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Hilfsmittelversorgung

Bessere Qualität, mehr Transparenz

22.02.2017  10:27 Uhr

Von Ev Tebroke / Patienten sollen künftig bei der Heil- und Hilfsmittelversorgung mit einer besseren Qualität der Produkte sowie mit mehr Service und Transparenz rechnen können. Dafür sorgt das nun vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG). Neben Konkretisierungen bei der Wund- und Verbandmittelversorgung bringt das Gesetz für Apotheker auch mehr Bürokratie.

Der Bundestag hat das Gesetz am 16.  Februar mit den Stimmen der Koalition beschlossen, die Oppositionsfraktionen enthielten sich. Einen Tag zuvor hatte der Gesundheitsausschuss des Bundestags noch zahlreiche Änderungen und Ergänzungen am Regierungsentwurf beschlossen.

 

50/50 – Qualitätsregelung

 

Das Gesetz verpflichtet die Kassen, künftig bei Ausschreibungen neben der Wirtschaftlichkeit eines Produkts auch dessen Qualität, Zweckmäßigkeit und Zugänglichkeit für den Pa­tienten zu berücksichtigen. Diese ­Aspekte müssen mindestens zu 50 Prozent bei der Auswahl des Herstellers miteinfließen. Der Regierungsentwurf hatte noch eine 40/60-Regelung vorgesehen. Kritiker hatten deshalb moniert, der preisliche Aspekt überwiege nach wie vor.

 

Grundsätzlich müssen die Kassen bei Ausschreibungen den Patienten nun eine Auswahl zwischen verschiedenen mehrkostenfreien Hilfsmitteln ermöglichen. Anbieter sind zudem dazu verpflichtet, Versicherte zu geeigneten Hilfsmitteln und Leistungen zu beraten sowie über mögliche Mehrkosten zu informieren. Für individuell angefertigte Hilfsmittel sowie solche mit ­hohem Beratungsaufwand sind Ausschreibungen künftig nicht mehr zu­lässig. So sollen etwa ­Stoma-Patienten besser versorgt werden können.

 

Um künftig Qualitätsanforderungen zu garantieren, Transparenz über das Hilfsmittelangebot zu liefern sowie Fehlversorgung zu vermeiden, muss der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) das Hilfsmittelverzeichnis regelmäßig aktualisieren, erstmals bis Ende 2018.

 

Auslöser für die Reform des HHVG waren die zuletzt eklatanten Mängel bei der Versorgung mit aufsaugenden Inkontinenzhilfsmitteln. Im Zuge der Ausschreibungspraxis hatte hoher Preisdruck zu immer schlechteren Produkten und unzureichenden Versorgungsmengen geführt. Wer bessere Qualität benötigte, musste hohe Aufzahlungen leisten.

 

Die Apotheker sehen die neuen Regelungen positiv: »Wir begrüßen es, wenn die Krankenkassen nicht nur den Preis, sondern auch die Qualität bei ihren Ausschreibungen für Hilfsmittel berücksichtigen müssen«, sagte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker. »Bei den Verbandmitteln freuen wir uns für die Patienten, dass bewährte Produkte zur Wundbehandlung weiterhin von den Krankenkassen bezahlt werden, um Risiken von Komplikationen und Krankenhausaufenthalten zu minimieren.« Kritisch sehen die Apotheker allerdings das per Gesetz nun verschärfte Präqualifizierungsverfahren. Die Bürokratie in der Hilfsmittelversorgung nehme leider zu, so Becker. Die geplante Änderung bei der Überwachung der Präqualifizierungsstellen gefährde ein »funktionierendes Verfahren unnötig«. Zudem bringt die neue Dokumentationspflicht bei der Beratung aus Sicht der Apotheker nur Mehraufwand, aber keinen Zusatznutzen.

 

Weitere Bereiche geregelt

 

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sollen die Regelungen des HHVG zum größten Teil bereits im März 2017 in Kraft treten. Im sogenannten Omnibus-Verfahren regelt das Gesetz neben der Heil- und Hilfsmittelversorgung auch andere Bereiche – etwa die Beitragsbemessung für Selbstständige in der GKV. Zuletzt waren immer mehr Selbstständige nicht in der Lage, ihre Kassenbeiträge zu zahlen, da ihre Einkommen weit niedriger waren, als die Kassen für die Beitragsbemessung zugrundelegten.

 

Neu ist auch eine Regelung zum sogenannten morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Das ist der Verteilungsschlüssel, nach dem die Kassen je nach Krankheitsgrad ihrer Mitglieder gestaffelte finanzielle Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, über Diagnosemanipulationen mehr Geld einzustreichen. Zuletzt hatten Kassen versucht, auf die Diagnosekodierung der Ärzte Einfluss zu nehmen, um so die Zuweisungen aus dem Geldtopf zu erhöhen. /

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