch einen Plan B in der Tasche haben.«
Wichtig sei es für die Apotheker, ihre Position im Gesundheitswesen jetzt zu stärken. Als wichtigen Baustein hierbei sieht Rürup die Aut-idem-Regelung. Die Apotheker müssten sich intenisiv für eine Erweiterung der Substitutionsmöglichkeiten einsetzen, die die Bedeutung der Apotheker bei der Arzneimittelauswahl stärken. Allerdings sei es für das eigene Selbstverständnis notwendig, diese Rolle auch anzunehmen. Rürup stimmte den Anmerkungen aus dem Publikum zu, wonach die Positionierung des spezialisierten Einzelhändlers, wie Rürup sie anregte, beispielsweise der im AVWG implementierten Rolle entgegenstehe. Mit dem Gesetz waren im vergangenen Jahr Einkaufsvorteile für Apotheker massiv enigeschränkt worden. Trotzdem sieht der Wissenschaftler die Apotheker nicht nur als Heilberufler, sondern auch als spezialisierte Einzelhändler. Er riet, dies nicht zu negieren: »Ökonomisches Entscheiden und Handeln ist wichtig.« Apotheker sollten mutiger sein und verstärkt wie Ökonomen handeln. Rürup: »Dann werden sie eine positive Zukunft haben.« Zusätzlich gehe es auch darum, mehr Marktmacht zu generieren. Dafür seien Kooperationsmodelle wie im Lebensmittelhandel sinnvoll.
Dr. Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender der Anzag, schloss sich Rürup an: »Der einzelne Apotheker wird es je nach Größe und Lage seiner Apotheke zwar schwerer haben. Er wird sich umstellen und mehr Einzelhändler sein müssen.« Dabei wolle ihn der Großhändler begleiten. Trümper, zugleich Vorsitzender des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (Phagro): »Damit verfolgen wir das Ziel, der selbstständigen mittelständischen Apotheke zu einem gemeinsamen Marktauftritt zu verhelfen und ihren Erfolg langfristig sicherzustellen.«
Reform nur Zwischenschritt
In der aktuellen Reform des Gesundheitswesens sieht Rürup nur »einen Zwischenschritt«. Der Gesundheitsfonds löse keine Probleme, sondern verursache neue. Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen werde reduziert. Spätestens in 20 Jahren müsse man sich erneut mit den Finanzierungsfragen im Gesundheitswesen befassen. Der Fonds biete den Koalitionspartnern die Möglichkeit, nach der nächsten Wahl ihr eigenes Modell umzusetzen.