Nur im OTC-Design ohne Rezept |
21.01.2015 09:49 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Nach der Freigabe von Ellaone® durch die EU-Kommission ist immer noch unklar, ob das Präparat damit auch in Deutschland bereits rezeptfrei ist. Jetzt gibt es zumindest etwas Klarheit: Apotheker dürfen als verschreibungspflichtig deklarierte Packungen der Pille danach nicht ohne Rezept abgeben. Das Bundesministerium für Gesundheit will das deutsche Recht derweil in einem Eilverfahren an die Entscheidung aus Brüssel anpassen.
Seitdem die Europäische Kommission Ellaone am 7. Januar aus der Rezeptpflicht entlassen hat, stehen die Apotheker vor einem Problem. Denn bislang ist offen, ab wann die Freigabe der Ulipristal-Acetat-haltigen Pille danach in Deutschland gilt. Zwar ist der Beschluss aus Brüssel bereits offiziell in Kraft, hierzulande weist die Arzneimittel-Verschreibungsverordnung (AMVV) Ulipristal jedoch noch als rezeptpflichtig aus.
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Vorerst bleibt das Rezept Voraussetzung für die Abgabe der Pille danach.
Foto: PZ/Müller
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat dieses Dilemma bislang nicht gelöst. Immerhin bezog nun die für den deutschen Standort des Ellaone-Herstellers HRA Pharma zuständige Aufsichtsbehörde im nordrhein-westfälischen Arnsberg Stellung. Aus Sicht des dortigen Regierungspräsidiums dürfen Apotheker das Präparat so lange nur bei Vorlage eines Rezepts aushändigen, bis Packungsbeilage und Umverpackung überarbeitet wurden und das Präparat als OTC ausweisen. Auch die ABDA verweist in einem Schreiben an ihre Mitgliedsorganisationen offiziell auf diese Aussage.
Die Frage, ob die Freigabe von Ellaone bereits jetzt wirkt, beantwortet zwar auch die Aufsichtsbehörde nicht. Trotzdem gibt es für die Apotheker nun zumindest vorübergehend Sicherheit im Umgang mit der Situation. Laut HRA-Pharma hatte das Regierungspräsidium ursprünglich zugestimmt, dass Rx-Packungen von Ellaone nach der Entscheidung der EU-Kommission ausnahmsweise auch ohne Rezept abgegeben werden dürfen. Die Behörde habe dann aber zurückgerudert und man habe sich auf ein anderes Prozedere verständigt, sagte HRA-Deutschland-Chef Klaus Czort.
Hintergrund sind vor allem Vorgaben, die Brüssel im Rahmen der Freigabe an die Packungsbeilage formuliert hatte. Diese unterscheiden sich offenbar zu stark von den Angaben im bisherigen Beipackzettel.
Aus Sicht des Regierungspräsidiums darf Ellaone daher nur zusammen mit der neuen Gebrauchsinformation und in OTC-Verpackung ohne Rezept abgegeben werden. »Packungen in dieser aktuellen Aufmachung haben die Apotheken derzeit nicht vorrätig«, schreibt die Behörde in einer Stellungnahme. Für die Abgabe des Präparats im bisher gültigen Design »ist daher weiterhin die Vorlage einer ärztlichen Verschreibung erforderlich«.
Auch Czort rät den Apothekern, Ellaone »labelgetreu« abzugeben und damit vorerst nur auf Rezept. Der Hersteller will die Vorgaben der EU nun umsetzen und plant, die Pille danach ab 15. Februar im OTC-Design auf den Markt zu bringen.
In aller Eile
Im Bundesministerium für Gesundheit setzt man derweil darauf, die deutschen Vorschriften in der AMVV so schnell wie möglich zu ändern und den EU-Beschluss damit in deutsches Recht umsetzen. Von einer Eilverordnung wollte man dort zwar nicht sprechen. Dennoch verschickte das BMG vergangene Woche mit großer Eile einen Entwurf zur Änderung der Verschreibungsverordnung und drängte auf eine schnelle Antwort der adressierten Verbände: Sie hatten nur knapp 24 Stunden Zeit, Stellung zu beziehen.
Mit der Änderungsverordnung will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum einen Ellaone freigeben. Aus europarechtlichen Gründen ist das Ende der Rezeptpflicht zunächst auf das konkrete Präparat beschränkt. Ab dem 8. Januar 2016 gilt die Freigabe dann grundsätzlich für Ulipristal zur Notfallverhütung in einer Konzentration von bis zu 30 mg Wirkstoff je Tablette und in Packungen mit je einer Pille. Derzeit ist Ellaone das einzige Präparat mit diesen Eigenschaften.
Auch Levonorgestrel soll darüber hinaus aus der Rezeptpflicht fallen. Die Freigabe gilt demnach für Tabletten mit einer Wirkstoffkonzentration von bis zu 1,5 mg, ebenfalls in Packungen mit je einer Tablette zur Notfallkontrazeption. Levonorgestrel gibt es bereits in vielen Ländern ohne Rezept. Deutschland ist bislang eine der wenigen Ausnahmen.
Das Bundesministerium für Gesundheit will den EU-Beschluss möglichst schnell in deutsches Recht umsetzen.
Foto: Imago/PEMAX
Wann die Änderungen in Kraft treten, bleibt abzuwarten. Da viele Akteure eingebunden werden müssen, ist das Verfahren recht komplex. Das Ministerium will die Verordnung mit verkürzten Fristen trotzdem möglichst schnell durchbringen. Der Bundesrat könnte sich am 6. März mit der AMVV beschäftigen, die Neuerungen würden dann im Anschluss nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten.
Die ABDA begrüßte den Vorstoß aus dem BMG grundsätzlich. Mit Blick auf das Inkrafttreten der Reform setze man sich für eine Regelung ein, »mit der man sicherstellen kann, dass die Apotheken rechtzeitig über alle relevanten Daten informiert werden können«, sagte ein Sprecher. Ob das gelingen werde, sei aber noch unklar. Aus Sicht der ABDA sollten die geplanten Änderungen möglichst zum 1. oder 15. eines Monats in Kraft treten und der genaue Zeitpunkt mindestens vier Wochen im Voraus feststehen, um die relevanten Informationen rechtzeitig in den Datenbanken hinterlegen zu können.
Wenig begeistert reagierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Sie sieht die Qualität der Versorgung in Gefahr. So seien Deutschland und die Schweiz im internationalen Vergleich die beiden Länder mit den niedrigsten Abbruchraten bei Schwangerschaften, schreibt KBV-Vorstand Regina Feldmann in einer Stellungnahme. Grund für diese gute Position sei »die in Deutschland bislang erforderliche ärztliche Verordnung und die in diesem Zusammenhang erfolgende Beratung«.
Beratung in der Diskussion
Um eine gute Information betroffener Frauen auch nach einer Freigabe der Pille danach zu gewährleisten, fordert Feldmann »verbindliche Vorgaben« für die Beratung. In der vergangenen Woche fanden im Gesundheitsministerium bereits Gespräche über die Ausgestaltung der Beratung in der Apotheke statt. Dafür kamen Frauenärzte, Apotheker und Vertreter aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zusammen. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen, sagte der ABDA-Sprecher. Über die Inhalte habe man jedoch Stillschweigen vereinbart.
Etwas konkreter wurde der Berufsverband der Frauenärzte (BVF). Ob es künftig ähnliche Beratungsvorgaben geben werde wie in der Schweiz, sei noch nicht entschieden, teilte er mit. In der Schweiz gibt es eine verbindliche Leitlinie und Apotheker müssen Abgabe und Beratung umfassend dokumentieren. Notfallkontrazeptiva seien hochwirksame Arzneimittel, sagte BVF-Vize Klaus König. Apotheken hätten bei der Abgabe prinzipiell dieselben Pflichten der Aufklärung und Dokumentation wie Ärzte. »Fühlt sich eine Frau nicht hinreichend beraten und wird dann ungewollt schwanger, so wird es dem Apotheker helfen, wenn er die Befragung und die Aufklärung dokumentiert hat«, so König.
Nicht abschließend geklärt ist bislang zudem, ob Frauen unter zwanzig Jahre die Pille danach künftig selbst zahlen müssen. Derzeit übernehmen die Krankenkassen die Kosten für sie. Bei Freigabe der Notfallkontrazeptiva wäre eine Kostenerstattung aber nur möglich, wenn es eine entsprechende Änderung im Sozialgesetzbuch V gibt. Dem Vernehmen nach soll es eine Lösung geben, bei der junge Frauen das Präparat auch in Zukunft erstattet bekommen – allerdings nur, wenn sie beim Arzt waren und ein Rezept vorweisen können. /