Gemeinsamer Senat begründet Urteil |
12.02.2013 18:23 Uhr |
Von Anna Hohle / Boni auf Rx-Medikamente sind in Deutschland verboten – das gilt auch, wenn eine Versandapotheke das Arzneimittel aus dem europäischen Ausland liefert. Zu diesem Ergebnis war der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes bereits im August gekommen. Jetzt legte er die Gründe für seine Entscheidung vor.
Kern des Rechtsstreits zwischen einer Darmstädter Apothekerin und der niederländischen Versandapotheke DocMorris war die Frage, ob deutsches Preisrecht auch dann gilt, wenn eine Apotheke zwar nach Deutschland liefert, ihren Sitz jedoch im Ausland hat. DocMorris hatte seinen deutschen Kunden 2007 einen Bonus von 3 Prozent pro rezeptpflichtigem Medikament gewährt. Die Darmstädter Apothekerin sah darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und klagte.
Nationales Recht gilt
Da das Bundessozialgericht und der Bundesgerichtshof in dieser Frage unterschiedlicher Auffassung waren, musste 2012 der Gemeinsame Senat entscheiden. In seiner Begründung stellte er nun klar, dass deutsches Arzneimittelpreisrecht und damit das Rx-Boni-Verbot auch für Versender mit Sitz im Ausland gilt, wenn sie Medikamente nach Deutschland liefern. Bereits das Internationale Privatrecht der Europäischen Union lege fest, dass bei Fragen des unlauteren Wettbewerbs stets das Recht jenes Staates gelte, in welchem die Wettbewerbsbeziehungen und die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind.
Auch ausländische Versandapotheken müssen sich an die deutschen Preisvorschriften halten. Dieses Urteil des Gemeinsamen Senats hat deutsche Präsenzapotheken im Wettbewerb mit Versendern aus dem Ausland gestärkt.
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Die Richter machten deutlich, das Verbot von Rx-Boni verstoße weder gegen Unionsrecht noch gegen die Warenverkehrsfreiheit. Solange eine Vorschrift wie der einheitliche Abgabepreis für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gelte, würden ausländische Versandapotheken nicht stärker beschränkt als inländische Apotheken, urteilten sie. Gleiche Regeln für alle seien im Sinne eines fairen Wettbewerbs sogar notwendig.
Auch dienten einheitliche Preisvorschriften dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. In Deutschland gelte der einheitliche Abgabepreis vor allem, um einen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken zu verhindern. Schließlich hätten diese durch ihre Beratungsfunktion eine Schlüsselrolle inne und sollten die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherstellen. Wäre eine ausländische Versandapotheke nicht an den einheitlichen Abgabepreis gebunden, würde jedoch genau jener Preiswettbewerb eröffnet, den es in Deutschland nicht geben soll.
Die Gesundheit und das Leben von Menschen nähmen jedoch den höchsten Rang ein, so die Richter. Jeder europäische Mitgliedsstaat könne selbst bestimmen, wie er den Schutz der Gesundheit seiner Bevölkerung gewährleisten wolle. Er dürfe deshalb jederzeit Schutzmaßnahmen treffen, etwa um »der Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs unter Apotheken entgegenzuwirken, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu sichern und die Gefahr eines Fehl- oder Mehrgebrauchs von Medikamenten zu mindern«.
Kein Grund für EuGH-Klage
Das Argument, kein Gesetz lege den einheitlichen Abgabepreis auch für Versender im Ausland fest, ließen die Juristen nicht gelten. Auch viele andere Vorschriften, etwa die Zulassungs- und Verschreibungspflicht nähmen nicht ausdrücklich auf ausländische Versandapotheken Bezug, so die Richter. Dennoch zweifle niemand daran, dass sie auch für diese gelten.
Der Europäische Verband der Versandapotheken hatte noch im August angekündigt, Klage gegen die Entscheidung des Gemeinsamen Senats vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen zu wollen. Der Senat machte in der Urteilsbegründung jedoch bereits klar, was die Auslegung von EU-Recht angehe, gebe es keine »vernünftigen Zweifel« an der jetzigen Entscheidung und somit keinen Grund, den EuGH anzurufen. /