Offene Fragen |
12.02.2007 12:14 Uhr |
Die Landesverbände der Ortskrankenkasssen haben gemeinsam einen Rabattvertrag mit elf Generikaunternehmen geschlossen. Exakt 43 Wirkstoffe sollen danach ab April für die AOK-Versicherten preiswerter werden. Das klingt wie eine gute Nachricht, ist es aber nicht (siehe hier).
Der Vertrag zwischen der großen Krankenkasse und elf weitgehend unbekannten Generikaherstellern lässt viele Fragen unbeantwortet. Schon jetzt ist absehbar, dass Unternehmen wie Biomo, Corax oder Dr. Friedrich Ebert Arzneimittel nicht in der Lage sein werden, die rund 25 Millionen AOK-Versicherten mit Arzneimitteln zu versorgen. Die Generikafirmen aus der AOK-Elf hatten im Vorjahr zusammen einen Marktanteil von 1,2 Prozent. Jetzt sollen sie rund ein Drittel der GKV-Versicherten mitversorgen. Das muss schief gehen.
Schon jetzt ist auch absehbar, dass die Apotheken zum 1. April gar nicht in der Lage sein werden, ihre gesetzlichen Pflichten zur Umsetzung der Rabattverträge einzuhalten. Eine Vereinbarung in diesem Umfang lässt sich nur über die Apotheken-EDV abwickeln. Bis zum 1. April können ABDATA und vor allem die kleineren Softwarehäuser diese Datenmenge aber nicht in die Software integrieren. Eine Verschiebung des Starttermins ist zwangsläufig.
Völlig unklar ist zudem, welches Präparat ein Apotheker abgeben soll, wenn die elf Hersteller Lieferschwierigkeiten haben. Das ist im GKV-WSG nicht exakt geregelt. Aut idem ist nicht vorgesehen. Der Deutsche Apothekerverband will diese und alle anderen Fragen mit der AOK und dem Gesundheitsministerium klären.
Die Apotheker haben sich in den vergangenen Jahren stets für Rabattverträge zwischen Pharmaunternehmen und Krankenkassen stark gemacht. Preisverhandlungen sollen dort stattfinden, wo Preise gemacht werden. Das bedeutete natürlich nicht, dass Preisverhandlungen ausreichen. Weitere Vereinbarungen mit dem Großhandel, den Apothekern und den Ärzten sind selbstverständlich notwendig, um einen Rabattvertrag mit Leben zu erfüllen.
Die AOK hat dies versäumt. Womöglich, weil sie sich sicher war, dass ihre Marktmacht ausreicht, alle anderen Mitspieler unter Druck zu setzen oder an die Wand zu drücken. Sie hat dabei aber außer Acht gelassen, dass sich selbst bei bestem Willen von Großhandel, Apotheker und Ärzten nicht alle Probleme in Luft auflösen, nur weil es sich die größte Krankenkasse der Republik so wünscht.
Dem Optimisten bleibt jetzt immerhin die Hoffnung, dass die unmittelbar Beteiligten und auch die anderen Marktpartner aus den zahlreichen ungelösten Problemen des Vertrages viel lernen können. Viel gewonnen wäre, wenn die Krankenkassen zur Kenntnis nehmen würden, dass solche Vereinbarungen eine bilaterale Angelegenheit sind und »Vertrag« kein Synonym für »Erpressung« ist.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur