Bremsen für den Zellteilungsturbo |
18.01.2017 09:36 Uhr |
Von Annette Mende, Berlin / Seit Dezember ist mit Palbociclib der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse CDK4/6-Inhibitoren in Deutschland im Handel. Wie er genau wirkt, wurde auf einer Pressekonferenz des Herstellers in Berlin erklärt.
Palbociclib (Ibrance® von Pfizer) ist zur Behandlung von Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, aber HER2-negativem Brustkrebs vorgesehen. Andere Vertreter der neuen Wirkstoffklasse werden zurzeit noch erforscht. Sie sind zum Teil ZNS-gängig und kommen somit auch zur Behandlung von Hirntumoren und anderen Krebsarten infrage.
Die CDK4/6-Inhibitoren greifen an einer Schlüsselstelle des außer Kontrolle geratenen Zellzyklus an: den Cyclin-abhängigen Kinasen (CDK) 4/6. Bei Brustkrebs werden diese durch die Aktivierung von Estrogen-Rezeptoren dazu angeregt, an Cyclin D1 zu binden. Normalerweise werden CDK4/6 durch das Protein p16 inhibiert. Bei Krebs ist diese Hemmwirkung jedoch häufig ausgeschaltet. Cyclin D1, der Bindungspartner der CDK4/6, ist zudem beim Mammakarzinom überexprimiert.
Die Bindung von CDK4/6 an Cyclin D1 führt zu einer Phosphorylierung des Retinoblastom-Proteins (RB), was wiederum den Startschuss für eine Zellteilung darstellt. Die Zelle wird durch dieses Signal dazu veranlasst, aus der G1-Phase, in der sie nach einer vorangegangenen Teilung wächst und neue Organellen bildet, in die S-Phase überzugehen. In der S-Phase werden die DNA repliziert und neue Gene exprimiert, es schließen sich die G2-Phase und die Mitosephase an. Vermittelt wird die ungehemmte Zellteilung letztlich von aktivierenden Transkriptionsfaktoren der Familie E2F.
Doppelte Hemmung
Durch Bindung an seine Zielstruktur hemmt Palbociclib die Phosphorylierung von RB und verhindert so den Übergang der Zelle von der G1- in die S-Phase sowie die nachfolgende Teilung. Da der Angriffspunkt des selektiven CDK4/6-Inhibitors der Estrogen-abhängigen Stimulation der Krebszelle nachgeschaltet ist, ist die Kombination mit einem Wirkstoff sinnvoll, der diese Stimulation unterbindet. Palbociclib wird deshalb immer zusammen mit einem Aromatase-Hemmer gegeben, zum Beispiel Letrozol, oder mit Fulvestrant, wenn die Patientin zuvor bereits eine endokrine Therapie erhalten hat. Bei prä- oder perimenopausalen Frauen sollte zusätzlich ein LHRH-Agonist (LHRH: Luteinisierendes Hormon Releasing Hormon) gegeben werden.
Auf diese Weise lässt sich dem Hersteller zufolge eine Resistenz der Krebszellen gegen eine Antihormontherapie überwinden. Forschungen hätten ergeben, dass eine solche Resistenz mit einer Überexpression von Cyclin D1 und der Phosphorylierung von RB im Zusammenhang zu stehen scheint, hieß es auf der Pressekonferenz.
Ibrance ist als Hartkapsel à 125 mg Palbociclib verfügbar, die pro Behandlungszyklus einmal täglich über einen Zeitraum von 21 Tage eingenommen wird. Ein ausführliches Arzneistoffprofil mit Angaben zu Wirksamkeit und Sicherheit sowie den Studien, die zur Zulassung geführt haben, lesen Sie hier: Zum Jahresende vier neue Wirkstoffe. /