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Kosten-Nutzen-Bewertung

Vorstoß für mehr Effizienz

29.01.2008  17:06 Uhr

Kosten-Nutzen-Bewertung

Vorstoß für mehr Effizienz

Von Uta Grossmann

 

Künftig bewertet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nicht nur den Nutzen neuer Arzneimittel, sondern setzt diesen auch ins Verhältnis zu den Kosten. In Berlin erläuterte das Institut, mit welcher Methode dies geschehen soll.

 

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat vorige Woche in Berlin ein Methodenpapier zur Kosten-Nutzen-Bewertung vorgelegt. Es soll nun diskutiert und voraussichtlich Ende 2009 umgesetzt werden.

 

Im seit April 2007 geltenden Wettbewerbsstärkungsgesetz der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) erhielt das IQWiG den Auftrag, eine Methode zu entwickeln, wie das Verhältnis der Kosten zum Nutzen neuer Medikamente bewertet werden kann. Die Ergebnisse unterstützen den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) dabei, die Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln zu beurteilen. Der GBA legt fest, welche Leistungen von den Krankenkassen erstattet werden. Er erteilt dem IQWiG die Aufträge zur Kosten-Nutzen-Bewertung.

 

Mit Hilfe einer solchen Bewertung legt der neue Spitzenverband Bund der Krankenkassen Höchstpreise für bestimmte Arzneimittel fest, die nicht in eine Festbetragsgruppe einbezogen werden können, weil sie gegenüber den alternativen Präparaten medizinische Vorteile bieten.

 

Arzneimittelhersteller können ihre Preise allerdings nach wie vor selbst bestimmen. Liegt der Preis eines neuartigen, innovativen Präparates über dem vom Spitzenverband festgelegten Höchstpreis, muss der Patient die Differenz aus eigener Tasche zahlen. Die Krankenkasse erstattet nur den Höchstpreis.

 

Der Leiter des IQWiG, Professor Dr. Peter T. Sawicki, wies bei der Präsentation des Konzeptes darauf hin, dass Menschen, die sich die dann fällige Zuzahlung für neue, teure Medikamente nicht leisten können, in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich schlechter versorgt werden. Deshalb nannte Sawicki die Kosten-Nutzen-Bewertung ein »scharfes Werkzeug«, das auch Schaden anrichten könne.

 

Mehr Schutz vor Scheininnovationen

 

Generell wird es nach Ansicht Sawickis für Innovationen künftig schwerer, sich durchzusetzen, weil das IQWiG prüft, ob sie tatsächlich wirtschaftlicher sind als bereits auf dem Markt vorhandene Medikamente. Dadurch soll Scheininnovationen ein Riegel vorgeschoben werden. Das System der Kosten-Nutzen-Bewertung setzt nach Auffassung Sawickis so einen »Anreiz für Forscher, nicht den fünfzigsten Blutdrucksenker zu entwickeln«, sondern nach Wirkstoffen für Bereiche zu forschen, in denen es noch nicht viele Medikamente gibt, etwa gegen seltene Krankheiten.

 

Die vom IQWiG vorgeschlagene Methode zur Kosten-Nutzen-Bewertung orientiert sich an den Standards der evidenzbasierten Medizin und bestimmt eine »Effizienzgrenze«, indem das Verhältnis von Kosten und Nutzen von Therapiealternativen miteinander verglichen wird. Effizient ist ein neues Arzneimittel dann, wenn es bei gleichen Kosten einen höheren Nutzen aufweist oder bei gleichem Nutzen kostengünstiger ist. Als nutzbringend gelten die Verbesserung des Gesundheitsszustandes oder der Lebensqualität, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung der Lebensdauer oder eine Verringerung von Nebenwirkungen. Bei den Kosten können neben den Ausgaben der Kassen auch Zuzahlungen der Patienten berücksichtigt werden. Außerdem fließen Kosten ein, die durch Kontrolluntersuchungen, Krankenhausaufenthalte oder die Behandlung von Nebenwirkungen entstehen.

 

Der SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach begrüßte den IQWiG-Vorschlag im »Tagesspiegel« als »wichtige Form des Verbraucherschutzes«. Er rechnet damit, dass die meisten neuen Medikamente dadurch kostengünstiger würden. Florian Lanz, Sprecher des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, es sei viel erreicht, wenn Scheininnovationen die Kassenbudgets nicht mehr unnötig belasteten.

 

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) kritisierte, der IQWiG-Vorschlag enttäusche und schaffe mehr Fragen als Antworten. Die stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführerin Professor Dr. Barbara Sickmüller sagte: »Die Bestimmung der Kosteneffektivität eines Arzneimittels nach Lesart des IQWiG würde die Anerkennung des medizinischen Fortschritts nur im Falle der äußerst seltenen Sprunginnovationen möglich machen. Arzneimittel, die weniger Nebenwirkungen hätten oder wirksamer seien, würden den gesetzlich Versicherten nicht mehr erstattet werden. Dies hätte die Abkopplung vom medizinischen Fortschritt oder weitere Zuzahlungen zur Folge.«

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