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Rx-Versandverbot

SPD-Kompromiss keine Alternative

22.02.2017  10:27 Uhr

Von Jennifer Evans und Daniel Rücker / Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bleibt beim Rx-Versandverbot weiter konsequent. Seinen erneut nachgebesserten Gesetzentwurf legte er nun den Ressorts zur Abstimmung vor. Von dem vergangene Woche bekannt gewordenen Kompromissvorschlag der SPD lässt er sich nicht beirren. Auch die ABDA lehnt den Vorstoß der Sozialdemokraten entschieden ab.

Am vergangenen Freitag hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Ressortabstimmung für den Entwurf eingeleitet. Das Vorhaben hatte sich offenbar verzögert, weil es dem Vernehmen nach doch noch Unstimmigkeiten gegeben hatte. 

 

Der nun zum zweiten Mal nachgebesserte Referentenentwurf liegt der Pharmazeutischen Zeitung vor. Er beinhaltet allerdings nur kleine Änderungen. Diese betonen vor allem den Zeitdruck für die Umsetzung des Gesetzes und schärfen erneut dessen Begründung nach.

 

Mit einem befristeten Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten könnten die verfolgten Ziele nicht erreicht werden, heißt es darin. Der Wortlaut der neuen Version: »Ein weiteres Zuwarten ist im Hinblick auf den weiter rückläufigen Trend der Apothekenzahlen nicht angezeigt. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit einem befristeten Rx-Versandverbot gleich wirksam die verfolgten Ziele erreicht werden könnten«. Ein auf zwei Jahre befristetes Verbot in Kombination mit der Erlaubnis von einem 1-Euro-Bonus pro Packung hatten vergangene Woche die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar und der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD), vorgeschlagen.

 

Gleichbehandlung

 

Laut gemeinsamer Erklärung müssten Versandapotheken und niedergelassene Apotheken gleich behandelt werden. Verankern wollen die SPD-Politiker ihr Vorhaben im Einklang mit dem Heilmittelwerbegesetz im § 129 Sozialgesetzbuch V. Dies ist Dittmar und Franke zufolge eine »pragmatische Lösung« und noch in dieser Legislaturperiode umsetzbar. Nach den veranschlagten zwei Jahren soll mithilfe einer Expertenkommission Bilanz gezogen werden. Diese soll »die wirtschaftliche Situation der Apotheken auf Grundlage einer Honorarstudie, die derzeit durchgeführt wird, sowie unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation im Apothekenmarkt, der Sicherstellung der Versorgung, der Einbindung der Apotheken in sektorenübergreifende Versorgungsmodelle und der Arzneimitteltherapiesicherheit evaluieren«, schreiben die Gesundheitspolitiker. Allerdings dürfe die Versandapotheke keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber der stationären Apotheke haben, weil diese sonst in ihrer Existenz bedroht sein könnte, räumte Franke ein.

 

Auslöser für das Gesetzvorhaben war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016. Seitdem müssen sich ausländische Versender nicht mehr an die deutsche Preisbindung für Rx-Arzneimittel halten. Das Gesetz könne aufgrund des Notifizierungsverfahrens bei der Europäischen Kommission nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, so Dittmar und Franke. Das EU-Verfahren ist nötig, weil durch die neue Verordnung der EU-Binnenmarkt betroffen ist. Es bedingt eine drei- bis sechsmonatige Stillhaltefrist, während der das Gesetz nicht in Kraft treten kann.

 

Keine Option

 

Aus Sicht der ABDA ist der SPD-Vorschlag keine Option. »Der einsame Vorstoß, den die beiden SPD-Parlamentarier unternehmen, taugt überhaupt nicht zur Lösung der Probleme, die durch das EuGH-Urteil entstanden sind«, kommentierte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in einer Stellungnahme. Die beiden bestätigten zwar, dass inakzeptable Wettbewerbsvorteile für ausländische Versandapotheken geschaffen wurden und Handlungsbedarf bestehe. Es würden aber nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Stattdessen werde eine Scheinlösung präsentiert. Der Vorschlag sei nur dafür da, »sich über das Ende der Legislaturperiode zu retten«, sagte Schmidt. Zudem sei der Vorschlag, Boni von Versandhändlern auf 1 Euro zu begrenzen europarechtlich nicht zu halten. Dadurch ließe sich ein destruktiver Preiswettbewerb nicht vermeiden.

 

Der ABDA-Präsident wirft Dittmar und Franke fehlenden Mut vor. Das Gesetz sei eine saubere Lösung, auch europarechtlich. Und wenn die SPD den Gesetzentwurf nicht blockiere, könne er noch vor der Sommerpause den Bundestag passieren und später verabschiedet werden.

 

Dittmar und Franke äußersten außerdem »erhebliche verfassungs- und europarechtliche Bedenken«. Zudem werde der Botendienst durch die vorgesehenen Regelungen zu einem organisatorischen Mehraufwand für Apotheken, auch mit Blick auf das dafür benötigte Fachpersonal. Außerdem sei zu befürchten, dass die Versorgung von Patienten mit speziellen Bedürfnissen, etwa Spezialrezepturen, sowie für jene in infrastrukturschwachen Gebieten erschwert werde.

 

Das BMG hatte aber schon in der Endfassung deutlich gemacht, dass der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Erhalt der sozialen Gesundheitssicherungssysteme im Fokus steht. Auch begrenzte Rabatte seien nicht zielführend. Zudem hatte das Ministerium Zahlen zur rückläufigen Entwicklung der Offizin-Apotheken genannt und darauf verwiesen, dass sich diese Entwicklung verschärfe, sollte der Rx-Versandhandel mehr Marktanteil bekommen.

 

In der neuen Version wird nun explizit darauf verwiesen, dass die Preisbindung für ausländische Versandapotheken schon »seit der Zulassung des Versandhandels«, also auch bereits vor dem Urteil des EuGH, gegolten habe. Diese Vorschrift für das Preisrecht habe der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes bereits 2012 bestätigt. Demnach hätte die deutsche Preisbindung auch Gültigkeit etwa für den niederländischen Versender Doc Morris gehabt. Die Ministerien haben nun Zeit, den Entwurf zu prüfen. Sobald der EU-Kommission der Kabinettsentwurf vorliegt, kann sie mit dem Notifizierungsverfahren beginnen. /

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