Arzneimittelfälscher nutzen Corona-Pandemie |
Glücklicherweise gelingt es trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, die Fälschungen aus Kamerun und Kongo nach Tübingen zu schicken, wo sie sofort von den Apothekerinnen Gesa Gnegel und Cathrin Hauk untersucht werden, die beide im Rahmen ihrer Doktorarbeit über Arzneimittel in Afrika forschen.
Die Tübinger Apothekerin Gesa Gnegel bildet afrikanische kirchliche Mitarbeiterinnen in der in der Arzneimitteluntersuchung mit dem Minilab aus. / Foto: Uni Tübingen/Lutz Heide
Die Analyse nach offiziellen Vorschriften für die Arzneimitteluntersuchung, mit Hilfe der empfindlichen Hochdruck-Flüssigchromatographie (HPLC), bestätigt die Beobachtung von Fidelis Nyaah, dass eine der Fälschungen weniger als ein Viertel der behaupteten Wirkstoffmenge enthält – zu wenig, um den Patienten zu heilen, aber leider geeignet, um die Entwicklung von Chloroquin-resistenten Malariaerregern zu begünstigen.
In der Fälschung, in der Fidelis Nyaah einen weiteren Stoff erkennen konnte, finden die Tübinger Pharmazeutinnen kein Chloroquin, aber das Schmerzmittel Paracetamol. In dem gefälschten Präparat aus dem Kongo hingegen finden sie statt Chloroquin eine andere, zunächst unbekannte Substanz, und in geringerer Menge findet sich diese Substanz auch in den beiden weiteren Fälschungen aus Kamerun.
Die Identifizierung dieser unbekannten Substanz gelingt dann Dr. Dorothee Wistuba aus dem Institut für Organische Chemie der Universität Tübingen, eine Spezialistin für die sogenannte hochauflösende Massenspektrometrie. Es handelt sich um das Antibiotikum Metronidazol. Dieser Arzneistoff ist sehr bitter, und die Fälscher haben ihn wahrscheinlich benutzt, um den bitteren Geschmack des Chloroquins nachzuahmen. Im Vergleich zu üblichen Metronidazol-Tabletten enthalten die Fälschungen aber nur geringe Mengen des Antibiotikums und bergen damit die Gefahr, die Entstehung von Antibiotika-resistenten Krankheitskeimen zu begünstigen.
Die von Fidelis Nyaah und seinen Kollegen entdeckten Fälschungen enthalten also wenig oder gar kein Chloroquin, aber dafür andere Wirkstoffe mit ihren jeweils eigenen Risiken und Nebenwirkungen. Da diese Wirkstoffe nicht genannt werden, kann weder der Arzt noch der Patient von diesen Gefahren wissen: dies ist eine der gefährlichsten Formen der Arzneimittelfälschung.
Die Tübinger Pharmazeuten und ihre afrikanischen Kollegen benachrichtigen die nationalen Behörden in Kamerun und im Kongo und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO veröffentlicht sofort eine internationale Warnmeldung mit Fotos der gefälschten Arzneimittel. Zudem veröffentlichen die beteiligten Wissenschaftler ihre Ergebnisse Mitte Mai in dem Fachjournal »American Journal of Tropical Medicine & Hygiene«, das diesen Bericht einschließlich der detaillierten Beschreibung der Analysenergebnisse rasch im Internet verfügbar macht.
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