Fidaxomicin und Ingenolmebutat |
04.02.2013 23:13 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe und Sven Siebenand / Die beiden ersten neuen Arzneistoffe des Jahres 2013 sind das Antibiotikum Fidaxomicin und der Pflanzeninhaltsstoff Ingenolmebutat zur lokalen Behandlung aktinischer Keratosen. Beide Substanzen befinden sich seit Mitte Januar im Handel.
Infektionen mit dem anaeroben, sporenbildenden Stäbchenbakterium Clostridium difficile nehmen seit einigen Jahren zu, die Krankheitsverläufe sind oft schwieriger und beinhalten neben Diarrhöen Toxin-assoziierte und pseudomembranöse Colitiden.
Der neue Arzneustoff ingenolmebutat ist ein Inhaltsstoff der Gartenwolfsmilch Euphorbia peplus.
Foto: Julio Reis
Eine Vielzahl der Infektionen wird als nosokomial angesehen. Zunehmend sind aber nicht nur ältere Patienten betroffen. Auch jüngere Menschen außerhalb des Krankenhauses können an Clostridium difficile- Infektionen (CDI) erkranken. Lange Zeit galten Metronidazol und Vancomycin als Standardtherapien. Inzwischen werden unter diesen Medikamenten aber vermehrt Rückfalle beobachtet.
Fidaxomicin
Bereits seit Ende 2011 ist mit Fidaxomicin (Dificlir™ 200 mg Filmtabletten, Astellas Pharma) in der EU ein neues Antibiotikum zur Behandlung von CDI zugelassen. Ab Januar 2013 steht die Substanz nun auf dem deutschen Markt zur Verfügung. In der Fachinformation werden zweimal täglich 200 mg als Dosierung empfohlen. Diese sollte über zehn Tage erfolgen und zwischen den Einnahmen sollte der Zeitabstand jeweils zwölf Stunden betragen.
Das Expertengremium CHMP der europäischen Arzneimittelagentur EMA stellte fest, dass bei bestimmten Patienten eine Ungewissheit hinsichtlich der Wirkungen von Fidaxomicin besteht, zum Beispiel bei Patienten mit Leber- und Nierenproblemen. Deshalb empfahl es, bei diesen Gruppen weitere Studien durchzuführen. Bis dato soll das neue Präparat bei schwer beeinträchtigter Nierenfunktion sowie moderat bis schwer beeinträchtigter Leberfunktion nur mit Vorsicht angewendet werden.
Laut Fachinformation gibt es keine Daten zu Patienten mit begleitender chronisch-entzündlicher Darmerkrankung. Aufgrund des Risikos einer verstärkten Resorption und des potenziellen Risikos von systemischen Nebenwirkungen sollte Fidaxomicin bei diesen Patienten ebenfalls nur mit Vorsicht anwendet werden. Zudem sollte das Antibiotikum aufgrund begrenzter klinischer Daten bei Patienten mit pseudomembranöser Colitis, fulminanter oder lebensbedrohlicher CDI auch nur mit Vorsicht angewendet werden.
Fidaxomicin gehört zur neuen Gruppe der makrozyklischen Antibiotika. Es ist bakterizid wirksam und hemmt die RNA-Synthese durch das bakterielle Enzym RNA-Polymerase. Dadurch werden Wachstum und Vermehrung von Clostridium difficile gestoppt. Die Hemmung der RNA-Polymerase von Clostridien tritt in einer Konzentration ein, die 20-mal niedriger ist als bei dem entsprechenden Enzym von E. coli. Fidaxomicin wirkt also sehr spezifisch und die übrige Darmflora bleibt weitgehend erhalten.
Fidaxomicin wurde in zwei randomisierten Doppelblindstudien der Phase III mit insgesamt mehr als 1100 Patienten untersucht. Die CDI-Patienten erhielten zehn Tage lang täglich entweder 400 mg Fidaxomicin (zweimal 200 mg oral) oder 500 mg Vancomycin (viermal 125 mg oral). Das primäre Studienziel, der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit in Bezug auf den primären Endpunkt klinische Heilungsraten am Ende der Therapie, wurde erfüllt. Der Anteil der Studienteilnehmer, bei denen nach zehn Behandlungstagen eine initiale klinische Heilung erreicht wurde, war in der Fidaxomicin- und der Vancomycin-Gruppe gleich hoch. Betrachtet man die Ergebnisse der beiden Studien zusammen, so wurden 92 Prozent der Patienten unter Fidaxomicin geheilt gegenüber 90 Prozent der Patienten unter Vancomycin. In den zulassungsrelevanten Studien wurde auch die Rezidivrate in den 30 Tagen nach der Behandlung als sekundärer Endpunkt untersucht. Die Rezidivrate war unter Fidaxomicin signifikant geringer als unter Vancomycin (14 versus 26 Prozent). In der Fachinformation wird allerdings darauf hingewiesen, dass diese Studien nicht prospektiv zum Nachweis der Prävention einer Reinfektion mit einem neuen Stamm angelegt waren.
Als im Magen-Darm-Trakt lokal wirkendes Mittel wird Fidaxomicin nur in sehr begrenztem Umfang systemisch resorbiert und weist daher nur ein geringes Risiko für systemische Nebenwirkungen auf. Die häufigsten behandlungsbedingten Nebenwirkungen waren in Studien Erbrechen (1,2 Prozent), Übelkeit (2,7 Prozent) und Obstipation (1,2 Prozent).
Fidaxomicin ist ein Substrat von P-Glykoprotein. Potente P-Glykoprotein-Inhibitoren, zum Beispiel Ciclosporin, Ketoconazol, Erythromycin, Clarithromycin, Verapamil, Dronedaron und Amiodaron, sollten nicht mit Fidaxomicin kombiniert werden. Aus Vorsichtsgründen sollte die Anwendung von Fidaxomicin während der Schwangerschaft vermieden werden. Bei Stillenden ist zu klären, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Fidaxomicin verzichtet werden soll beziehungsweise die Behandlung zu unterbrechen ist. Dabei muss einerseits der Nutzen des Stillens für das Kind, andererseits der Nutzen der Therapie für die Mutter berücksichtigt werden.
Vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
Ingenolmebutat
Seit Januar ist mit Ingenolmebutat (Picato® 150 µg/g und Picato® 500 µg/g Gel, Leo Pharma) eine neue Therapieoption zur topischen Behandlung von nicht-hyperkeratotischen, nicht-hypertrophen aktinischen Keratosen auf dem Markt. Der aus der Gartenwolfsmilch isolierte Inhaltsstoff führt zu ähnlichen Therapieerfolgen wie bereits etablierte Topika, jedoch ist die erforderliche Behandlungsdauer kürzer.
Aktinische Keratosen, auch Licht-Keratosen genannt, entstehen durch eine langjährige intensive Exposition von Sonnenlicht, welche die Oberhaut chronisch schädigt und verhornenlässt. Später kann die Hautschädigung auch in Hautkrebs übergehen. Man geht heute davon aus, dass sich etwa zwei Drittel aller Spinalzellkarzinome auf Basis einer aktinischen Keratose entwickeln. Neben ablativen Therapieverfahren wie Kürettage, Laser und Kryotherapie stehen zur topischen Behandlung bislang die Arzneistoffe Diclofenac, Imiquimod und 5-Fluorouracil zur Verfügung.
Ingenolmebutat ist ein makrozyklischer Diterpenester aus der Gartenwolfsmilch Euphorbia pelus. Der Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt: In-vivo- und In-vitro-Modelle lassen auf einen dualen Mechanismus schließen – eine direkte zytotoxische Wirkung sowie die Förderung einer Entzündungsreaktion. Das Ansprechen des Patienten auf die Therapie ist ungefähr acht Wochen nach der Therapie beurteilbar.
Wenn sich die betroffenen Flächen im Gesicht, auf der Kopfhaut oder im oberen Bereich des Nackens befinden, sollte das schwächer dosierte Gel an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils einmal täglich aufgetragen werden. Befindet sich die aktinische Keratose am Rumpf, den Extremitäten oder im unteren Bereich des Nackens, sollte das höher dosierte Gel an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils einmal täglich aufgetragen werden. Der Inhalt einer Tube reicht jeweils für eine Behandlungsfläche von 25 cm2. Die Tube ist zum einmaligen Gebrauch bestimmt.
Zur richtigen Anwendung kann der Apotheker mehrere Beratungstipps geben. Das Präparat ist bis zur Anwendung im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern. Nach der Applikation des Gels sollten die Patienten die Behandlungsfläche 15 Minuten trocknen lassen. Unmittelbar nach der Anwendung sollten die Hände gründlich gewaschen werden. Das Berühren oder Waschen der behandelten Fläche sollte für sechs Stunden vermieden werden. Patienten sollten das Gel zudem nicht direkt nach dem Duschen oder weniger als zwei Stunden vor dem Schlafengehen anwenden. Die behandelte Fläche darf nicht mit einem Okklusivverband bedeckt werden.
Ingenolmebutat darf nicht in der Nähe der Augen, in den Nasenlöchern, in der Innenseite des Ohres oder auf den Lippen verwendet werden. Sollte es doch zu einem Augenkontakt gekommen sein, müssen die Augen sofort mit Wasser gespült und der Arzt aufgesucht werden. Die Anwendung des Gels wird nicht empfohlen, bevor sich die Haut von vorhergehenden Behandlungen mit anderen Arzneimitteln oder chirurgischen Eingriffen erholt hat. Ferner darf es nicht im Bereich offener Wunden oder geschädigter Haut mit beeinträchtigter Barrierefunktion zum Einsatz kommen.
Zwar zeigt Ingenolmebutat keinerlei Potenzial für Photoirritation oder lichtallergische Effekte, jedoch sollte ein übermäßiger Kontakt mit Sonnenlicht, inklusive Höhensonne oder Solarium, vermieden beziehungsweise minimiert werden.
In der Schwangerschaft sollte das Gel sicherheitshalber nicht verwendet werden. Stillende Mütter sollten angewiesen werden, den Körperkontakt des Kindes mit der behandelten Fläche während sechs Stunden nach dem Auftragen des Gels zu vermeiden.
Die Zulassung basiert auf je zwei placebokontrollierten Studien mit beiden Konzentrationen. Insgesamt nahmen rund 1000 Patienten mit aktinischen Keratosen teil, die entweder im Bereich von Gesicht und Kopfhaut (547 Patienten) oder am Rumpf oder an den Armen (458 Patienten) lokalisiert waren. Die Patienten mit Läsionen im Gesicht oder auf der Kopfhaut erhielten Ingenolmebutat 150 µg/g Gel oder ein wirkstofffreies Gel, das sie selbst einmal täglich an drei aufeinander folgenden Tagen aufgetrugen. Die Probanden mit Läsionen an Rumpf oder Armen erhielten Ingenolmebutat 500 µg/g oder ein wirkstofffreies Gel zur täglichen Applikation an zwei aufeinander folgenden Tagen.
Wasserstoff: Hellblau
Sauerstoff: Rot
Stickstoff: Dunkelblau
Grafiken: Wurglics
Primärer Endpunkt war das vollständige Verschwinden der Läsion an Tag 57. Das Ergebnis der gepoolten Daten: Die Läsionen im Bereich von Gesicht und Kopfhaut hatten sich in der Verumgruppe bei 42 Prozent und in der Placebogruppe bei 4 Prozent der Probanden zurückgebildet (p < 0,001). Am Rumpf und an den Armen wurde bei 34 Prozent der Verumgruppe und bei 5 Prozent der Placebogruppe eine vollständige Rückbildung festgestellt (p < 0,001).
Bei den beobachteten Nebenwirkungen handelte es sich überwiegend um lokale Hautreaktionen, die zwar bei den meisten Patienten (mehr als 95 Prozent) auftraten, aber in der Regel, je nach Lokalisation, innerhalb von zwei bis vier Wochen abklangen. Die Hautreaktionen treten meist innerhalb eines Tages nach Behandlungsbeginn auf, ihre maximale Intensität erreichen sie bis zu einer Woche nach Behandlungsabschluss. Typisch waren zum Beispiel Erythem-Bildung, Abschuppen oder Abblättern der Haut, Schorfbildung, Schwellung, Blasen- oder Pustelbildung sowie Ablösung der äußeren Hautschicht beziehungsweise offene Wunden auf der Haut. Bei Behandlungen von Gesicht und Kopfhaut wurden zudem Infektionen an der Applikationsstelle berichtet. /
Vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
Zwei Schrittinnovationen
Fidaxomicin ist als neues makrozyklisches Antibiotikum am ehesten mit Vancomycin zu vergleichen, das auch bei Clostridium-difficile-Infektionen (CDI), die mit Diarrhöen und Colitiden einhergehen, eingesetzt wird. Im direkten klinischen Vergleich waren beide gleich wirksam. Nur war die Rezidivrate unter Fidoxamin mit 14 Prozent gegenüber Vancomycin mit 26 Prozent deutlich geringer, was eine vorläufige Bewertung als Schrittinnovation rechtfertigt.
Bei Ingenolmebutat ist eine vergleichende Betrachtung des therapeutischen Einsatzes bei aktinischer Keratose schwieriger, da diese Substanz in klinischen Studien nur gegen Placebo und nicht gegen die bisher bei dieser Indikation zugelassenen Stoffe wie 5-Fluorouracil, Imiquimod und Diclofenac verglichen wurde. Ein Literaturvergleich zeigt, dass der Erfolg der Therapie bei Ingenolmebutat bei einer kürzeren Applikationsdauer eintritt, was durchaus als Vorteil gewertet werden kann und eine vorläufige Bewertung als Schrittinnovation zulässt.
Professor Dr. Hartmut Morck
Ehemaliger PZ-Chefredakteur