Arzneidrogen bei Schmerzen |
Bei Schmerzen im unteren Rückenbereich können Zubereitungen der Arzneidrogen Cayennepfeffer und Weidenrinde angewendet werden. Beide haben vom HMPC den Well-established-Use-Status erhalten. / Foto: Shutterstock/TB studio
Für die Indikation »Schmerzen im unteren Rückenbereich« können Zubereitungen sowohl von Cayennepfeffer als auch von Weidenrinde angewendet werden. Pfefferminzöl wird hingegen bei leichten Spannungskopfschmerzen eingesetzt. Während die Weidenrinde oral appliziert wird, sind Cayennepfeffer und Pfefferminzöl ausschließlich topisch anzuwenden. Für alle drei Drogen gilt, dass sie für Jugendliche unter 18 Jahren nicht vorgesehen sind. Bei der Salicylat-haltigen Weidenrinde besteht sonst das Risiko eines Reye-Syndroms.
Cayennepfeffer-haltige medizinische Pflaster oder halbfeste Darreichungsformen zur kutanen Anwendung können bis zur Schmerzfreiheit, falls nötig bis zu drei Wochen angewendet werden. Danach muss die Therapie für zwei Wochen ausgesetzt werden. Sollten die Symptome während der Anwendung anhalten, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Nach der Applikation der Creme oder des Pflasters müssen die Hände gründlich mit Wasser und Seife gewaschen werden. Geschädigte Haut, Wunden und Ekzeme dürfen nicht behandelt werden und die Creme / das Pflaster sollten nicht in der Nähe von Augen und Schleimhäuten aufgebracht werden.
Droge | Definition | Stammpflanze | Familie | Monographie |
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Cayennepfeffer Ph.Eur. (Capsici fructus) | Getrocknete, reife Früchte | Capsicum annuum L. var. minimum (Miller) Heiser und kleinfruchtige Varietäten von Capsicum frutescens L. | Nachtschattengewächse (Solanaceae) | EMA/HMPC/674139/2013 vom 5. Mai 2015 |
Weidenrinde Ph.Eur. (Salicis cortex) | Ganze oder zerkleinerte, getrocknete Rinde junger Zweige oder die ganzen, getrockneten Stücke der Jahrestriebe verschiedener Arten der Gattung Salix | z.B. Salix purpurea L., Salix daphnoides Vill. und Salix fragilis L. | Weidengewächse (Salicaceae) | EMA/HMPC/80630/2016 – Korrektur vom 31. Januar 2017 |
Pfefferminzöl Ph.Eur. (Menthae piperitae aetheroleum) | Das aus den frischen oberirdischen Teilen durch Wasserdampfdestillation gewonnene ätherische Öl | Mentha x piperita L. | Lippenblütler (Lamiaceae) | EMEA/HMPC/349466/2006 vom 31. Oktober 2007, Revisions-Entwurf: EMA/HMPC/522410/2013 vom 15. Mai 2019 |
Das im Cayennepfeffer enthaltene Capsaicin wird zu einem gewissen Teil perkutan resorbiert, die systemische Bioverfügbarkeit lag in Tierstudien bei 27 bis 34 Prozent. Capsaicin erhöht lokal die Durchblutung und führt zu einer Hautrötung und einem Gefühl der Wärme. In seltenen Fällen kann es zu einer Überempfindlichkeit und allergischen Reaktionen (zum Beispiel Urtikaria, Blasenbildung an der Applikationsstelle) kommen. Dann sollte die Behandlung sofort beendet werden. Vor allem an den ersten Tagen der Therapie können lokal Brennen, Stechen oder Juckreiz auftreten. Aufgrund der lokalen Wärmeentwicklung ist auf zusätzliche Wärmequellen wie Sonnen- und Infrarotstrahlen, warmes Wasser oder Wärme-Pads, aber auch auf eine schweißtreibende körperliche Aktivität sowie eine gleichzeitige Anwendung topischer, durchblutungsfördernder Produkte zu verzichten.
Zubereitungen der Stammpflanze Capsicum annum L. dürfen ausschließlich topisch angewendet werden. / Foto: Getty Images/Mumemories
Das Wärmegefühl kommt durch die Interaktion von Capsaicin mit dem Wärmerezeptor TRPV1 (Transient Receptor Potential Cation Channel Subfamily V Member 1) zustande und führt zunächst zu einer Depolarisation der Neuronen und zur vermehrten Ausschüttung des Neurotransmitters Substanz P. Anschließend kommt es zu einer Desensibilisierungsreaktion mit antinozizeptivem Effekt, der Stunden bis Wochen andauern kann.
Da Capsaicin Plazenta-gängig ist und auch in die Muttermilch gelangen kann, könnte es Nervenschädigungen beim Fetus verursachen. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollten deshalb Capsaicin-haltige Produkte nur nach einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung verwendet werden.
Für den Well-established-Use-Status relevante Studien sind (Auswahl):
Die arzneibuchkonforme Droge enthält mindestens 1,5 Prozent Gesamtsalicyl-Derivate, berechnet als Salicin. Die in der Weidenrinde enthaltenen Salicylglykoside bilden nach der Hydrolyse Salicin, das zu Saligenin (Salicylalkohol) und Glucose metabolisiert wird. Saligenin wird im Blut und vor allem in der Leber zu Salicylsäure oxidiert. Salicin und andere Salicylglycoside wirken antipyretisch, analgetisch, antirheumatisch und antiphlogistisch.
Salicis cortex gewinnt man aus der Rinde von zwei- bis dreijährigen Zweigen verschiedener Weidenarten. / Foto: Adobe Stock/Heike Rau
Zubereitungen aus Weidenrinde sollen nicht länger als vier Wochen eingenommen werden. Falls sich die Symptome nicht innerhalb der ersten Anwendungswoche bessern, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Da Salicylate die Plazenta überwinden und auch in die Muttermilch gelangen, wird die Anwendung von Weidenrinden-Extrakten während der ersten sechs Monate der Schwangerschaft und der Stillzeit nicht empfohlen. Im dritten Schwangerschaftstrimenon sowie bei aktiven Magengeschwüren, Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, schwerer Leber- oder Nierendysfunktion, Blutgerinnungsstörungen und Asthma aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen Salicylate darf Weidenrinde nicht eingenommen werden. Als unerwünschte Wirkungen können allergische Reaktionen wie Hautausschlag, Juckreiz, Urtikaria, Asthma, Exantheme und gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Dyspepsie und Sodbrennen auftreten. Auch wenn Zubereitungen aus Weidenrinde die Thrombozytenaggregation wesentlich weniger beeinflussen als Acetylsalicylsäure, kann die Wirkung gleichzeitig angewendeter Antikoagulanzien wie Cumarinderivate verstärkt werden. Ohne ärztlichen Rat sollten keine weiteren Salicylat-haltigen Zubereitungen oder nicht steroidalen Antirheumatika eingenommen werden.
Für den Well-established-Use-Status relevante Studien sind (Auswahl):
Für die Anwendung von Pfefferminzöl bei leichtem Spannungskopfschmerz ist zusätzlich zur veröffentlichten HMPC-Monographie aus dem Jahr 2007 seit 2019 auch ein Entwurf für eine erste Revision der Monographie verfügbar. In der Revision wird die empfohlene Anwendung konkretisiert: Die Behandlung mit Pfefferminzöl (10 Prozent in Ethanol) besteht aus einer Anwendung, die zweimal im Abstand von 15 Minuten wiederholt werden kann. Mit dem Öl soll die Haut der Stirn und Schläfe eingerieben werden und pro Tag nur eine Behandlung durchgeführt werden.
Das ätherische Öl wird aus den frischen oberirdischen Teilen der Stammpflanze Mentha x piperita L. durch Wasserdampfdestillation gewonnen. / Foto: Shutterstock/Antonova Anna
Die topische Applikation von Pfefferminzöl erzeugt durch die Stimulierung kälteempfindlicher Rezeptoren ein anhaltendes Kältegefühl an der Anwendungsstelle, wodurch eine schmerzstillende Wirkung erzielt wird. Für den Fall, dass die Symptome während der Therapie weiter bestehen oder sich verschlechtern, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Nach der Anwendung sind die Hände gründlich zu waschen und der Kontakt mit den Augen ist zu vermeiden. Bei der Therapie können Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautausschlag, Kontaktdermatitis und Augenreizung auftreten, die allerdings meist mild verlaufen und vorübergehend sind. Da entsprechende Daten zur Sicherheit fehlen, wird schwangeren und stillenden Frauen von einer Anwendung abgeraten.
Für den Well-established-Use-Status relevante Studien (Auswahl) sind:
Droge | Zubereitung | Dosierung |
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Cayennepfeffer Ph.Eur. (Capsici fructus) | Spissumextrakt DEV 4 bis 7:1, Extraktionsmittel 80 Prozent V/V Ethanol, eingestellt auf 2,0 bis 2,78 Prozent Gesamt-Capsaicinoide | 1 medizinisches Pflaster mit 22 oder 35 mg/cm2 Capsaicin pro Tag für 4 bis 12 Stunden auf der betroffenen Stelle, mit mindestens 12 Stunden Pause zwischen den Anwendungen. Zwei- bis viermal täglich halbfeste Zubereitung mit 40 bis 53 mg Capsaicin pro 100 g dünn auf die betroffene Stelle auftragen |
Cayennepfeffer Ph.Eur. (Capsici fructus) | Spissumextrakt DEV 1,5 bis 2,5:1, Extraktionsmittel 96 Prozent V/V Ethanol | Zwei- bis viermal täglich halbfeste Zubereitung mit 40 bis 53 mg Capsaicin pro 100 g dünn auf die betroffene Stelle auftragen |
Cayennepfeffer Ph.Eur. (Capsici fructus) | Spissumextrakt DEV 11 bis 30:1, Extraktionsmittel Isopropanol | Zwei- bis viermal täglich halbfeste Zubereitung mit 40 bis 53 mg Capsaicin pro 100 g dünn auf die betroffene Stelle auftragen |
Weidenrinde Ph.Eur. (Salicis cortex) | Trockenextrakt DEV 8 bis 14:1, Extraktionsmittel 70 Prozent V/V Ethanol, 15 Prozent Gesamtsalicin | Einzeldosis: bis zu zweimal täglich 393 bis 786 mg, Tagesdosis: 392 bis 1572 mg |
Pfefferminzöl Ph.Eur. (Menthae piperitae aetheroleum) | Ätherisches Öl | Einmal täglich bis zu dreimal in 15 min Abstand, 10 Prozent in Ethanol in flüssigen oder halbfesten Zubereitungen, an Stirn und Schläfen einreiben |
In Tabelle 3 findet sich eine Auswahl an Phytopharmaka mit Cayennepfefferextrakten, die auf dem deutschen Markt verfügbar sind (gemäß ABDA-Datenbank). Sie sind oft unabhängig von der HMPC-Monographie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen beziehungsweise nachzugelassen oder registriert.
Präparat | Extrakt-Charakteristika | Dosierung | |
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ABC Lokale Schmerz-Therapie Wärme-Creme 750 µg/g | – | Dreimal täglich 1 bis 2 g Creme auf die betroffene Stelle auftragen und gut einreiben | Zul.-Nr. 54141.00.00 |
Rheumamed Schmerzsalbe Capsicum | Extrakt DEV 1,5 bis 2,5:1, 96 Prozent V/V Ethanol | Viermal täglich Salbe dünn auf die betroffene Stelle auftragen | Zul.-Nr. 6587181.00.00 |
ABC Lokale Schmerz-Therapie Wärme-Pflaster Capsicum 11 mg | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Einmal täglich 22 x 14 cm mit 395,4 bis 551,7 mg Extrakt entsprechend 11,0 mg Capsaicinoide, 4 bis 12 Stunden aufkleben | Zul.-Nr. 44827.00.00 |
ABC Wärme-Pflaster Rheumaplast 4,8 mg Hansaplast med | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Einmal täglich 18 x 12 cm mit 112 bis 167 mg Extrakt entsprechend 4,8 mg Capsaicinoide, 4 bis 8 Stunden aufkleben | Zul.-Nr. 56709.00.00 |
Rheumaplast 4,8 mg Wirkstoffhaltiges Pflaster | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Einmal täglich 18 x 12 cm mit 112 bis 167 mg Extrakt, 4 bis 8 Stunden aufkleben | Zul.-Nr. 56709.00.00 |
Thermo Bürger | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Bis zu viermal täglich Salbe dünn auf die betroffene Stelle auftragen | Zul.-Nr. 6231113.00.00 |
Capsagamma Dolor 0,05 % | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Dreimal täglich 2 cm Creme-Strang mit 1,1 mg Capsaicinoide auf die betroffene Stelle auftragen und gut einreiben | Zul.-Nr. 66395.00.00 |
Cayanol | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Dreimal täglich 2 cm Creme-Strang mit 1,1 mg Capsaicinoide auf die betroffene Stelle auftragen und gut einreiben | Zul.-Nr. 57940.00.00 |
Finalgon CPD Wärmecreme | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Dreimal täglich 2 cm Creme-Strang mit 1,1 mg Capsaicinoide auf die betroffene Stelle auftragen und gut einreiben | Zul.-Nr. 57942.00.00 |
Hot Thermo dura C | Dickextrakt DEV 4 bis 7:1, 80 Prozent V/V Ethanol | Dreimal täglich 2 cm Creme-Strang mit 1,1 mg Capsaicinoide auf die betroffene Stelle auftragen und gut einreiben | Zul.-Nr. 7941.00.00 |
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