Gut untersucht |
07.02.2018 10:17 Uhr |
Von Gudrun Heyn, Berlin / Viele Frauen in den Wechseljahren verzichten auf eine Therapie zur Linderung ihrer Beschwerden. Seit der WHI-Studie zur Hormonersatztherapie fürchten sie sich vor einem erhöhten Krebsrisiko und Frauen mit gynäkologischen Tumoren vor einem Rezidiv. Eine gute Datenlage bei OTC-Präparaten kann mit dazu beitragen, diese Ängste zu überwinden.
Zur Selbstmedikation bei Wechseljahresbeschwerden hält die Apotheke zahlreiche Produkte bereit. Darunter sind Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel mit Extrakten aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa). Präparate mit dem isopropanolischen Extrakt iCR (Remifemin®, Remifemin® mono und Remifemin® plus) sind besonders gut untersucht.
Viele Frauen in den Wechseljahren scheuen sich, Hormone einzunehmen, selbst wenn sie stark unter den Beschwerden leiden.
Foto: iStock/ Juanmonino
Laut Professor Dr. Jens-Uwe Blohmer von der Berliner Charité ermöglichen sie eine evidenzbasierte Phytotherapie als Alternative zu Hormonpräparaten. »Bei uns nehmen daher auch Brustkrebs-Patientinnen mit Wechseljahresbeschwerden diese Medikamente ein«, sagte der Direktor der Klinik für Gynäkologie der Charité auf einer Veranstaltung von Schaper & Brümmer in Berlin.
Etwa 70 Prozent aller Frauen in den Wechseljahren leiden unter Beschwerden. Leitsymptom sind Hitzewallungen. Sie werden begleitet von Schweißausbrüchen, schnellem Herzschlag und Schlaflosigkeit in der Nacht. Hinzu kommen oft psychische Symptome wie Reizbarkeit und depressive Verstimmungen. Hauptursache sind sinkende Estrogenspiegel. Der Mangel führt zu einem Anstieg der Hypophysenhormone FSH und LH und zu veränderten Spiegeln von zentralnervösen Botenstoffen wie Serotonin, endogenen Opioiden und Dopamin. Folgen sind eine verringerte Anpassungsfähigkeit auf Temperaturschwankungen und eine gestörte Regulation der Stimmungslage.
Wirkung auf die Stimmung
»Inhaltsstoffe des iCR-Extrakts können die Blut-Hirn-Schranke überwinden«, sagte Blohmer. Zu den inzwischen bekannten zentralnervösen Effekten gehören beispielsweise eine Bindung an Serotonin-, Dopamin- und GABA-Rezeptoren, eine erhöhte neuronale Proteinexpression und Veränderungen an µ-Opioidrezeptoren. Estrogenartige Effekte an hormonsensitiven Geweben der Brust und der Gebärmutter, wie die Induktion von Tumorwachstum, zeigten sich in Studien nicht.
Phytoestrogene zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden, wie sie etwa in Soja, Rotklee oder Rhapontikrhabarber enthalten sind, wirken dagegen hauptsächlich über Estrogenrezeptoren. Extrakte aus Rhapontikrhabarberwurzel sollen jedoch nicht das Tumorwachstum fördern, da ihre Wirkung auf einer selektiven Aktivierung des β-Estrogen-Rezeptors beruht. »Ich bin da skeptisch, denn bislang kenne ich nur Studien mit Zellkulturen«, sagte Blohmer. Einen endgültigen Beweis könnten nur Studien mit Biopsien aus Brustgeweben erbringen.
An Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des iCR-Extrakts haben inzwischen mehr als 12 000 Frauen teilgenommen. Er ist damit weltweit der am besten untersuchte Traubensilberkerzen-Extrakt. In Metaanalysen erreichte er als einziger Extrakt eine konfirmatorische Evidenz zur Wirksamkeit mit einem Oxford Level of Evidence (LOE) von 1b und einen Empfehlungsgrad (GR) von A.
iCR reduzierte klimakterische Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen signifikant stärker als Placebo, bei allgemein guter bis sehr guter Verträglichkeit. Die Kombination aus iCR und Johanniskraut erbrachte in Studien eine zusätzliche Verbesserung von psychischen Symptomen. Auch bei Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom-Patientinnen unter einer antihormonellen Therapie mit Tamoxifen zeigten sich keine unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit iCR-Präparaten.
Doch in der Charité möchten Krebspatientinnen oft keine weiteren Medikamente. Ein Auslöser ihrer Angst ist die große WHI (Women’s Health Initiative)-Studie vor 15 Jahren. Sie hatte ergeben, dass eine Hormonersatztherapie mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs und kardiovaskuläre Ereignisse verbunden ist. »Durch eine evidenzbasierte Beratung zu wirksamen und sicheren Therapieoptionen gilt es Betroffene aufzuklären und Ängste zu nehmen«, sagte Blohmer. /