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Medizinprodukte

Niemals im festen Aggregatzustand

24.01.2012  16:07 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / Für Apotheker relevante Sonderfälle der Erstattung für Medizinprodukte durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kamen bei einem BVMed-Seminar zur Sprache. Präqualifizierte Pharmazeuten können bekanntlich die Abgabe von Hilfsmitteln übernehmen, Flüssigprodukte wie Blasenspülungen könnten Teil der Arzneimittelversorgung sein.

Auf die öffentliche Debatte über womöglich gesundheitsgefährdende Silikonkissen reagiert man gereizt im Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Zum einen möchte sich die Branche nicht ihren den Ruf wegen eines schwarzen Schafes wie der mit minderwertigem Material arbeitenden Brustimplantatefirma Poly Implant Prothèse (PIP) ruinieren lassen. Zum anderen scheut sie traditionell Diskussionen über die hierzulande geltende Regelung, nach der Medizinprodukte anders als Arzneimittel eben keiner Zulassung bedürfen.

 

»Regeln zum Marktzugang haben sich bewährt«

 

»Kriminelle Energie wie im Fall der Firma PIP kann kein Zulassungssystem unterbinden«, verlautbarte deshalb rasch BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt. Die europäischen Regelungen zum Marktzugang für Medizinprodukte hätten sich grundsätzlich bewährt. Für jedes Medizinprodukt werde im Rahmen der CE-Kennzeichnung eine gesonderte Risikoanalyse und eine klinische Bewertung durchgeführt, so Schmitt. Bei Produkten mit erhöhtem Risiko müsse zudem eine klinische Prüfung vorgenommen werden.

Als Ärgernis werden Überlegungen empfunden, ob höhere Hürden den jüngsten Pfuschskandal womöglich verhindert hätten. Als Gegenpol zur aufgeregten Tagesdebatte taugte da ein BVMed-Seminar in Berlin zu grundsätzlichen Fragen der GKV-Erstattung für Medizinprodukte ganz gut, weil es auf den alltäglichen, nicht skandalösen Gang der Dinge verwies. Verästelt genug sind die vielen Unterscheidungen in diesem Feld allein im ambulanten Bereich. Daniela Piossek, Referatsleiterin Krankenver­sicherung im BVMed, musste also einen wahren Parforce-Ritt durch die vielen Sonderfälle jenseits des grundlegenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) hinlegen. Für Apotheker von besonderem Interesse sind zwei dieser Punkte: die Erstattung arzneimittelähnlicher Medizinprodukte, die naturgemäß Abgrenzungsfragen aufwirft, und die Abgabe von Hilfsmitteln, die auch Apotheker im Falle einer Präqualifizierung für bestimmte Produkte übernehmen können.

 

Arzneimittelähnliche Medizinprodukte können laut Ausnahmeregelung im Sozialgesetzbuch V Teil der Arzneimittelversorgung sein. »Diese Produkte dürfen niemals einen festen Aggregatzustand haben«, erläuterte Piossek. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) spezifizierte, dass der diagnostische oder therapeutische Nutzen dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen muss und eine andere zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar sein darf. »Wenn es also schon ein Arzneimittel gibt, haben Sie hier keine Chance«, wandte sich Piossek an die Hersteller. Gegen eine Gebühr von 10 500 Euro können Firmen einen Antrag auf befristete, aber verlängerbare Verordnungsfähigkeit beim GBA stellen. Als Beispiele nannte Piossek Augen- und Blasenspüllösungen. Aktuell gibt es etwa 70 solche Produkte. Hilfsmittel wie Prothesen oder Rollstühle werden von den Krankenkassen erstattet, wenn sie ärztlich verordnet sind. Voraussetzung für die Abgabe ist, dass Leistungserbringer entsprechende Verträge mit der Kasse geschlossen haben.

 

Präqualifizierungs-Agentur als Anlaufstelle

 

Die Eignungsprüfung kann individuell gegenüber der Kasse erfolgen oder aber generell durch eine Präqualifizierung. Diese erfolgt für jeden Hauptbetrieb und jede Filiale gesondert. Geprüft werden räumliche, sachliche und personelle Voraussetzungen wie die Qualifikation des fachlichen Leiters. Nach fünf Jahren wird erneut geprüft.

 

Für die Apothekerschaft ist die »Agentur für Präqualifizierung« erste Anlaufstelle. Sie ist eine Tochterfirma der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker (MGDA), die wiederum ein Unternehmen des Deutschen Apothekerverbands (DAV) unter dem Dach der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ist. Die Agentur ist eine von 20 beim GKV-Spitzenverband akkreditierten Stellen, die Leistungserbringern deren Eignung zur Teilnahme an bestimmten Hilfsmittelverträgen bescheinigen können. Diese Bescheinigung gilt dann für alle Kassen. /

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