Bilanz nach einem Jahr |
08.03.2016 16:11 Uhr |
Von Verena Arzbach, Darmstadt / Rund ein Jahr ist die Pille danach nun ohne Rezept in deutschen Apotheken erhältlich. Apotheker und Hersteller ziehen insgesamt ein positives Fazit. Der Bundesverband Pro Familia sieht bei den Beratungs- und Abgabemodalitäten noch Verbesserungsbedarf.
»In den deutschen Apotheken wird ein Jahr nach der Freigabe der Pille danach noch recht unterschiedlich beraten und die Notfallkontrazeptiva werden nach unterschiedlichen Kriterien abgegeben«, kritisierte Dr. Ines Thonke vom Bundesverband Pro Familia bei einer Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Apotheker in Darmstadt.
Sie präsentierte die Ergebnisse einer bundesweiten – allerdings nicht repräsentativen – telefonischen Befragung von Pro Familia bei 25 Apotheken. »Es gibt große Unterschiede und Unsicherheiten bei der Abgabe der Pille danach. Das betrifft zum Beispiel Dauer und Ort der Beratung, aber auch die Verwendung der Checkliste der Bundesapothekerkammer (BAK) oder das Erheben von Beratungsgebühren«, sagte die Gynäkologin.
Auch werde in einigen Apotheken die Abgabe an Minderjährige, an Dritte oder bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt generell verweigert. »Ein zeitnaher und barrierefreier Zugang zur rezeptfreien Pille danach scheint also noch nicht überall gewährleistet«, so Thonke.
Standards vorgeben
Jeder Apotheker sollte in seiner Apotheke Beratungsstandards für die Abgabe der Pille danach festlegen, riet Dr. Christian Ude, der in Darmstadt eine Apotheke leitet und Lehrbeauftragter an der Universität in Frankfurt am Main ist. Wichtig seien klare Vorgaben an die Mitarbeiter, wie das Beratungsgespräch ablaufen muss und welche Informationen in jedem Fall abgefragt werden müssen. Hilfe bietet hier die Handlungsempfehlung der BAK. Der Beratungsleitfaden sollte intern dokumentiert werden, Änderungen sollten im Team besprochen und ebenfalls schriftlich festgehalten werden. Ude wies allerdings darauf hin, dass es keine Pflicht gebe, das Beratungsgespräch mit der jeweiligen Kundin zu dokumentieren oder die Frauen einen Beratungsbogen unterschreiben zu lassen. »Im Grunde ist die Pille danach ein normales OTC-Arzneimittel ohne besondere rechtliche Vorgaben«, betonte der Apotheker.
Mehr Aufklärung
Klaus Czort, Geschäftsführer des Unternehmens HRA Pharma, das sowohl Pidana® als auch Ellaone® vertreibt, zog bei einer Online-Pressekonferenz derweil eine durchweg positive Bilanz des ersten Jahres ohne Rezeptpflicht. Er zeigte sich überzeugt, dass die Pille danach in Apotheken gut aufgehoben ist. Viele Apotheker hätten großes Engagement gezeigt und sich viel Wissen angeeignet.
Die Notfallkontrazeptiva wurden vor einem Jahr aus der Verschreibungspflicht entlassen.
Fotos: KNA und HRA Pharma
Der Absatz der Notfallkontrazeptiva war nach dem OTC-Switch rasch gestiegen: Statt rund 40 000 Packungen pro Monat würden nun etwa 60 000 Packungen abgegeben, berichtete Czort. Die betroffenen Frauen nutzten also den erleichterten Zugang zur Pille danach. Die Altersstruktur der Anwenderinnen hat sich laut Czort durch den OTC-Switch so gut wie nicht verändert. Nach wie vor ist mehr als die Hälfte der Anwenderinnen zwischen 21 und 39 Jahre alt. Circa ein Drittel ist jünger als 20 Jahre. Gerade bei Jugendlichen gebe es noch Aufklärungsbedarf, betonten sowohl Czort als auch Thonke von Pro Familia. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts TNS Emnid mit rund 1000 Befragten wissen nur 44 Prozent der 16- bis 18-Jährigen, dass es die Pille danach überhaupt gibt. /