Was sich im Alter verändert |
08.02.2016 14:07 Uhr |
Von Georg Kojda, Düsseldorf / Wenn der Körper des Menschen altert, ändern sich seine Reaktionen auf Arzneistoffe. Dies betrifft sowohl Resorption, Metabolismus und Elimination der Arzneistoffe als auch Qualität und Stärke der Arzneistoffwirkung. Apotheker sollten bei der Abgabe von Analgetika daher besonders auf Nebenwirkungen und Interaktionen achten.
Geriatrische Patienten stellen in der Regel hohe Anforderungen an eine sachgerechte Pharmakotherapie (1). Die Besonderheiten dieser Patientengruppe lassen sich in drei Kategorien einteilen: eingeschränkte Körperfunktionen, Arzneimittelinteraktionen und Non-Compliance.
Viele ältere und alte Menschen leiden an Schmerzen. Eine adäquate, aber gut verträgliche Schmerztherapie zu finden, ist eine Herausforderung.
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Insbesondere Veränderungen bei der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Arzneistoffen können besondere Risiken auslösen. Sowohl Verzögerungen von Metabolismus und Elimination als auch eine stärkere Ausprägung von Wirkungen und Nebenwirkungen bedingen, dass geriatrische Patienten meist sensibler auf Arzneistoffe reagieren als Jüngere. Daher sollten bestimmte Arzneistoffe im Senium sogar vermieden werden. Solche Arzneimittel sind in der mittlerweile zum dritten Mal überarbeiteten Beers-Liste (1) und in der Priscus-Liste verzeichnet (www.priscus.net).
Veränderungen der Pharmakokinetik bei alten und sehr alten Menschen betreffen alle Stationen, die das Schicksal eines Arzneistoffs im Körper bestimmen: Resorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination. Daran sind vor allem Einschränkungen von Organfunktionen beteiligt (Abbildung 1). Dies lässt sich am Beispiel von Analgetika gut verdeutlichen.
Verminderte Resorption
Typisch bei alten und sehr alten Menschen sind eine verzögerte Magenentleerung und erhöhte Transitzeit durch den Dünndarm. Somit ist die Geschwindigkeit der Resorption oft vermindert. Bei Analgetika und Ko-Analgetika kann dies den Eintritt der Wirkung verzögern und typische periphere Nebenwirkungen verstärken. Bei der Therapie mit Opioiden einschließlich der schwachen Opioide Dihydrocodein, Codein, Tilidin und Tramadol gilt dies vor allem für die Obstipation, aber auch die Dyspepsie.
Zu beachten ist, dass andere Arzneimittel mit obstipierender Wirkung verstärkend wirken, auch wenn dies nominell keine Arzneimittelinteraktion darstellt. Die Obstipation tritt bei mehr als 130 verschiedenen Arzneistoffen sehr häufig (mehr als 10 Prozent) auf. Hierzu zählen unter anderem anticholinerg wirkende Arzneistoffe wie Oxybutinin und trizyklische Antidepressiva, Parkinsonmittel wie Levodopa, Lisurid, Pergolid und Pramipexol, Antipsychotika wie Risperidon und Olanzapin, viele oral anwendbare Zytostatika wie Imatinib oder das als Ko-Analgetikum verwendete Duloxetin. Daher ist es wichtig, geriatrische Patienten, die Opioide bekommen, zu fragen, ob sie ein Laxans einnehmen. Leiden die Patienten trotz korrekter Einnahme eines Laxans in üblicher Dosierung an Obstipation, könnten andere Ursachen zugrunde liegen, die eine ärztliche Abklärung erfordern. Hierzu zählen beispielsweise Hypothyreose, Hypercalcämie, Hypokaliämie oder Tumoren.
In ähnlicher Weise ist eine Verstärkung der Opioid-induzierten Dyspepsie möglich. Auch hier kommen viele Arzneistoffe infrage, die sehr häufig Dyspepsie auslösen. Beispiele sind PDE-5-Hemmer wie Tadalafil, Acetylsalicylsäure, Sevelamer, Etanercept oder Cabergolin.
Veränderte Verteilung
Alte Menschen weisen weniger Skelettmuskeln und weniger Gesamtkörperwasser auf, während der Fettanteil deutlich ansteigt (2). Dadurch verändert sich das Verteilungsvolumen von Arzneimitteln.
Standarddosierungen eher hydrophiler Arzneistoffe wie Morphin können bei alten Menschen zu höheren Plasmakonzentrationen und stärkeren Wirkungen führen. Andererseits ist bei lipophilen Arzneistoffen wie Fentanyl das Verteilungsvolumen eher erhöht, was bei längerer Therapie eine Akkumulation begünstigt. Halbwertszeit und Wirkdauer nehmen zu (3).
Bei der pharmazeutischen Beratung sollten Apotheker bei geriatrischen Patienten immer auf Zeichen einer zu starken Wirkung von Opioiden achten. Dies betrifft vor allem die Wirkungen auf das zentrale Nervensystem, die sich als verringerte Atemfrequenz (cave: Atemdepression), Tagesmüdigkeit, Benommenheit, Schwindel oder Blutdruckabfall äußern können. Möglich sind auch Einschränkungen der Beweglichkeit sowie Schwierigkeiten bei Kommunikation oder Verständnis, die von einer Demenz abzugrenzen sind. In jedem Fall sollten Patienten bei solchen Auffälligkeiten darauf hingewiesen werden, die ärztlich verordnete Dosierung überprüfen zu lassen. Auch Nierenfunktionsstörungen oder Interaktionen mit anderen Arzneistoffen können die Opioidwirkung verstärken.
Reduzierter Metabolismus in der Leber
Da Größe und Durchblutung der Leber im Alter vermindert sind, muss man grundsätzlich von einem reduzierten hepatischen Metabolismus ausgehen. Der oxidative Metabolismus (Phase I) durch die Cytochrom-P450-(CYP)-Enzymfamilie ist davon besonders betroffen. Die wichtigsten CYP-Isoenzyme sind CYP1A2, -3A4, -2C9, -2C19, -2D6 und -2E1, wobei mehr als die Hälfte der Arzneistoffe durch CYP3A4 metabolisiert wird (4). Im Gegensatz dazu laufen Konjugationsreaktionen wie Glukuronidierung, Sulfatierung oder Acetylierung (Phase II) im Alter nahezu unverändert ab. Allerdings ist die Datenlage unklar und teils widersprüchlich. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass im Alter die Aktivität von CYP1A2 und -2C19 reduziert, die von CYP3A4 und -2C9 unverändert bis reduziert und die von CYP2D6 meist unverändert ist (5). Daher ist die Effizienz der Metabolisierung bei alten und sehr alten Menschen nur schlecht vorhersagbar.
Opioid | Metabolisierendes CYP-Enzym | Metabolit |
---|---|---|
Codein | 2D6 3A4 | Morphin (wirksam) Norcodein (unwirksam) |
Dihydrocodein | 2D6 3A4 | Dihydromorphin (wirksam) Nordihydrocodein (unwirksam) |
Tramadol | 2D6 2B6 und 3A4 | O-Desmethyltramadol (wirksam) N-Desmethyltramadol (unwirksam) |
Tilidin | 3A4 | Nortilidin (wirksam) und Bisnortilidin (unwirksam) |
Hinzu kommt, dass eine zunehmende Polypharmakotherapie zu einem deutlichen Anstieg von Interaktionen führt, die häufig auf der gegenseitigen Beeinflussung des Metabolismus beruhen und deren Folgen bei alten und sehr alten Menschen oft ernsthafter ausfallen als bei jüngeren Menschen (6). In der pharmazeutischen Beratung geriatrischer Patienten sollte der Apotheker daher eine Prüfung von Arzneistoffinteraktionen vorschlagen, insbesondere wenn die Senioren über Probleme mit der Schmerztherapie klagen.
Innerhalb der Gruppe der Opioide sind vor allem die schwächer wirksamen Arzneistoffe Codein, Dihydrocodein, Tramadol und Tilidin betroffen, die in Deutschland deutlich häufiger eingesetzt werden als stark wirksame Opioide (7). Die schwachen Opioide sind Prodrugs, die erst über den hepatischen Metabolismus durch CYP-Enzyme in wirksame Metaboliten überführt werden. Diese wiederum werden durch weitere CYP-Enzyme oder Phase-II-Reaktionen abgebaut (Tabelle).
Eine Ausnahme macht Tilidin, das über CYP3A4 sequenziell erst zu Nortilidin und dann zu Bisnortilidin demethyliert wird, wobei eine Hemmung von CYP3A4, beispielsweise durch Ritonavir, zur Akkumulation von Nortilidin führt (8). Dagegen scheint CYP2C19 entgegen früheren Vermutungen keine Rolle zu spielen.
Wenn Senioren mehrere Arznei- mittel bekommen, lauern immer auch Interaktions- risiken.
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Bei den stark wirksamen Opioiden spielt die hepatische Metabolisierung nur bei Buprenorphin und Fentanyl eine Rolle. Das Thebain-Derivat Buprenorphin wird hauptsächlich über CYP3A4 durch N-Dealkylierung zu unwirksamen Metaboliten abgebaut (9, 10). Auch Fentanyl wird durch CYP3A4 metabolisiert (11).
Insgesamt besteht ein erhebliches Potenzial für Arzneimittelinteraktionen bei allen schwachen Opioiden sowie bei Buprenorphin und Fentanyl. Daher sollte eine Interaktionsprüfung bei jeder Neuverordnung und jedem Selbstmedikationswunsch, auch bei Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln, als Standard einer guten pharmazeutischen Betreuung angesehen werden.
Am Beispiel von Tramadol wird deutlich, dass sowohl Interaktionen als auch die genetische Kodierung von CYP-Enzymen (Polymorphismen) die analgetische Wirkung stark verändern können (Abbildung 2). So können aktivierende CYP2D6-Polymorphismen die Wirkungen und Nebenwirkungen ebenso verstärken wie CYP3A4-Inhibitoren, beispielsweise Azol-Antimykotika oder Grapefruit. Andererseits kann bei gleichzeitiger Gabe von CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Efavirenz, Barbituraten, Phenytoin, Carbamazepin und Johanniskraut die analgetische Wirkung von Tramadol verringert sein.
Auch bei nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen und Piroxicam, die alle Substrate von CYP2C9 sind, sind Wechselwirkungen beim Metabolismus möglich. CYP2C9-Induktoren wie Carbamazepin, Nevirapin, Phenobarbital, Rifampicin und Johanniskraut können den NSAR-Abbau beschleunigen und die Wirkung abschwächen. Weit gefährlicher sind allerdings Interaktionen mit CYP2C9-Inhibitoren wie Fluconazol, Voriconazol, Isoniazid, Paroxetin, Metronidazol und Sulfamethoxazol, die den Abbau der NSAR verlangsamen und dadurch deren bei geriatrischen Patienten ohnehin gesteigerte Toxizität weiter verstärken. Bei schweren Leberfunktionsstörungen (cave: Alkoholismus), Herzinsuffizienz (NYHA II bis IV), ischämischer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschlusskrankheit und/oder zerebrovaskulärer Erkrankung sind NSAR kontraindiziert.
Dagegen ist das Potenzial von Interaktionen bei Paracetamol, das bei geriatrischen Patienten als schwaches Analgetikum der Wahl gilt, deutlich geringer. Dennoch muss Paracetamol wegen der reduzierten Leberfunktion im Alter vorsichtig dosiert werden. Empfehlenswert sind eine Einzelhöchstdosis von 500 mg, eine Tageshöchstdosis von 2 g sowie ein Dosisintervall von sechs Stunden.
Als weitere Alternative kann nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung auch Metamizol verordnet werden, das ebenso wie Paracetamol nicht antiphlogistisch wirkt, jedoch als einziger Wirkstoff aus der Gruppe der nicht sauren Pyrazolone eine spasmolytische Wirkkomponente hat. Grundsätzlich wird empfohlen, bei älteren Patienten die Dosis zu reduzieren, da die Bioverfügbarkeit des durch Hydrolyse entstehenden wirksamen Metaboliten 4-N-Methylaminoantipyrin auf das Zwei- bis Dreifache ansteigt. Metamizol ist als Induktor von CYP2B6 beschrieben; es kann die Wirksamkeit von Bupropion beeinträchtigen und unerwünschte Effekte verstärken. Dies gilt insbesondere für die sehr häufigen Nebenwirkungen Schlaflosigkeit, Mundtrockenheit, Kopfschmerzen und gastrointestinale Störungen einschließlich Übelkeit und Erbrechen, aber auch für die selten auftretenden Krampfanfälle. Ebenfalls wichtig ist, dass Metamizol über einen bislang unbekannten Mechanismus die Konzentration von Ciclosporin im Blut vermindern und damit möglicherweise eine Transplantatabstoßung auslösen kann.
Der größte Nachteil von Metamizol ist jedoch das Risiko einer Agranulozytose. Dieser potenziell lebensbedrohliche, jedoch sehr seltene (< 0,01 Prozent) Abfall der Granulozyten kann durch sehr viele andere Arzneistoffe verstärkt werden. Ein gut bekanntes Beispiel hierfür ist das Antipsychotikum Clozapin.
Aus verschiedenen Gründen ist eine vertiefte pharmazeutische Beratung im Apothekenalltag nicht immer möglich. Doch schon wenige Hinweise tragen dazu bei, die Therapie mit Analgetika sicherer zu machen:
Eingeschränkte renale Elimination
Die renale Elimination von Arzneistoffen nimmt im Alter zunehmend ab – auch bei Gesunden. Strukturelle Änderungen betreffen vor allem die Glomeruli, die Tubuli und das renale Blutgefäßsystem (12). So sinkt die glomeruläre Filtrationsrate bei Über-70-Jährigen um 25 bis 50 Prozent beziehungsweise unter 60 ml/min/1,73 m2 (13). Häufige Begleiterkrankungen wie Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2 beeinträchtigen die Nierenfunktion zusätzlich. Daher ist die korrekte Einschätzung der Nierenfunktion bei geriatrischen Patienten besonders wichtig.
Das Alter zeichnet den Menschen – äußerlich und innerlich. Eine angepasste Pharmakotherapie muss dies berücksichtigen.
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Solche Einschätzungen beruhen meist auf dem routinemäßig erhobenen Plasmaspiegel von Kreatinin (in mg/dl), der mithilfe der Cockcroft-Gault-Formel in die Kreatinin-Clearance umgerechnet wird. Ein anderes derzeit in Australien und England favorisiertes Verfahren beruht auf der neueren MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease Study Group).
Beide Formeln können die wahre glomeruläre Filtrationsrate bei alten und sehr alten Menschen deutlich überschätzen (14). Ein wichtiger Grund: Der Plasmaspiegel von Kreatinin hängt nicht nur von der Nierenfunktion, sondern auch von dessen Bildungsrate im Skelettmuskel ab. Da die Skelettmuskelmasse im Alter deutlich abnimmt, kann die Nierenfunktion über das Plasma-Kreatinin besser erscheinen als sie tatsächlich ist. So können im höheren Lebensalter trotz nachgewiesener chronischer Nierenerkrankung normale Plasmaspiegel von Kreatinin vorliegen (14).
Am Beispiel von Morphin lassen sich die Folgen verdeutlichen. So entsteht aus Morphin nicht nur das unwirksame und renal eliminierte 3-Glukuronid, sondern auch Morphin-6-Glukuronid. Dieser trotz seiner Hydrophilie ZNS-gängige Metabolit ist zweimal stärker wirksam als Morphin selbst und liegt wegen der 2,5-fach längeren Halbwertszeit in fünfmal höherer Plasmakonzentration vor (15). Mit zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion kumuliert Morphin-6-Glukuronid und damit auch dessen Wirkung, sodass es zu Intoxikationen kommen kann. Bei Niereninsuffizienz kann die Halbwertszeit bis zu 20-fach länger sein (16, 17).
Bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion und geriatrischen Patienten erfordert die Therapie mit NSAR eine besonders sorgfältige ärztliche Überwachung mit regelmäßigen Kontrollen der Nierenfunktion. Bei schwerer Niereninsuffizienz sind NSAR kontraindiziert. Bei eingeschränkter Nierenfunktion kann die gleichzeitige Einnahme eines ACE-Hemmers oder Angiotensin-II-Antagonisten die Nierenfunktion weiter verschlechtern und sogar zu einem akuten Nierenversagen führen. Die Verschlechterung der Nierenfunktion verzögert auch die Elimination der NSAR selbst und kann daher typische Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe verschlimmern.
Die Metabolite von Metamizol werden zu etwa 85 Prozent renal ausgeschieden, weshalb bei älteren Patienten und bei eingeschränkter Kreatinin-Clearance die Dosis reduziert werden sollte. Dies gilt auch für Paracetamol, das zu 90 Prozent renal eliminiert wird.
Veränderungen der Pharmakodynamik
Die Reaktion von Körperzellen auf Arzneistoffe kann sich im Alter deutlich ändern. Wie sich dies klinisch ausprägt, hängt stark vom Wirkmechanismus des jeweiligen Arzneistoffs ab. Grundsätzlich reagieren alte Menschen eher sensitiver auf Arzneistoffe, die das zentrale Nervensystem beeinflussen (18).
Dies gilt auch für Opioide. Diese wirken über eine Dämpfung der Neurotransmission, die auf der Aktivierung verschiedener Opioidrezeptoren beruht. Dies gilt sowohl für zentral vermittelte Wirkungen wie Analgesie, Atemdepression, Euphorie, Miosis oder Suchtentwicklung als auch für peripher vermittelte Wirkungen wie die Verminderung der Peristaltik im Gastrointestinaltrakt und die daraus resultierende Obstipation. Auch ein erhöhtes Risiko von Stürzen und Knochenbrüchen muss einkalkuliert werden. Dies gilt insbesondere für das Opioid Pethidin, das zusätzlich mit einem erhöhten Delir-Risiko behaftet ist.
Vorsicht: Coxibe und NSAR wie Ibuprofen und Diclofenac können das kardiovaskuläre Risiko von Senioren erhöhen.
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Auf welchen Mechanismen diese höhere Empfindlichkeit alter Menschen gegenüber Opioiden beruht, ist nicht bekannt. Apotheker sollten die Patienten darauf hinweisen, die gleichzeitige Einnahme sedierend wirkender Arzneistoffe wie Diphenhydramin oder Doxylamin möglichst zu vermeiden.
Auch Nicht-Opioid-Analgetika wie NSAR dürfen nur mit besonderer Vorsicht und nur für kurze Zeit bei geriatrischen Patienten eingesetzt werden. Gründe sind vor allem Nebenwirkungen durch die Hemmung der Cyclooxigenase wie gastrointestinale Blutungen, Magen-Darm-Ulcera, Übelkeit und Niereninsuffizienz bis zum akuten Nierenversagen (1, 19). Insbesondere wegen des Risikos von gastrointestinalen Blutungen, Ulzerationenen oder Perforationen zählt die Priscus-Liste Indometacin, Acemetacin, Ketoprofen, Phenylbutazon, Piroxicam, Meloxicam sowie Etoricoxib zu den potenziell inadäquaten Medikationen bei älteren Menschen, während Ibuprofen als diesbezüglich weniger risikoreich angesehen wird (www.priscus.net). Nehmen Patienten dauerhaft Thrombozytenaggregationshemmer wie Clopidogrel, Dipyridamol oder Acetylsalicylsäure ein, muss man bei allen NSAR mit einer Erhöhung des Blutungsrisikos rechnen. Ähnliches gilt vor allem bei älteren Patienten auch für die gleichzeitige Einnahme von Serotonin-Reuptake-Hemmern wie Citalopram.
Neuere Daten zeigen zudem, dass nicht nur die Coxibe, sondern auch Ibuprofen und Diclofenac (aber nicht Naproxen) das relative Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant erhöhen (20). Hierzu kann beitragen, dass alle NSAR wegen der Hemmung der vaskulären Prostaglandinsynthese bei längerer Einnahme (mehr als eine bis zwei Wochen) die blutdrucksenkende Wirkung von Betablockern, ACE-Hemmern, Sartanen oder Diuretika abschwächen können. Zudem vermindert Ibuprofen die protektive Wirkung von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure, wenn es vorher oder gleichzeitig eingenommen wird. Schließlich können NSAR die Anzeichen und Symptome einer Infektion maskieren und so eine eventuell notwendige Behandlung verzögern. Es ist davon auszugehen, dass die Erhöhung dieser Risiken geriatrische Patienten stärker betrifft als jüngere Menschen. /
Georg Kojda studierte Pharmazie in Bonn und Medizin in Köln und wurde 1990 im Fachgebiet Pharmakologie promoviert. 1997 folgten Habilitation und Venia Legendi sowie die Anerkennung zum Fachpharmakologen und zum Fachapotheker für Arzneimittelinformation. 1996 und 1998 verbrachte Kojda Forschungsaufenthalte an der Cardiology Division, Emory University, Atlanta (USA). Seit 2003 ist er Professor an der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Düsseldorf, seit 2005 Fortbildungsbeauftragter des Apothekerverbands Köln und der Apothekerkammer Nordrhein und seit 2007 Herausgeber des Fortbildungstelegramms Pharmazie.
Professor Dr. Georg Kojda
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie
Universitätsklinik Düsseldorf
Universitätsstraße 1
40225 Düsseldorf
E-Mail: kojda@uni-duesseldorf.de
Literatur
Nach einem Vortrag des Autors beim pharmazeutischen Fachkongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein zum Thema »Der geriatrische Patient«, März 2015, Ostseebad Damp