Hilfe bei rastlosen Beinen |
08.01.2007 13:49 Uhr |
Hilfe bei rastlosen Beinen
Von Bettina Wick-Urban
Die Ursachen des Restless-Legs-Syndrom (RLS) sind noch weitestgehend unbekannt. Bei den meisten Patienten lindern jedoch dopaminerge Substanzen das unerträgliche Kribbeln in den Beinen, das vielen den Schlaf raubt. Zwei Dopaminagonisten aus der Parkinsontherapie sind kürzlich auch zur Behandlung von RLS zugelassen worden.
Bis 2006 stand Patienten mit RLS in Deutschland nur ein einziges Präparat, Levodopa plus Benserazid (Restex®), zur Verdügung, das in dieser Indikation zugelassen war. Vergangenes Jahr haben Pramipexol (Sifrol®, Boehringer Ingelheim) und Ropinirol (Adartrel®, GlaxoSmithKline) die Zulassungserweiterung zur Behandlung des mittelgradig bis schweren idiopathischen RLS erhalten. Beide Arzneistoffe sind D2/D3-Rezeptoragonisten, die Dopaminrezeptoren im Striatum stimulieren; ihr Wirkmechanismus bei RLS ist jedoch unbekannt (1, 2).
Bei beiden neuen Substanzen wird empfohlen, die Dosis schrittweise bis zur wirksamen Dosis zu erhöhen. Die Initialdosis für Pramipexol beträgt 0,125 mg (entspricht 0,088 mg Base) täglich zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen. Die Dosis kann in drei Schritten im Abstand von vier bis sieben Tagen bis zur Maximaldosis von 0,75 mg gesteigert werden. Die Startdosis für Ropinirol beträgt 0,25 mg täglich bis zu drei Stunden vor dem Schlafengehen. Wird diese Dosis in den ersten zwei Tagen gut vertragen, sollte die Dosis auf 0,5 mg gesteigert werden. Danach kann die Dosis in 0,5-mg-Schritten wöchentlich bis auf 4 mg erhöht werden (5, 7).
Ropinirol verbessert Symptome
Ropinirol wurde in vier zulassungsrelevanten Studien an über tausend Patienten getestet. Eingeschlossen in die doppelblinden, placebokontrollierten Studien wurden Patienten zwischen 18 und 79 Jahren, die einen Wert von fünfzehn oder höher auf der Internationalen-Restless-Leg-Syndrom-Skala (IRLS) aufwiesen (siehe Kasten). Ropinirol wurde über zwölf Wochen in Dosierungen von 0,25 bis 4 mg getestet. Die Substanz wurde dabei auftitriert; die durchschnittliche Dosis lag bei circa 2 mg. Der primäre Studienendpunkt war die durchschnittliche Veränderung des Wertes auf der IRLS-Skala nach zwölf Wochen im Vergleich zu Placebo. Als sekundäre Studienendpunkte dienten die Veränderung des IRLS-Wertes nach einer Woche sowie der Anteil der Patienten, deren Symptome nach einer beziehungsweise zwölf Wochen mithilfe der »Clinical Global Impression - Global Improvement-Skala« (CGI-I) als »sehr stark verbessert« oder »stark verbessert« beurteilt werden konnten.
Die International-Restless-Legs-Syndrome-Skala (IRLS) und die »Clinical Global Impression - Global Improvement-Skala« (CGI-I) werden bei RLS eingesetzt, um die Wirksamkeit eines Arzneistoffs zu bestimmen. Bei der IRLS-Skala handelt es sich um einen Patientenfragebogen, der von der International-Restless-Leg-Syndrome-Studiengruppe entwickelt und validiert wurde. Der Fragebogen umfasst zehn Fragen, die Rückschlüsse auf den Schweregrad der Erkrankung geben und eine Einschätzung erlauben, wie stark RLS das Leben des Betroffenen beeinträchtigt. Mithilfe einer vierteiligen Skala von null (kein Problem) bis vier (sehr schwerwiegendes Problem) beurteilt der Patient sein momentanes Befinden. Das heißt der maximal erreichbare Gesamtwert beträgt vierzig (3).
Die CGI-I-Skala hilft dem behandelnden Arzt einzuschätzen, wie stark die Erkrankung sich im Vergleich zum Behandlungsbeginn verbessert oder verschlechtert hat. Hierbei verwendet er eine neunteilige Bewertungsskala von »sehr stark verbessert« bis »sehr stark verschlechtert« (4).
In einer kombinierten Analyse der vier Studien betrug die adjustierte Differenz des IRLS-Wertes minus 4 Punkte (p < 0,0001) nach zwölf Wochen. Dabei lagen die durchschnittlichen IRLS-Werte zu Studienbeginn beziehungsweise nach zwölf Wochen bei 28,4 und 13,5 für Ropinirol sowie 28,2 und 17,4 für Placebo. Signifikant mehr Patienten unter Ropinirol als unter Placebo zeigten nach zwölf Wochen eine sehr starke beziehungsweise starke Verbesserung auf der CGI-I-Skala. Die Unterschiede zwischen den Studienarmen waren bereits nach einer Woche bei beiden Tests signifikant.
Therapie erleichtert Schlaf
Viele RLS-Patienten leiden aufgrund der Beschwerden in den Beinen unter Schlafstörungen. In den Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten unter Ropinirol nach zwölf Wochen signifikant weniger Schlafstörungen hatten, die durchschnittliche Schlafdauer zunahm und die Schläfrigkeit während des Tages abnahm (5).
In einer doppelblinden, placebokontrollierten Polysomnographie-Studie mit 65 Patienten hatten Patienten im Verumarm nach zwölf Wochen signifikant weniger periodische Beinbewegungen pro Stunde als in der Placebogruppe. Die adjustierte Differenz betrug minus 27,2 (p < 0,0001). Auch konnten die Patienten besser einschlafen. Im Schlaflabor wurde bei den Patienten zusätzlich zu einem Schlaf-Elektroenzephalogramm ein Elektromyogramm abgeleitet, welches die Beinbewegungen erfasste (6).
Die häufigsten Nebenwirkungen, die in den Studien beobachtet wurden, waren Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Müdigkeit.
Pramipexol in Studien erfolgreich
Die Wirksamkeit von Pramipexol wurde ebenfalls an circa 1000 Patienten im Alter zwischen 18 und 80 Jahren mit mittelgradigem bis schwerem RLS evaluiert. Die primären Studienendpunkte der vier zulassungsrelevanten Studien waren die durchschnittlichen Veränderungen der IRLS- und CGI-I-Werte nach zwölf Wochen im Vergleich zum Studienbeginn. Einen statistisch signifikanten Unterschied zu Placebo konnte bei allen getesteten Dosierungen (0,25, 0,5 und 0,75 mg) gezeigt werden. Nach zwölf Wochen Behandlung verbesserte sich der IRLS-Wert unter Placebo von 23,5 auf 14,1 und von 23,4 auf 9,4 unter Pramipexol. Die adjustierte durchschnittliche Differenz betrug minus 4,3 Punkte (p < 0,0001). 72 Prozent der Verum- und 51,2 Prozent der Placebogruppe wiesen gemäß der CGI-I-Skala eine sehr starke beziehungsweise starke Verbesserung ihrer Symptome (p < 0,0005) auf (7).
In einer dreiwöchigen, placebokontrollierten Polysomnographie-Studie an 109 Patienten reduzierte Pramipexol in allen getesteten Dosierungen (0,125; 0,25; 0,5; 0,75 mg) signifikant die periodischen Beinbewegungen während der Zeit, die der Patient im Bett verbrachte (p < 0,0001) (8).
Die häufigsten Nebenwirkungen in den Studien waren Übelkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen.
Weitere Langzeitdaten notwendig
Zum Zeitpunkt der Zulassung lagen für beide Substanzen noch keine ausreichenden Langzeitdaten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit vor. Daher sollte der behandelnde Arzt nach drei Monaten überprüfen, ob die Substanz noch wirksam ist und eine Weiterbehandlung angezeigt ist.
Für Pramipexol liegen die Daten aus einer unverblindeten Studie vor, bei der Patienten, die zuvor eine der doppelblinden, randomisierten Studien abgeschlossen hatten, die Substanz über 52 Wochen erhielten. Primärer Studienendpunkt war die Langzeitverträglichkeit, weiterhin wurde auch die Wirksamkeit nach 52 Wochen evaluiert. Von den 310 Patienten, die in die Studie eingeschlossen wurden, beendeten 251 (81 Prozent) die Studie. Bei 8,4 Prozent der Patienten führten Nebenwirkungen zu einem vorzeitigen Studienabbruch, 3,5 Prozent brachen aufgrund mangelnder Wirksamkeit ab (10).
In einer nicht randomisierten Kohortenstudie mit 195 RLS-Patienten, die länger als zwölf Monate Pramipexol erhielten, beendeten 22 Prozent die Behandlung vorzeitig. Die häufigsten Gründe für den Abbruch waren das Auftreten von Nebenwirkungen oder mangelnde Wirksamkeit (11).
Zusätzliche Therapieoptionen bei RLS
Mit Pramipexol und Ropinirol sind zwei weitere Arzneistoffe für die Behandlung des RLS zugelassen worden. Die Studienergebnisse lassen auf eine vergleichbare Wirksamkeit schließen. Auch das Nebenwirkungsprofil ist in Bezug auf Art und Häufigkeit der beschriebenen unerwünschten Wirkungen ähnlich. In den klinischen Studien traten unter Ropinirol mehr Fälle von plötzlichem Einschlafen während des Tages auf als unter Pramipexol (siehe Kasten). Eine endgültige Bewertung, ob dieses Phänomen unter Ropinirol vermehrt auftritt, kann jedoch erst vorgenommen werden, wenn Praxisdaten von einem größeren Patientenkollektiv vorliegen. Ergebnisse von direkten Vergleichsstudien der beiden Studien oder Vergleichstudien mit der bisher in Deutschland zugelassenen Substanz Levodopa liegen noch nicht vor.
In seltenen Fällen berichteten Patienten während der Studien über eine übermäßige Schläfrigkeit während des Tages oder sogar über ein plötzliches Einschlafen. In den Ropinirolstudien betrug die Inzidenz 0,1 Prozent, während in den Pramipexolstudien weniger als 0,01 Prozent dieser Fälle auftraten. Patienten, die die beiden Substanzen verordnet bekommen, sollten auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, dass diese Nebenwirkungen auftreten können. Vorsicht ist vor allem beim Autofahren und dem Bedienen von Maschinen geboten (5, 7).
Dopaminerge Substanzen wie Levodopa können bei RLS eine sogenannte Augmentation der Symptome hervorrufen. Darunter versteht man das Verschieben des Beginns der Symptome in die Abend- oder sogar Nachmittagstunden. Weiterhin können sich die Symptome verstärken oder sich auf die Arme ausbreiten. Tritt dieses Phänomen während der Behandlung mit Pramipexol oder Ropinirol auf, ist eine Verringerung der Dosis oder ein Abbruch der Therapie angezeigt. Um das Ausmaß dieses Effektes bei den neuen Substanzen abschätzen zu können, müssen die Praxisdaten abgewartet werden (5, 7, 9).
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N. N., Scrip 3210 (2006) 22.
Pressemitteilung GSK, 26. Juni 2006
The International Restless Legs Syndrome Study Group, Sleep Me 4 (2003) 121-32.
National Institute of Mental Health. CGI: Clinical Global Impressions. In: Guy W, Bonato RR, eds. Manual for the ECDEU Assessment Battery.2. Rev ed. Chevy Chase, Md: National Institute of Mental Health; 1970:12-1-12-6.
SPC Ropinirole, www.emea.eu.int.
Allen, R., et al., Sleep 27, 5 (2004) 907-914.
SPC Pramipexole, www.emea.eu.int
Partinen, M., et al., Sleep Med 7, 5 (2006) 407-417.
Fachinformation Restex®, Stand: Juni 2006.
Dreykluft, T., et al., Mov Disord 19, Suppl 9 (2004) 430.
Montplaisir, J., et al., Eur J Neurol 13, 12 (2006) 1306-1311.