Pharmazeutische Zeitung online
Pille danach

Wichtig für die Beratung

14.01.2015  10:26 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe und Annette Mende / Die Entlassung der beiden Notfallkontrazeptiva Ulipristal-Acetat (Ellaone®) und Levonorgestrel (zum Beispiel Pidana®) aus der Rezeptpflicht ist nach den jüngsten Entscheidungen in Brüssel und Berlin nur noch eine Frage der Zeit. Wir haben schon jetzt die wichtigsten Punkte für die Beratung zusammengestellt.

Früher oder später wird sie kommen, die Rezeptfreiheit für die Pille danach, auch wenn das Bundesgesundheitsministe­rium sich zum genauen Zeitpunkt momentan noch bedeckt hält (lesen Sie dazu Notfallkontrazeptiva: Pille danach fällt aus der Rezeptpflicht). Unklar ist zurzeit auch, wie der geforderte Leitfaden »für eine qualitativ hochwertige Beratung« aussehen soll, dessen Inhalte und Umfang das Ministerium zusammen mit Frauenärzten, Apothekern und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin­produkte besprechen will. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) wird dann für die Bundesapothekerkammer eine Handlungsanweisung für das pharmazeutische Personal erarbeiten. »Eine Pflicht zur Dokumentation der Beratung soll es aber nicht geben«, sagte der AMK- Vorsitzende Professor Dr. Martin Schulz der Pharmazeutischen Zeitung.

 

Bis die entsprechenden Dokumente vorliegen, können sich Apotheker an einer Checkliste der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrino­logie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) und des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) orientieren (www.bvf.de/pdf/richtlinien/DIAG_Albring_Checkliste_31_07_2013.pdf). Adressat dieses 2013 in der Fachzeitschrift »Der Frauenarzt« erschienenen Leitfadens sind Ärzte anderer Disziplinen, die im Bereitschaftsdienst die Pille danach verordnen.

 

Je zeitiger, desto sicherer

 

Demnach lautet die erste und wichtigste Botschaft an die betroffene Frau: Für eine maximale Wirksamkeit sollte die Einnahme eines Notfallkontrazeptivums schnellstmöglich nach der Verhütungspanne erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass Levonorgestrel bis zu drei Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden muss, um schwangerschaftsverhütend zu wirken. Bei Ulipristal beträgt der mögliche Einnahmezeitraum fünf Tage. Beide Arzneistoffe entfalten ihre Wirkung, indem sie den Eisprung verschieben. Ulipristal vermag dies noch am Tag direkt vor dem Eisprung zu tun, Levonorgestrel ist am Tag vor der Ovulation nicht mehr wirksam.

Im Vorfeld gilt es, einige Dinge abzuklären. So muss eine bestehende oder vermutete Schwangerschaft ausgeschlossen werden, da beide Arzneistoffe in diesen Fällen kontraindiziert sind. Zudem ist von der Kundin in Erfahrung zu bringen, ob sie an chronischen Krankheiten, einer Allergie oder einer schweren Leberfunktionsstörung leidet. Eine Notfallkontrazeption wird nicht empfohlen für Frauen mit schwerem und durch orale Steroide nicht kontrollierbarem Asthma. Gleiches gilt für Patientinnen mit einer hereditären Galactose-Intoleranz, Lactase-Mangel oder Glucose-Galactose-Malabsorp­tion. Sie sollten die Präparate aufgrund des enthatenen Lactose-Monohydrats nicht einnehmen.

 

Bei übergewichtigen und adipösen Frauen ist vermutlich Ulipristal die bessere Wahl, da Levonorgestrel in klinischen Studien ab einem Körpergewicht von 75 kg nicht zuverlässig und ab 80 kg gar nicht mehr wirkte. So steht es nach wie vor in der Fachinformation von Pidana, obwohl die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Juli 2014 zu der Einschätzung kam, dass diese Einschränkung nicht gilt. BVF und DGGEF stellten seinerzeit allerdings die Qualität der Studien infrage, auf die die EMA sich berief. Im Zweifelsfall sollte bei schwereren Frauen eher Ulipristal empfohlen werden, dessen Wirkung erst ab einem Körpergewicht von 90 kg abnimmt. Handelt es sich bei der Kundin um eine stillende Mutter, soll ihr nach Anwendung von Ulipristal eine einwöchige Stillpause empfohlen werden, bei Levonorgestrel reichen acht Stunden Stillunterbrechung aus.

 

Auch potenzielle Wechselwirkungen muss der beratende Apotheker im Blick haben. So können Ulipristal und Levo­norgestrel miteinander interagieren und sollen deshalb nicht parallel angewandt werden. Darüber hinaus bestehen mit beiden Notfallkontrazeptiva unter anderem Interaktionen mit CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Efavirenz, Phosphenytoin, Nevirapin, Oxcarbazepin, Primidon, Rifabutin oder Johanniskraut. Diese Arzneistoffe können die schwangerschaftsverhütende Wirkung beeinträchtigen. Daher wird eine gleichzeitige Anwendung nicht empfohlen.

 

Die Einnahme von CYP3A4-Inhibitoren hat dagegen vermutlich keinen Einfluss auf die Wirkung der Notfallkontra­zeptiva. Allerdings kann Ritonavir, das CYP3A4 eigentlich hemmt, bei dauerhafter Anwendung induzierend auf das Enzym wirken und so ebenfalls den Plasmaspiegel von Ulipristal oder Levo­norgestrel verringern. Die Enzyminduktion durch Ritonavir kann noch zwei bis drei Wochen nach dem Absetzen anhalten. Daher ist in dieser Zeit Vorsicht geboten.

 

Wichtig ist auch, die Kundin über potenzielle Nebenwirkungen aufzuklären. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind Kopfschmerzen, Unwohlsein sowie Bauch- und Unterleibsschmerzen. Kommt es innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme zu Erbrechen, muss eine weitere Tablette eingenommen werden.

 

Keine Abbruchblutung

 

Ebenfalls beratungsrelevant ist der Hinweis, dass es unmittelbar nach der Anwendung von Notfallkontrazeptiva nicht zu einer Abbruchblutung kommt. Die nächste Monatsblutung tritt meist zum gewohnten Zeitpunkt ein, möglicherweise etwas verfrüht oder verspätet. Bis zur nächsten Menstruationsblutung muss zusätzlich mit Kondomen verhütet werden – auch wenn die Frau die Antibabypille einnimmt. Hintergrund ist, dass die Wirkung Gestagen-haltiger Arzneimittel beeinträchtigt sein kann, darunter auch die kontrazeptive Wirkung von hormonellen Kombinations- oder Monopräparaten.

 

BVF und DGGEF bezeichnen Ulipristal als den aktuellen Standard in der Notfallkontrazeption. Es verhindert eine Schwangerschaft zuverlässiger als Levonorgestrel, kann länger angewendet werden und wirkt auch bei übergewichtigen Frauen. Andererseits spricht für Levonorgestrel, dass es der ältere Arzneistoff ist, mit dem es schon mehr Erfahrungen gibt. Stiftung Warentest bewertet Levonorgestrel denn auch in einer aktuellen Mitteilung als geeignet, Ulipristal dagegen nur als mit Einschränkungen geeignet. Diese Abstufung basiert auf dem unterschied­lichen Evidenzgrad zum Fehlbildungsrisiko in Fällen, in denen eine Frau trotz Notfallkontrazeption schwanger wird. Dieses ist epidemiologischen Studien zufolge bei Levonorgestrel nicht gegeben, bei Ulipristal liegen hierzu nur äußerst wenige Daten vor. /

Die Abgabe ist Pflicht

Apotheker dürfen die Abgabe der Pille danach nicht aus Gewissensgründen verweigern. Eine detaillierte rechtliche Einschätzung hierzu lesen Sie in Verweigerung der Abgabe von Arzneimitteln aus Gewissensgründen, PZ 36/2013.

 

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