Mikrowellen gegen Metastasen |
10.01.2012 16:25 Uhr |
Von Elke Wolf / Die Therapie von Lungenmetastasen ist schwierig. Ein neues Behandlungsverfahren könnte jetzt die Überlebenschancen von Betroffenen verbessern. Dabei werden die Krebszellen mithilfe von Mikrowellen regelrecht verbrannt.
Die sogenannte Mikrowellenablation ist ein neues Verfahren, mit dem ein Team um den Frankfurter Radiologie-Professor Dr. Thomas Vogl Krebspatienten behandelt, bei denen sich Lungenmetastasen gebildet haben. Dazu wird unter lokaler Betäubung eine Sonde durch die Haut geführt, mit der Mikrowellen gezielt auf den Tumorherd geleitet werden. Die Bestrahlung dauert fünf bis zehn Minuten.
»Die Krebszellen werden bei 90 bis 100 Grad Celcius regelrecht verbrannt«, erklärte Vogl, der das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main leitet, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Mithilfe von Echtzeitbildern aus dem Computertomografen werde der Eingriff beobachtet und kontrolliert.
Narben bleiben zurück
»Wir verbrennen den Tumor und sicherheitshalber einen Raum von fünf Millimetern außenherum«, informierte Vogl. Das Verfahren habe extrem niedrige Komplikations- und Nebenwirkungsraten. Vogl: »Das umliegende Gewebe wird maximal geschont und bleibt unbehelligt. Das ist möglich, weil die Lunge ein relativ guter Isolator ist. Denn sie besteht aus einem Lungengerüst, dazwischen sitzen die Lungenbläschen.«
An der Stelle, an der die Mikrowellen auftreffen, wachse in der Regel nichts mehr nach. Der Radiologe verglich die entstehende Läsion mit einer Verbrennung der Haut, aus der sich nach erfolgter Wundheilung eine Verbrennungsnarbe entwickelt, die sich über die Jahre wieder zurückbildet.
Nach erfolgreicher Mikrowellentherapie haben Patienten eine vergleichbar hohe Überlebenschance wie Patienten, die mit herkömmlichen Therapieverfahren wie einer operativen Entfernung des tumorösen Gewebes, Chemo- oder Strahlentherapie behandelt wurden. Ein Vorteil ist, dass mit der Mikrowellenmethode viele Patienten behandelt werden können, die aufgrund ihres Alters oder einer schlechten Lungenfunktion nicht mehr operiert werden können.
Die klinische Anwendbarkeit der Mikrowellenablation bei Lungenmetastasen untersuchten Vogl und Kollegen in einer Studie, die sie im November 2011 im Fachblatt »Radiology« veröffentlichten (doi: 10.1148/radiol.11101643). Von den 80 Teilnehmern der Studie lebten nach einem Jahr noch mehr als 90 Prozent, nach zwei Jahren 75 Prozent.
Zwar ist das Mikrowellenverfahren prinzipiell für jede Art von Primärtumoren oder Metastasen in der Lunge geeignet. Doch »die Größe und die Lage des Tumorherdes sind für den Erfolg der Therapie entscheidend«, schränkte Vogl ein. »Patienten, die nicht profitieren konnten, hatten entweder zu große oder zu zentral gelegene Tumoren.«
Hohe Präzision ist ein Vorteil
Im Vergleich zu anderen in der Erprobung befindlichen minimalinvasiven Behandlungsverfahren wie der Laserbehandlung oder der Radiofrequenztherapie mit Strom sieht Vogl die Mikrowellenablation klar im Vorteil. »Der Laser hat zwar den Vorteil, dass man ihn gut steuern kann. Aber an der Lunge hat er sich nicht etabliert. Strom hat den Nachteil, dass er durch den Körper fließt und sich unterschiedlich verteilt. Mikrowellen bieten dagegen eine verlässliche Energie. Sie strahlen extrem präzise in das Gewebe ein.«
Darüber hinaus glauben die Frankfurter Forscher, dass durch die starke Hitze eine Art Immunisierung des Tumors erreicht wird. »Durch die Mikrowellen kommt es zu einer erhöhten Freisetzung und auch Denaturierung von Tumorantigenen. Die thermisch zerstörten Antigene werden dann von dendritischen Zellen phagozytiert, was eine Art Auto-Vakzinierung in Gang bringt. Der Körper wird dadurch selbst wieder in die Lage versetzt, Tumorzellen zu erkennen. Zumindest zeigen unsere Daten ein extrem langes Überleben, was bei fortgeschrittenen Tumoren eher ungewöhnlich ist.«
Schonendes Verfahren
Inwieweit stellt das Verfahren eine Verbesserung der Therapie dar? »Die Verbesserung ist die, dass man den Allgemeinzustand des Patienten maximal schont. Diese Behandlung reißt ihn nicht durch einen längeren Krankenhausaufenthalt aus seinem Leben heraus. Das Verfahren ist ambulant durchführbar und ermöglicht eine gute Lebensqualität ohne medizinische Einschränkungen. Und die Therapie geht schnell.«
Die Mikrowellen-Generatoren stehen derzeit in sechs deutschen Kliniken, die an ein Lungenzentrum angeschlossen sind, so etwa in München oder Berlin. »Die Therapie muss man in einem onkologischen Gesamtkonzept sehen. Befürworten die an der Betreuung des Patienten beteiligten Mediziner die Therapie, übernehmen die Krankenkassen die Kosten des Verfahrens«, sagte Vogl. /