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Leukämien und Lymphome

Neues zu Ibrutinib und Daratumumab

11.02.2015  09:43 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Zu dem Tyrosinkinase-Hemmer Ibrutinib und dem Antikörper Daratumumab liegen nun Langzeitdaten vor. Der Antikörper wird beim Multiplen Myelom eingesetzt; Ibrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie und beim Mantelzell-Lymphom. Bei beiden Wirkstoffen setzte sich der positive Trend aus den Erstauswertungen fort.

Der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib ist in Deutschland seit vergangenem November unter dem Namen Imbruvica® verfügbar. Er wird bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) eingesetzt, die bereits mindestens eine andere Therapie erhalten haben (Zweitlinientherapie). In der Erstlinientherapie kommt er bei CLL-Patienten zum Einsatz, bei denen eine 17p-Deletion oder eine Mutation am TP53-Gen vorliegt und die nicht mit einer Chemotherapie behandelt werden können.

 

Dem Standard überlegen

 

»In dem 16-monatigen Nachbeobachtungszeitraum bei rezidivierten oder refraktären CLL-Patienten zeigte sich Ibrutinib dem Standard Ofatumumab hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüber­lebens signifikant überlegen«, sagte Professor Dr. Clemens Wendtner vom Klinikum Schwabing in München auf einem Presseworkshop von Janssen-Cilag in Frankfurt am Main. Der Hämatologe und Onkologe stellte die Ergebnisse verschiedener Follow-up-Studien vor, unter anderem der Zulassungsstudie RESONATE. So war unter Ofatumumab das mediane Überleben nach rund acht Monaten erreicht; für Ibrutinib wurde dieses im Beobachtungszeitraum nicht erreicht (J. Brown et al., ASH-Abstract 3331). Dabei machte es unter Ibrutinib, anders als unter Ofatumumab, keinen Unterschied, ob bei den Patienten eine 17p-Deletion oder eine TP53-Mutation vorlag. Sie sprachen ähnlich gut an wie Patienten ohne diese Besonderheit. Unterschiede ließen sich jedoch hinsichtlich der Zahl der Vortherapien feststellen. So sprachen Patienten mit nur einer Vortherapie besser an als jene, die mehr als eine Vortherapie erhalten hatten.

 

»Häufig kommt es zu Beginn einer Therapie zu einer Leukozytose«, informierte Wendtner. Diese stelle jedoch kein Therapieversagen dar. Im Gegenteil – die Therapie mit Ibrutinib führe dazu, dass CLL-Zellen aus den Nischen, insbesondere Lymphknoten und Knochenmark, herausgelöst und in die Blutbahn abgegeben werden. So komme es über Wochen bis zu einigen Monaten zu einem Ansteigen der Lymphozyten-Zahlen. Zwar stelle der Anstieg der Leukozytenzahl kein kollektives Maß für das Ansprechen dar. »Man muss das Phänomen jedoch kennen, um die Therapie richtig zu beurteilen«, so der Referent.

 

Insgesamt zeigten Patienten unter Ibrutinib eine signifikante und vor allem anhaltende Verbesserung der hämatologischen Parameter sowie der Lebensqualität im Vergleich zu Ofatumumab, berichtete Wendtner weiter. Anders als unter einer klassischen Chemotherapie blieb die Zahl der Immunglobuline weitgehend konstant. Patienten berichteten vor allem über eine Besserung der Fatigue bereits unter der Therapie.

 

Als Nebenwirkungen werden mit Ibrutinib Blutungsereignisse und Vorhofflimmern in Verbindung gebracht. »Zwar litt ein großer Teil der betroffenen Patienten bereits vor der Therapie unter Vorhofflimmern, und Blutungsereignisse waren weitestgehend geringgradig ausgeprägt«, sagte Wendtner. Dennoch sollte man bei Patienten, Phenprocoumon oder eines der neuen oralen Antikoagulanzien anwenden, vor Beginn einer Ibrutinib-Therapie die Indikation kritisch prüfen.

 

Kombinationen gegen Mantelzell-Lymphon

 

»Gutes und anhaltendes Ansprechen erreicht man mit Ibrutinib auch beim Mantelzell-Lymphom, das unter allen nodalen Lymphomen die schlechteste Prognose hat«, sagte Privatdozent Dr. Georg Heß von der Universitäts­klinik Mainz. Benötigt würden neue Konzepte und Kombinationen, so der Hämatologe und Onkologe. Einen möglichen Partner von Ibrutinib stellt Rituximab dar. Die Kombination wurde an einer kleinen Gruppe von 50 refraktären Patienten untersucht und wurde gut vertragen (Wang et al., ASH- Abstract 627).

Die Gesamt­ansprechrate lag bei 88 Prozent. Eine Unterscheidung ließ sich anhand des Proteins Ki67 treffen. Das Protein gilt als Prognosemarker und gibt Aufschluss darüber, wie viele Zellen sich in der Wachstumsphase befinden: Je niedriger der Prozentsatz, umso geringer ist die Wachstums­geschwindigkeit; je höher die prozentuale Angabe, umso aggressiver ist der Tumor. Die Gesamtansprechrate lag bei Patienten mit Ki67 unter 50 Prozent bei 100 Prozent, Patienten mit hohem Ki67-Wert sprachen nur zu rund 50 Prozent auf die Therapie an.

 

»Die Zukunft werden auch beim Multiplen Myelom Kombinationen sein«, zeigte sich Professor Dr. Hartmut Goldschmidt vom Universitätsklinikum Heidelberg überzeugt. Der Leiter der Sektion Mutiples Myelom stellte zwei Studien zum CD-38-Antikörper Dara­tumumab vor. Der neue Arzneistoffkandidat wirkt über verschiedene Wege: über Komplement-vermittelte Zytotoxizität (CDC), Antikörper-abhängige Zytotoxizität (ADCC), Antikörper-abhängige Phagozytose (ADCP) sowie über eine Induktion der Apoptose und eine Modulation der Aktivität bestimmter zellulärer Enzyme.

 

Eine Studie zu Sicherheit und Wirksamkeit von Daratumumab in Kombination mit Lenalidomid und Dexa­methason bei relapsierten oder refraktären Patienten mit Multiplem Myelom (Plesner et al., ASH-Abstract 84) setzte sich aus einem Dosis-Eskalationsteil (100 Prozent Ansprechen) und einem Expansionsteil (knapp 87 Prozent Ansprechen) zusammen. Im Expansionsteil zeigte sich, dass die Rate der Patienten, die sehr gut oder vollständig auf die Behandlung ansprachen, mit der Zahl der Behandlungszyklen zunahm.

 

Dabei trat bei einem Patienten mit laryngealen Ödemen eine unerwartete Nebenwirkung auf: Durch den CD38-Antikörper Daratumumab kam es dort zu Entzündungen und Schwellungen. »Das erklärt sich durch eine hohe Zahl an CD38-Zellen im Bereich des Kehlkopfs«, erläuterte Goldschmidt. Durch inhalative Corti­coide könne man dieser Nebenwirkung jedoch wirksam vorbeugen. Phase-III-Studien mit der genannten Kombina­tion werden nun gestartet.

 

Phase-III-Studien am Start

 

Eine offene Multizenterstudie (Moreau et al., ASH-Abstract 176) mit Daratumumab plus Backbone-Therapien (unter anderem Dexamethason) mit allerdings kleinen Patientenzahlen, die in verschiedene Subgruppen unterteilt waren (Neudiagnosen, Rückfälle, Therapierefraktäre Patienten und Patienten, bei denen eine Transplantation ausgeschlossen ist), zeigte ebenfalls gute Ansprechraten bei guter Verträglichkeit. Auch hier gehen verschiedene Phase-III-Studien an den Start.

 

Erwartet werden dürfen nun die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen, die den vollständigen Krankheitsverlauf des Multiplen Myeloms abdecken. Diskutiert wird darüber hinaus, zu welchem Zeitpunkt eine Therapie begonnen werden sollte. So geht dem multiplen Myelom ein prämalignes Myelom (englisch: smoldering myeloma) voraus, während dessen die Entwicklung der Erkrankung derzeit abwartend beobachtet wird. Hier sollen Studien klären, ob Patienten von einer frühzeitigen Monotherapie mit Daratumumab profitieren. /

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