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Apothekenmarkt

Marken, Märchen und Moneten

08.01.2007  13:49 Uhr

Apothekenmarkt

Marken, Märchen und Moneten

Von Thomas Bellartz

 

Das Presseecho wird zaghafter, die Kommentatoren kritischer: DocMorris hat in den vergangenen Monaten mehr und mehr von der Leichtigkeit des Rebellen, des smarten Robin Hood eingebüßt. Der Konzern bestätigt mit dem jüngsten Strategiewechsel, wie schlecht das Geschäft tatsächlich läuft.

 

Nicht wenige Wirtschaftsjournalisten finden, das deutsche Apothekenwesen gehöre abgeschafft; ausgetauscht gegen ein anderes, modernistischeres. Viele haben deswegen in den vergangenen Jahren DocMorris und den allgegenwärtigen Ralf Däinghaus in den Himmel geschrieben. In einer gerade veröffentlichten Ausgabe der Marketing- und Werber-Depesche »W&V« gehört Däinghaus einmal mehr zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Branche. Nur aus einem Grund: Er will das Apothekenmonopol aufbrechen. Doch entscheidend war die Randbemerkung, die sich ein findiges Redaktionsmitglied erlaubte: Es könne durchaus sein, dass Däinghaus am Ende nur der Wegbereiter sei für eine Liberalisierung ­ und von der werde er am Ende gar nicht profitieren.

 

Es hat allen Anschein, als ob Däinghaus diesen Text gelesen hat. Aus der Pharmaindustrie wird seit vielen Monaten kolportiert, das niederländische Unternehmen bleibe weit hinter den eigenen Erwartungen zurück. Und von der Industrie braucht DocMorris bessere Konditionen, um seine Geschäftspolitik aufrechterhalten zu können. Denn die ist mangels Masse ins Stocken gekommen - keine größere Mengenabnahme bedeutet für Däinghaus: schlechtere Konditionen. Abgesehen von punktuellen Medienmitteilungen, die immer wieder von Wachstum künden und mit süffisant lächelnden Gründer-Bildern garniert sind, aber Details schuldig bleiben, zeugt DocMorris »aktueller« Geschäftsbericht davon, was hinter den Kulissen gespielt wird.

 

Andere profitieren

 

Im Internet findet sich lediglich ein Geschäftsbericht aus dem Jahr 2004. Da waren nicht nur die Prognosen, sondern auch die Erwartungen rosiger als die dann folgenden Geschäftsjahre. Der Versandhändler, der angetreten ist, die deutsche Apothekenlandschaft durcheinanderzuwirbeln, ist nicht mehr als ein Vorreiter. Mehrere andere Versender nutzen die von Däinghaus immer wieder erzeugte Welle - und profitieren.

 

Bestes Beispiel ist Sanicare. Dessen Eigentümer Johannes Mönter nutzt gnadenlos die Kampagnen von DocMorris und profiliert sich parallel dazu. Seine Wachstumszahlen sind laut der jüngsten Veröffentlichung weitaus besser als die von DocMorris. Doch Sanicare hat einen gewaltigen Nachteil: Die eigene Marke ist kaum bekannt. Und hier liegt wiederum die Stärke von DocMorris. Seit Einstieg in den Markt im Jahr 2000 konnte das Unternehmen stark wachsen und für Wirbel sorgen.

 

Doch das ist Geschichte. Die jüngsten Daten aus dem Gesundheitsministerium sprechen Bände: Der Anteil des Versandhandels geht zurzeit stark zurück. Ein Trend, den Marktkenner vorausgesagt hatten. Die Umsätze steigen langsamer als prognostiziert, die Kapitalgeber von Däinghaus dürften bald die Geduld verlieren.

 

Und damit gibt es noch einen Wert, der nun vergrößert und später zu Kapital gemacht werden kann, Umsatz und Ertragssituation spielen dabei eine ungtergeordnete Rolle: Der Name DocMorris ist ein Wert an sich. Die meisten Deutschen kennen DocMorris, obwohl das Unternehmen in einem überschaubaren Markt agiert.

 

Doch solange Däinghaus im virtuellen Versandhandelsgeschäft unterwegs ist, kann die Marke nicht weiter aufgewertet werden. Für eine Politur fehlt dem Informatiker allerdings auch die kreative Gesamtleistung. Eine Vermarktung des Namens an Apotheken mag zwar gut möglich sein; reichhaltigen Ertrag wird das Unterfangen erst in Jahren bringen - und nur, falls das Fremdbesitzverbot fällt.

 

Däinghaus' Avancen ausgerechnet an die deutschen Apotheken zeugen nicht von kaufmänischer, kreativer oder rebellischer Gelassenheit, sie spiegeln auch seine Verzweiflung wider. Denn die Verpackung seines Geschäfts ändert noch nichts an der Leistungsfähigkeit von DocMorris. Mit Kampfpreisen bei OTC-Arzneimitteln mag kurzfristig das Geschäft einzelner Apotheken angekurbelt werden können. Ob allerdings aus einer kleinen Apotheke in 1b-Lage eine Platzhirschapotheke wird, bleibt abzuwarten. Will DocMorris eine Kooperation aufbauen - und auch die bereits am Markt existierenden Zusammenschlüsse, laufen alles andere als brillant - , braucht Däinghaus einen passenden Unterbau. Wer soll den stellen?

 

DocMorris schielt also darauf, den Markenwert durch mehr Aufmerksamkeit zu steigern. Doch fraglich ist, wer im Hintergrund profitieren soll. Die Marke DocMorris wird erst dann zu einem echten Wert, wenn der Apothekenmarkt durchgängig liberalisiert ist. Das kann noch Jahre dauern. Ein Risiko, das DocMorris nun allem Anschein eingeht, weil das Unternehmen keine Alternative hat. Die Probleme werden dadurch nicht gelöst. Selbst bei einem Erfolg dürfte Franchise dem Konzern beileibe nicht das Kapital wiederbeschaffen, das in den vergangenen Jahren zur Entwicklung der Marke und in der Hoffnung auf ein stetig steigendes Versandhandelsgeschäft, hinausgepulvert wurde. Mit Lizenzgebühren allein wird DocMorris nicht glücklich - und schon gar nicht danach lechzen werden die Großinvestoren, die Däinghaus ihr Geld gegeben haben.

 

Eigene Produktlinien

 

DocMorris braucht eine Diversifizierung. Der Apothekenmarkt allein reicht nicht aus, um Kapital zu generieren - insbesondere dann, wenn die Margen stark fallen. Und die Niederländer bewegen sich im Wettbewerb nicht nur mit anderen Kooperationen und mächtigen Großhändlern, sondern auch mit den großen Herstellern. Die rechnen damit, dass Däinghaus seine eigenen Produktlinien vermarkten will und auch auf diesem Weg zu Erträgen gelangen will. Das versuchen manche Kooperationen im Nebensortiment bereits mit geringem Erfolg. Der dauernde Konflikt zwischen DocMorris und den Apotheken, denen Däinghaus bislang ans Leder wollte und nun mit ins Nest holen will, wird sich ausweiten zu einem Konflikt mit Großhändlern und Herstellern.

 

Die Konkurrenz auf dem Markt, in den DocMorris nun einsteigt, ist nicht kleiner, sondern um ein Vielfaches größer. Profitieren wird er von der Kraft der Marke. Diese mit Leben und Qualität zu füllen wird die große Aufgabe für das tägliche Geschäft sein. Der Strategiewechsel macht DocMorris noch bekannter; aber auch angreifbarer. Der Liberalisierungsgott mischt sich unters Fußvolk - und wird einer der zahlreichen Berater dieser Branche.

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