Pharmazeutische Zeitung online
Osteoporose

Gezielte Hilfe für mürbe Knochen

08.04.2008  17:22 Uhr

Osteoporose

Gezielte Hilfe für mürbe Knochen

Von Gudrun Heyn

 

Seit Jahren steigt die Zahl der verordneten Arzneimittel zur Behandlung der Osteoporose. Doch der Verbrauch reicht bei Weitem nicht aus, um den Bedarf der 7,8 Millionen Betroffenen zu decken. Dabei müssen Osteoporose-bedingte Knochenbrüche kein unabwendbares Schicksal sein.

 

Osteoporose ist eine Skeletterkrankung, die mit einer niedrigen Knochenmasse und einer Störung der Mikroarchitektur der Knochen einhergeht. Häufig ist die Stabilität des verbliebenen Gerüstwerks feiner Knochenbälkchen im Inneren der Knochen so vermindert, dass ein leichter Sturz, aber auch schon Niesen, Drehen oder Husten ausreichen, um eine Fraktur zu verursachen. Ist bereits ein Knochenbruch aufgetreten, spricht man von einer manifesten Osteoporose. Rund 390.000 Patienten waren 2006 davon betroffen (1).

 

Besonders gefürchtet sind Brüche des proximalen Femurs (Oberschenkelhals und Hüfte). Sie müssen mit Schrauben, Platten oder Prothesen chirurgisch versorgt werden. Rund 17 Prozent der circa 150.000 Betroffenen sterben innerhalb eines Jahres. Knapp ein Viertel der Patienten ist auch weiterhin auf fremde Hilfe angewiesen. Bei Frakturen der Wirbelsäule treten zudem häufig akute oder chronische Rückenschmerzen auf, begleitet von Funktionseinschränkungen und deutlich verminderter Lebensqualität.

 

Druckfest und elastisch

 

Knochen sind das Gerüst des Körpers. Sie bieten Stabilität, dienen als Hebel für den Muskelansatz und schützen Organe wie Gehirn und Herz. Im Alltag müssen sie enormen Druckkräften standhalten und Zug- und Drehkräften widerstehen.

 

Um diesen sehr unterschiedlichen Anforderungen zu genügen, besteht die Knochensubstanz aus einem besonderen Material-Mix. Nur etwa ein Viertel davon sind organische Bestandteile. Hierzu zählen die Knochenzellen, die von ihnen gebildete Grundsubstanz und vor allem die kollagenen Fasern. Wie beim Stahlbeton die Stahlgitter sind die zugfesten Kollagenfasern strebenartig in die Grundsubstanz eingelassen. Ebenfalls in der Grundsubstanz befinden sich Salze wie Calciumphosphat (Hydroxylapatit) und Calciumcarbonat. Dieses anorganische Material macht mehr als die Hälfte der Knochensubstanz aus und sorgt für deren Härte.

 

Tragfähig und elastisch zugleich sind die Knochen durch ihr spezielles Konstruktionsprinzip. Bereits die verstrebten Kollagenfasern geben ihnen Elastizität. Von besonderer Bedeutung ist jedoch das schwammartig verästelte Gerüstwerk feiner Knochenbälkchen (Trabekel) im Inneren der Knochen. Die sogenannte Substantia spongiosa ist tragendes Element der kurzen flachen Knochen, etwa der Wirbelkörper und des Beckens. Bei den langen Knochen ist sie im Bereich der Gelenke zu finden. Von dort aus leitet die Spongiosa die auftretenden Kräfte in Richtung Knochenmitte, die aus einem röhrenförmigen Schaft kompakten Knochenmaterials besteht. Durch ihn sind die Röhrenknochen wesentlich biegsamer als andere Skelettbestandteile.

 

Rindenartig umgibt feste Knochensubstanz Spongiosa und Schaft. Mit Ausnahme der Gelenkknorpel und der Ansatzstellen der Sehnen wird diese äußere Knochenschicht von der stark durchbluteten Knochenhaut überzogen. Fehlt die Knochenhaut, zum Beispiel aufgrund einer Verletzung, verliert der Knochen seine Blutzufuhr und stirbt ab.

 

Angepasst an die Muskelarbeit wird das Knochengewebe ständig auf-, ab- und umgebaut. Für den Abbau sind die Osteoklasten verantwortlich. Mithilfe von Osteoblasten wird die Knochensubstanz wieder aufgebaut. Dabei weisen besonders die Trabekel der Substantia spongiosa eine hohe Metabolisierungsrate auf. So wird die Spongiosa im Durchschnitt zehn Jahre früher als die stabile äußere Knochensubstanz abgebaut.

 

Knochenabbau im Alter

 

Gesteuert von Wachstumsfaktoren, Sexualhormonen und Zytokinen überwiegt in Kindheit und Jugend die Osteoblastenaktivität. Gegen Ende des zweiten Lebensjahrzehnts erreichen die Knochen ihre maximale Masse. Nach einer Plateauphase von 10 bis 20 Jahren nimmt die Knochenmasse dann langsam ab.

 

Die senile Osteoporose betrifft Männer und Frauen gleichermaßen. Sie beruht primär auf einem Calcium- und Vitamin-D3-Mangel. So lässt im Alter die Syntheseleistung der Haut für Vitamin D nach. In der Folge wird im Darm zunehmend weniger Calcium aus der Nahrung aufgenommen, da dazu die Vermittlung des Vitamins nötig ist. Erschwerend kommt hinzu, dass ältere Menschen oft kleinere Mahlzeiten und damit per se weniger Mineralstoffe zu sich nehmen. Für den Einbau in die Knochen steht immer weniger Calcium zur Verfügung. Doch auch der Mineraleinbau selbst ist beeinträchtigt, denn daran ist Vitamin D3 ebenfalls beteiligt.

 

Neben der abnehmenden Syntheseleistung der Haut trägt im Alter oft auch eine verminderte Sonnenexposition zu einer D-Hypovitaminose bei. In der Folge kommt es zur Überfunktion der Nebenschilddrüsen mit vermehrter Bildung von Parathormon und damit zu einem beschleunigten Knochenumbau (3). Dabei kann das Parathormon Osteoklasten so stimulieren, dass Knochenmasse verstärkt resorbiert und Calcium freigesetzt wird. Alle zehn Jahre verdoppelt sich so das Frakturrisiko im Alter.

 

Jede dritte Frau ab den Wechseljahren leidet zudem unter einer postmenopausalen Osteoporose (Typ I). So wird mit abnehmender Estrogenproduktion die Synthese osteolytisch aktiver Zytokine immer mehr heraufreguliert. Etwa zehn Jahre dauert der dadurch bedingte beschleunigte Knochenabbau. So kommt es, dass Frauen ein wesentlich höheres Osteoporose-Risiko haben als Männer und bis zu 80 Prozent aller Osteoporose-Patienten ausmachen.

 

Risikofaktoren erkennen

 

Weitgehend unbestritten ist, dass genetische Faktoren am Knochenschwund beteiligt sind. Beispielsweise können osteoporotische Frakturen recht verlässlich vorhergesagt werden, wenn bereits Vater oder Mutter einen Bruch des Oberschenkelhalses erlitten haben. Zu den Genen, die mit einem höheren Osteoporoserisiko assoziiert sind, gehören das Vitamin-D-Rezeptor- und das Estrogenrezeptor-α-Gen.

 

Ein erhöhtes Risiko haben außerdem Patienten, die länger als sechs Monate lang Glucocorticoide oder mehr als 7,5 mg Prednisolon am Tag einnehmen. Steroide beschleunigen den Knochenstoffwechsel, auch unter inhalativer Therapie (3). Insbesondere hemmen sie die Osteoblastenfunktion und fördern so den Knochenabbau. Zu den Substanzen, die den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen können, gehören außerdem Zytostatika, Schilddrüsenhormone zur TSH-suppressiven Therapie nach der Menopause, Antiepileptika und selten Heparin. Aber auch Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder eine rheumatoide Arthritis können den Knochenschwund beschleunigen.

 

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die eng mit dem persönlichen Lebensstil verknüpft sind, zum Beispiel niedriges Körpergewicht (BMI unter 20) und eine gemessene niedrige Knochendichte. Außerdem tragen Bewegungsmangel und falsche Ernährung zur Osteoporoseentstehung bei. Im Gegensatz dazu soll starker Nikotinkonsum nur einen mäßigen negativen Einfluss haben.

 

Keine Frühsymptome

 

Hochrechnungen gehen davon aus, dass in Deutschland bis zu 7,8 Millionen Menschen unter einer Osteoporose leiden (4). In der Altersklasse der 50- bis 79-Jährigen sind jährlich etwa 1,3 Prozent der Männer und 2,9 Prozent der Frauen von einer Fraktur betroffen. Oft gibt erst ein solcher Knochenbruch den entscheidenden Hinweis auf die Erkrankung.

 

Auch ohne Beschwerden sollte man einen Arzt aufsuchen, wenn sich die Körpergröße (durch Zusammensintern von Wirbelkörpern) um mehr als vier Zentimeter verringert hat. Typisch ist zudem das Tannenbaumphänomen der Rückenhaut. Dabei kommt es durch den Größenverlust zu Hautfalten, die vom mittleren Bereich des Rückens ausgehend schräg abwärts verlaufen. Auch schmerzende Knochen können auf eine Osteoporose hinweisen. Ist der Abbau der Wirbelsäule in Form eines krummen Rückens (Witwenbuckel) bereits sichtbar, ist der Knochenschwund schon weit fortgeschritten.

 

Ein deutliches Frakturrisiko besteht, wenn die Knochendichte mehr als 2,5 Standardabweichungen unter dem Mittelwert 30-jähriger Erwachsener liegt. Dabei wird die in Standardabweichung angegebene Abweichung vom Mittelwert auch als T-Wert bezeichnet. Handelt es sich bei dem Vergleichskollektiv nicht um 30-jährige Personen, sondern um Personen gleichen Alters und Geschlechts, wird die Abweichung vom Mittelwert als Z-Wert bezeichnet. Aufgrund der größeren Häufigkeit von Osteoporoseerkrankungen im Alter ist der Z-Wert kein geeignetes Maß für die Diagnose.

 

Entgegen dem Rat der Fachgesellschaften übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen jedoch nicht die Kosten für die übliche Knochendichtemessung mit dem DXA-(Röntgen)Verfahren, solange kein Knochenbruch vorliegt. Sein persönliches Risiko kann jeder mithilfe des Fragenkatalogs des Kuratoriums Konchengesundheit ermitteln.

 

Gravierende Unterversorgung

 

In den letzten Jahren ist die Verordnung von Arzneimitteln für die Indikation Osteoporose steil angestiegen. Waren es 1996 noch 1,5 Millionen Tagesdosen, so wurden 2005 bereits 155 Millionen verbraucht. Dennoch besteht immer noch eine erhebliche Unterversorgung.

 

Weniger als ein Fünftel der Osteoporose-Erkrankten erhält eine Basistherapie mit Calcium und Vitamin D und nur jeder zehnte Patient wird leitliniengerecht therapiert (1). So ergab eine Schätzung, dass der Verbrauch von Mitteln der ersten Wahl 2005 gerade ausreichte, um 420.000 Patienten zu behandeln (2). Dagegen werden mehr als 90 Prozent der rund 7,8 Millionen Betroffenen mit Analgetika versorgt.

 

Während bei einer Osteoporose mit pathologischer Fraktur in jedem Fall eine Behandlung indiziert ist, hängt der Bedarf bei Patienten ohne Knochenbruch von individuellen Risikofaktoren ab. So geht man bei einer 60- bis 70-jährigen Frau mit einer Knochendichte von -3,5 (T-Wert) davon aus, dass das Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Knochenbruch zu erleiden, mehr als 30 Prozent beträgt; sie sollte daher medikamentös behandelt werden. Kommen weitere Risikofaktoren hinzu, etwa multiple Stürze oder fortgesetzter Nikotinkonsum, reicht bereits ein T-Wert zwischen -3,0 und -2,0 für eine Therapieempfehlung aus. Grundsätzlich indiziert ist eine Therapie bei Osteoporose-Patientinnen über 75 Jahre (5).

 

Konsequent behandeln

 

Eine bestehende Osteoporose kann nicht geheilt werden. Dennoch gibt es großen Handlungsbedarf. Es gilt, den Knochenabbau zu stoppen und möglichst den Knochenaufbau zu stimulieren, denn jeder fünfte Osteoporose-Patient erleidet innerhalb von zwölf Monaten nach dem ersten Bruch eine Folgefraktur.

 

Die Therapie soll (weitere) Frakturen verhindern und die klinischen Resultate nach Knochenbrüchen verbessern. Auch den Chirurgen erleichtert es die Arbeit, wenn ein künstliches Hüftgelenk noch sicher verankert werden kann. Außerdem zielt die medikamentöse Behandlung darauf ab, die Funktionsfähigkeit des Skeletts und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten (6).

 

Da Osteoporose eine chronische Erkrankung ist, muss die Behandlung lebenslang eingehalten werden (1). Große Probleme bereitet die Compliance. Während in klinischen Studien eine Therapietreue von bis zu 90 Prozent erreicht wird, zeigen Untersuchungen aus der Praxis, dass besonders bei einer oralen Bisphosphonat-Therapie nach einem Jahr nur noch 20 bis 45 Prozent der Patienten ihre Medikamente regelmäßig einnehmen (1, 7, 9). Gerade wenn kein Leidensdruck besteht, sollten Apotheker ihre Patienten daher regelmäßig an den Sinn der Arzneimittel erinnern. Ziel muss es sein, das Frakturrisiko unter Alltagsbedingungen gleichermaßen zu reduzieren wie in den Studien.

 

Zur Prophylaxe und begleitend zur kausalen Therapie ist eine ausreichende Versorgung mit Calcium unerlässlich. Mit der Nahrung sollten täglich 1200 bis 1500 mg aufgenommen werden. Ist dies nicht möglich, raten osteologische Fachgesellschaften zur Supplementierung (1, 6). Dies gilt auch für die Zufuhr von Vitamin D. Wenn das tägliche Sonnenbad von Gesicht und Armen über mindestens eine halbe Stunde nicht gewährleistet ist, sollten 400 bis 1200 IE Vitamin D3 gegeben werden. Darüber hinaus ist eine effiziente Schmerzbehandlung wichtig. Außerdem gilt es, die Patienten zu mobilisieren und besonders ältere Menschen zu beraten, wie sie Stürze im Alltag möglichst vermeiden können.

 

Spezifische Therapeutika

 

Zur Therapie der Osteoporose stehen mehrere Substanzen zur Verfügung, die als Mittel der ersten Wahl gelten. Sie senken das Risiko von Wirbelkörperfrakturen und beugen peripheren Brüchen effektiv vor. Da zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung keine evidenzbasierten vergleichenden Studien vorlagen, gibt es kein Ranking unter den Besten.

 

Mittel der ersten Wahl sind die Bisphosphonate Alendronat, Ibandronat und Risedronat, das Strontiumranelat, das Parathormon-Fragment Teriparatid sowie der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator Raloxifen (1, 6). Sie unterscheiden sich in der Wirkweise und der Form der Anwendung.

 

Marktführer Bisphosphonate

 

In der ambulanten Versorgung haben Bisphosphonate den größten Marktanteil. Der lag 2005 für die Indikation Osteoporose bei rund 98 Prozent (2). Zur Behandlung von Frauen nach der Menopause stehen Alendron-, Etidron-, Ibandron-, Risedron- und Zoledronsäure zur Verfügung (siehe Tabelle). Für den Mann sind in Deutschland derzeit nur Alendronat und Risedronat zugelassen. Doch auch für die meisten anderen Bisphosphonate konnte in Pilotstudien ein positiver Effekt bei Männern nachgewiesen werden (8).

Tabelle: Anwendungsmodalitäten bei Bisphosphonaten

Bisphosphonat Applikation
Alendronat 10 mg/Tag oder 70 mg/Woche peroral
Ibandronat 150 mg/Monat peroral oder 3 mg alle 3 Monate intravenös
Risedronat 5 mg/Tag oder 35 mg/Woche peroral
Zoledronat 5 mg/Jahr intravenös

Etidronat ist die älteste Substanz in dieser Arzneistoffgruppe, gilt aber nicht als Mittel der ersten Wahl, da die fraktursenkende Wirkung in Studien weniger konsistent belegt ist (6).

 

Infusionen mit Zoledronsäure sind erst seit Oktober 2007 zur Behandlung der Osteoporose postmenopausaler Frauen zugelassen (vorher nur bei Morbus Paget und tumorinduzierter Hypercalcämie); das Bisphosphonat wurde daher bei der Erstellung der Leitlinie 2006 nicht berücksichtigt. Mit einer 70-prozentigen Reduktion von Wirbelkörperfrakturen ist es oralen Bisphosphonaten (40- bis- 50-prozentige Reduktion) bei dreijähriger Anwendung sogar überlegen (9).

 

Bisphosphonate sind potente Antiresorptiva. Sie reichern sich in der Knochensubstanz an und können dort jahrelang verbleiben. Beginnt nun ein Osteoklast mit dem Knochenabbau, sondert er neben osteolytischen Enzymen auch Salzsäure ab. So lösen sich organische und anorganische Substanz. Dabei werden auch die Bisphosphonate vermehrt freigesetzt. Mit der Salzsäure reagieren sie zu einem Salz, das im Osteoklasten mehrere wichtige Stoffwechselenzyme hemmen kann. So kommt es zur Apoptose. In der Folge verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Knochenab- und -aufbau zugunsten der Osteoblasten. Die Knochenmasse nimmt zu und das Risiko für Oberschenkelhalssowie Wirbelkörperbrüche sinkt (10).

 

Bei oraler Applikation sind einige Regeln zu beachten. So sollten Bisphosphonate aufgrund ihrer schlechten Resorption morgens mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück auf nüchternen Magen eingenommen werden (11). Da zudem die Gefahr von Ösophagusulzerationen besteht, muss man mindestens 200 ml mineralstoffarmes Wasser, zum Beispiel Leitungswasser, nachtrinken. Außerdem dürfen sich die Patienten bis zu einer Stunde nach der Einnahme nicht wieder hinlegen.

 

Besonders für Ältere ist dies oft eine echte Herausforderung. Eine gute Therapieoption sind daher Wochen- oder Monatstabletten sowie die intravenöse Applikation (siehe Tabelle). Zoledronat muss nur einmal im Jahr gegeben werden. Die Applikation erfolgt intravenös bei einer konstanten Infusionsgeschwindigkeit über 15 Minuten. Kurz danach empfiehlt sich die Gabe von antipyretisch wirksamen Analgetika wie Paracetamol oder Ibuprofen, um Symptome zu reduzieren, die meist in den ersten drei Tagen auftreten. Ohne Analgetika klagen besonders nach der ersten Infusion mehr als 40 Prozent der Therapierten über Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen, grippeähnliche Symptome oder Kopfschmerzen.

 

Da Bisphosphonate hypocalcämisch wirken, ist in der Regel eine begleitende Basistherapie mit Calcium und Vitamin D erforderlich (3). Wird jedoch Calcium zeitnah zum Bisphosphonat eingenommen, kommt es zur Komplexbildung und das Bisphosphonat wird praktisch unwirksam. Solche Einnahmefehler lassen sich mit Kombipackungen vermeiden. Verfügbar ist beispielsweise ein Präparat mit einer Risedronat-Tablette für den ersten Wochentag und nummerierten Sachets mit Ca/D-Pulver zum Auflösen für die weiteren sechs Wochentage. Außerdem gibt es Kombipräparate, die Bisphosphonat und Vitamin D enthalten. Dabei ist die Wochendosis von Alendronat seit November 2007 auch mit höher dosiertem Vitamin D3 (5600 I.E. Colecalciferol) erhältlich.

 

Bisphosphonate gelten als nebenwirkungsarm, wenn die Einnahmevorschriften eingehalten werden. Zu den leichten bis mittelschweren Symptomen, die unter der Therapie auftreten können, gehören Bauchschmerzen, Dyspepsie, Übelkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen. In einer Studie mit dem neuen Zoledronsäure-Präparat erkrankte jedoch eine ungewöhnlich hohe Zahl von Patienten an schwerem Vorhofflimmern. Ob dies Zufall war oder gar ein Klasseneffekt vorliegt, überprüft derzeit die US-Arzneimittelbehörde FDA.

 

In letzter Zeit wird besonders in Zahnarztkreisen immer wieder über Kiefer-Osteonekrosen unter Bisphosphonat-Therapie diskutiert. So soll es bereits Zahnärzte geben, die Osteoporose-Patienten deshalb nicht behandeln. Doch die unerwünschte Wirkung ist sehr selten. »Daher gibt es in der Regel keinen vernünftigen Grund, die Behandlung zu verweigern«, sagte Professor Dr. Dieter Felsenberg von der Charité in Berlin (1). Nekrosegefahr bestehe jedoch bei krebskranken Patienten, die chemotherapeutisch oder mit Corticosteroiden behandelt werden und eine schlechte Mundhygiene aufweisen. Kontraindiziert sind Bisphosphonate je nach Präparat etwa bei Ösophaguserkrankungen, Nierenfunktionsstörungen oder Hypocalcämie.

 

Strontiumranelat

 

Strontiumranelat wurde bereits in den 1950er-Jahren bei Knochenschwund eingesetzt. Seit 2004 ist es zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. Inzwischen wurde in Studien auch bei männlichen Ratten eine deutliche Zunahme der Trabekeldicke und des Knochenvolumens nachgewiesen.

 

Strontiumranelat besteht aus zwei Atomen stabilen Strontiums und einem organischen Rest. Chemisch und physikalisch hat Strontium ähnliche Eigenschaften wie Calcium. An der Kristalloberfläche des Hydroxylapatits kann es maximal eines von zehn Calcium-Ionen ersetzen. Strontiumranelat bremst nicht nur den Knochenabbau, indem es auf der katabolen Seite die Osteoklasten-Differenzierung und -Aktivität vermindert. Im Gegensatz zu den Antiresorptiva verstärkt es auf der anabolen Seite auch die Replikation der Präosteoblasten und die Synthese des Kollagens und fördert so aktiv den Knochenaufbau.

 

Die empfohlene orale Dosis liegt bei 2 g Strontiumranelat täglich. Da die Resorption durch Nahrung, Milch und Milchsäure abnimmt, sollte das in Wasser suspendierte Granulat zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden. Optimaler Zeitpunkt: abends zwei Stunden nach der letzten Mahlzeit.

 

Wechselwirkungen gibt es zudem mit zwei- und dreiwertigen Kationen. Calcium-Präparate können die Bioverfügbarkeit reduzieren und sollten nur in einem Abstand von mindestens zwei Stunden gegeben werden. Aluminium- und Magnesiumhydroxid bremsen die Resorption, wenn sie vor oder mit dem Osteoporosemittel gegeben werden. Daher sollte der Patient das Antacidum immer zwei Stunden nach dem Strontiumranelat nehmen.

 

Auch bei bestimmten Antibiotika bestehen Einschränkungen. So kann Strontium gastrointestinal einen Komplex mit oralen Tetracyclinen und Chinolonen bilden. Während einer Antibiotika-Therapie sollte die Osteoporose-Behandlung daher ausgesetzt werden.

 

Strontiumranelat ist gut verträglich. In Studien unterschieden sich die Raten der unerwünschten Ereignisse nicht von Placebo. Übelkeit und Diarrhö wurden am häufigsten beobachtet. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien.

 

Parathormon und Teriparatid

 

Das Parathormon-Fragment Teriparatid ist seit 2003 zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und seit Juni 2007 zur Behandlung von Männern mit hohem Frakturrisiko zugelassen. Während das natürliche, in der Nebenschilddrüse gebildete Parathormon 84 Aminosäuren lang ist, reicht für die pharmakologische Wirksamkeit eine Sequenz von 34 Aminosäuren im Teriparatid aus.

 

Ebenfalls für Patientinnen mit hohem Frakturrisiko ist seit April 2006 ein rekombinantes naturidentisches Parathyroidhormon (Parathormon, PTH 1-84) zugelassen. Während Teriparatid zu den Mitteln der ersten Wahl gehört, steht bei diesem Wirkstoff eine Bewertung durch die Fachgesellschaften noch aus.

 

Parathormon und sein Fragment Teriparatid haben sowohl eine osteokatabole als auch eine osteoanabole Wirkung am Skelett. Beide Effekte werden durch osteoblastäre Zellen vermittelt. So stimuliert Parathormon die Osteoblasten zur Bildung von Interleukin-6 und des Botenstoffs RANK-Ligand (receptor activator of NF-kB), wodurch es zur Aktivierung und Vermehrung der Osteoklasten kommt. Bei dauerhaft erhöhten Parathormonspiegeln kommt es sogar zu einer übermäßigen Steigerung der Knochenresorption, denn dabei können Osteoklasten den Parathormon-Rezeptor ausbilden. Auf der anderen Seite stimuliert Parathormon die Proliferation und Differenzierung knochenaufbauender Osteoblasten und die Sekretion von osteoanabolen Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktoren (insbesondere IGF-I). So stehen unter normalen physiologischen Bedingungen Knochenabbau und -aufbau im Gleichgewicht.

 

Die gewünschte anabole Wirkung wird über eine intermittierende Applikation geringer Dosen erreicht. Die empfohlene Dosis von 20 µg Teriparatid pro Tag wird einmal täglich mit einem Fertigpen subkutan in Oberschenkel oder Unterleib injiziert. Für die praktische Anwendung sollten Osteoporose-Patienten wissen, dass der Wirkstoff bei 2 bis 8 Grad Celsius aufbewahrt werden muss. Beim Parathyroidhormon muss die Patientin die Injektionslösung aus Pulver und Lösungsmittel selbst herstellen; die Dosis beträgt 100 mg pro Tag. Die gebrauchsfertige Lösung ist kühl zu lagern, kann aber bis zu sieben Tage in dem 28-tägigen Intervall außerhalb des Kühlschranks aufbewahrt werden.

 

Die Nebenwirkungen von Teriparatid sind gering. Vor allem Wadenkrämpfe, Übelkeit oder Schwindel traten vereinzelt auf. Dagegen zeigte sich in den Studien zum Parathyroidhormon sehr häufig eine Hypercalcurie (39 Prozent) und Hypercalcämie (25 Prozent), zusätzlich zu Übelkeit, Kopfschmerz und Schwindel. In Langzeitstudien an Ratten wurde bei beiden Substanzen eine dosisabhängig erhöhte Inzidenz von malignen Knochentumoren beobachtet (12, 14). Daher ist die maximale Therapiedauer bei Teriparatid auf 18 Monate, bei Parathyroidhormon auf 24 Monate beschränkt.

 

Bei Patienten, die Digitalis einnehmen, ist Vorsicht geboten, da beide Präparate den Serum-Calciumspiegel erhöhen können. Kontraindiziert sind sie unter anderem bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz oder mit bestehender Hypercalcämie.

 

SERM für den Knochen

 

Für Frauen steht zudem der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen zur Verfügung. Die Substanz ist in Deutschland zur Prophylaxe und Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassen, in den USA seit Juli 2007 zusätzlich auch zur Prävention von Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen.

 

Der Arzneistoff bindet an den Estrogenrezeptor und hat vor allem in den Knochen eine estrogenähnliche Wirkung. In anderen Geweben, etwa der Gebärmutterschleimhaut und an der Brustdrüse, werden die typischen Estrogenwirkungen dagegen blockiert. Raloxifen hemmt den Knochenabbau, indem es die Osteoblasten zur TGF-β3-Synthese anregt und so die Osteoklasten-Aktivität vermindert. Außerdem exprimieren die Osteoblasten vermehrt Osteoprotegerin, wodurch die RANK-Ligand-induzierte Knochenresorption gebremst wird. Zudem hemmt Raloxifen die Interleukin-6-Expression, was vor allem die Differenzierung der knochenabbauenden Zellen verzögert.

 

Die empfohlene Dosis beträgt 60 mg einmal täglich. Die Frau kann die Tablette zu jeder Tageszeit unabhängig von den Mahlzeiten einnehmen. Besonders in den ersten Behandlungsmonaten treten häufiger Hitzewallungen auf. Andere unerwünschte Wirkungen sind Wadenkrämpfe und grippeähnliche Symptome.

 

In Studien erhöhte Raloxifen das Risiko von Thromboembolien und tödlichen Schlaganfällen. Daher ist der SERM bei Patientinnen mit venösen Thromboembolien in der Vorgeschichte kontraindiziert. Dagegen reduzierte Raloxifen in der vierjährigen Osteoporose-Studie das Risiko für Mammakarzinome um 62 Prozent (14).

 

Umstrittener Nutzen

 

Obwohl viele Studien gezeigt haben, dass Estrogene bei postmenopausalen Frauen das Frakturrisiko vermindern können, ist die langjährige Hormonersatztherapie zur primären Osteoporoseprophylaxe und -therapie in Deutschland nicht mehr zugelassen. So ergab die Woman`s Health Study, dass die Therapie in der Menopause mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Mammakarzinome einhergeht.

 

Eine eingeschränkte Therapieempfehlung gibt es derzeit für Testosteron (6). Obwohl das Hormon die Knochenmasse von Männern positiv beeinflusst, wird es nur für Patienten mit symptomatischem Hypogonadismus und Testosteronwerten unter 200 ng/dl empfohlen. Dies gilt, solange ungewiss ist, welche Bedeutung der altersbedingte Testosteronabfall auf die Entstehung der Osteoporose hat, keine Studien zur fraktursenkenden Wirkung vorliegen und Langzeitdaten zu möglichen Risiken fehlen.

 

Außerdem sind mehrere Osteoporose-Therapeutika zugelassen, deren Effekt auf die Frakturrate mit einem niedrigeren Evidenzgrad belegt ist. Diese sollten daher praktisch keine Bedeutung mehr haben (1). Hierzu gehören beispielsweise Alfacalcidol, Calcitonin, Etidronat und Fluoride.

 

In Deutschland könnte das Frakturrisiko um die Hälfte gesenkt werden, wenn alle Patienten eine leitliniengerechte Behandlung mit einem spezifischen Osteoporosemittel und bei Bedarf Calcium und Vitamin D erhalten würden (1). Zur Verfügung stehen Substanzen, die rein antiresorptiv (Bisphosphonate, SERM) oder anabol wirken (Teriparatid, Parathyroidhormon) und die beide Effekte zugleich bieten (Strontiumranelat).

 

Ebenso wichtig ist es zu prüfen, ob der Patient Sturz- und Osteoporose-fördernde Medikamente einnimmt und ob er diese wirklich benötigt. Zur Abklärung muss der Apotheker gegebenenfalls den behandelnden Arzt kontaktieren. Einen wichtigen Beitrag kann er zudem besonders bei der Vermeidung von Einnahmefehlern und der Complianceförderung leisten.

Literatur und Vorträge

<typolist type="1">

Vorträge auf dem deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie, 24. bis 27. Okt. 2007 in Berlin.

Häussler, B., et al., Arzneimittel-Atlas 2006. Urban & Vogel München 2007.

AKDÄ (Hrsg.), Osteoporose. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. AVP (2003) 34 S.

Häussler, B., et al., Versorgung von Osteoporose-Patienten in Deutschland. Dt. Ärztebl. Nr. 39 (2006) A2542-A2548.

Dachverband der Deutschsprachigen Osteologischen Fachgesellschaften (Hrsg.), Kitteltaschenfassung 2006 der Leitlinie des DVO zur Osteoporose. www.lutherhaus.de/dvo-Leitlinien.

DVO Dachverband Osteologie e. V. (Hrsg.), Osteoporose-Leitlinie. Schattauer-Verlag, Stuttgart 2006.

Ziller, V., et al., Steigerung der Compliance in der Osteoporosetherapie: Einfluss einer Patientenerinnerung auf die Compliance in der Therapie der postmenopausalen Osteoporose. Osteologie Bd. 15, Suppl. 1 (2006) 64-65.

Gräfe, K., Osteoporose bei Männern: Außen hart, innen weich. Pharm. Ztg. 152, Nr. 12 (2007) 1018-1020.

Black, D., et al., Once-Yearly Zoledronic Acid for Treatment of Postmenopausal Osteoporosis. N. Engl. J. Med. Vol. 356, Nr. 18 (2007) 1809-1822.

Van Gessel, A., et al., Bisphosphonate noch zu wenig eingesetzt. Pharm. Ztg. 148, Nr. 28 (2003) 2561.

Högger, P., Strehl, E. (Hrsg.), Repetitorium Klinische Pharmazie. Govi-Verlag 2007, S. 427-433.

Ringe, J., Nickelsen, T., Rekonstruktion osteoporotischen Knochengewebes mit Teriparatid. Arzneimitteltherapie Nr. 7 (2003) 194-199.

Preotact. Fachinformation 2006.

Cauley, J., et al., Continued breast cancer risk reduction in postmenopausal women treated with raloxifene: 4-year results from the MORE trial. Breast Canc. Res. Treat. Nr. 65 (2001) 125-134.

 

Die Autorin

Gudrun Heyn arbeitete nach der Promotion in verschiedenen Forschungseinrichtungen, darunter am Kernforschungszentrum Karlsruhe und beim Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung. Sie erfüllte Lehraufträge an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Freien Universität Berlin. In Fachpublikationen veröffentlichte sie Ergebnisse eigener Forschungen. Seit ihrer Ausbildung als Journalistin ist Heyn als freie Wissenschaftsjournalistin in Berlin tätig und behandelt vor allem Themen aus Medizin und Pharmazie.

 

 

Dr. Gudrun Heyn

Ferbitzer Weg 33 B

13591 Berlin

gheyn(at)gmx.de

Links zum Titelbeitrag

 

Mehr von Avoxa