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Nach gesicherter Leukämiediagnose stehen mehrere therapeutische Ansätze zur Verfügung. Die Behandlung kann sowohl nach einem festgelegten Therapieschema als auch in Studien zur Therapieoptimierung erfolgen. Ziel von Studien ist es, die Toxizität durch Dosisreduktion der Chemotherapie zu minimieren oder den Therapieerfolg zu maximieren, zum Beispiel durch Hinzunahme eines bispezifischen Antikörpers wie Blinatumomab.
Zur Behandlung der Leukämien werden grundsätzlich zahlreiche Methoden, darunter patientenindividuelle Chemotherapie, Strahlentherapie sowie die Stammzelltransplantation, eingesetzt (1). Eine Stammzelltransplantation wird bei einer AML bereits während der ersten Behandlungsphase in Erwägung gezogen, allerdings nur, wenn durch die intensive Chemotherapie keine ausreichende Wirkung erzielt werden kann. Bei einer ALL hingegen kommt diese Therapieform oftmals erst bei einem Rückfall infrage.
Die Therapie der ALL bei Kindern erfolgt zum Beispiel an der Universitätsmedizin Frankfurt am Main nach dem Behandlungsprotokoll der AIEOP-BFM-ALL-Studie als »Standard of Care« (Abbildung 1, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Stand 7. Juli 2025). Dieses und weitere Therapieprotokolle, beispielsweise CoALL oder ALLTogether1, sind deutschlandweit etabliert. Nur in seltenen Fällen, beispielsweise bei ausgeprägter Toxizität oder allergischen Reaktionen, weichen Ärzte von diesen Therapieschemata ab.
Abbildung 1: Therapieüberblick für eine Form der ALL nach dem AIEOP-BFM-ALL-Studienprotokoll (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Stand 7. Juli 2025); DNX-FLA: Daunorubicin, Fludarabin, Hochdosis-Cytarabin, HR: Hochrisiko / © PZ/Stephan Spitzer
Zur Festlegung des Behandlungsplans erfolgt laut AIEOP-BFM-ALL-Studie am Tag 33 nach Therapiestart eine Risikostratifizierung anhand des minimalen Resterkrankungsanteils (MRD). Ein MRD-Wert unter 10 Prozent wird als Standardrisiko (SR) eingestuft, während höhere Werte auf eine Hochrisiko-ALL (HR) hinweisen.
Die Behandlung einer ALL beginnt zunächst für alle Patienten mit einer Vorphase, in der sie in der Regel mit der Einnahme von Prednison und einer intrathekalen Methotrexat-(MTX-)Gabe starten. Darauf folgen die Induktionsphase (Protokoll IA/B), eine Konsolidierungsphase, die Extrakompartmenttherapie (Protokoll M) sowie die Reinduktionsphase (Protokoll II/III), deren Dauer je nach Risikoklassifikation stark variiert (Abbildung 1).
In der Induktionsphase kommen vor allem Vincristin, Daunorubicin, Prednison sowie Pegasparaginase zum Einsatz, um die Leukämiezellen möglichst rasch und effektiv zu reduzieren. Während der Konsolidierungsphase liegt der Schwerpunkt der Medikation auf einer Kombination aus Cytarabin, 6-Mercaptopurin und Cyclophosphamid. Die Extrakompartmenttherapie (auch als Protokoll M bezeichnet) richtet sich gezielt auf leukämische Zellen außerhalb des Knochenmarks. Hier wird vor allem MTX verabreicht. In der abschließenden Reinduktionsphase werden erneut intensive Zytostatika verabreicht, unter anderem Vincristin, Doxorubicin, Dexamethason, Cyclophosphamid, Pegasparaginase sowie Cytarabin, um einen Rückfall zu verhindern und die Erkrankung langfristig zu kontrollieren.
Bei Hochrisiko-(HR-)Patienten werden meist zusätzlich intensivierte Therapieblöcke, die sogenannten HR-Blöcke, nach der Konsolidierung und vor der Reinduktionsphase verabreicht. Hier werden nicht nur viele der bereits genannten Arzneistoffe eingesetzt, sondern zusätzlich noch Ifosfamid und Etoposid. Der Einsatz von Blinatumomab erfolgt aktuell häufig in zwei Zyklen über 28 Tage, in der Regel vor Protokoll II bei einem niedrigen Rückfallrisiko und vor beziehungsweise nach den HR-Blöcken bei einem hohen Rückfallrisiko. Abschließend erfolgt die Erhaltungstherapie (5).
Eine Stammzelltransplantation wird bei Patienten mit AML bereits in der ersten Behandlungsphase erwogen. Im Bild eine Stammzellspenden-Aktion in der Polizeischule Duisburg 2019. / © Imago/Funke Foto Services
Im August 2018 wurde das Therapiespektrum durch die EMA-Zulassung von Kymriah® in Europa um eine Immuntherapie mit gentechnisch veränderten T-Zellen (Chimäre-Antigen-Rezeptor-T-Zelltherapie: CAR-T-Zelltherapie) erweitert. Es ist das einzige Präparat zur CAR-T-Zelltherapie, das für Kinder zugelassen ist (6). Es bietet eine weitere Option für Patienten unter 18 Jahren, bei denen vorhergehende Arzneitherapien keinen Erfolg erzielt haben, kein kompatibler Spender für eine Stammzelltransplantation gefunden wird oder eine refraktäre ALL bei mehrfachem Rezidiv vorliegt.
Im Mittelpunkt der pharmazeutischen Betreuung stehen unter anderem Arzneistoffe wie Glucocorticoide, Cytarabin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Pegasparaginase, Vincristin und Doxorubicin. Diese gehören zu den Hauptverursachern häufiger Nebenwirkungen wie Fieber, Schleimhautentzündungen (Mukositis), Unterdrückung der Knochenmarksfunktion (Knochenmarkssuppression) sowie allergischen Reaktionen.
Der intensive Behandlungsabschnitt dauert ungefähr sechs Monate und erfordert zahlreiche stationäre Aufenthalte in der Klinik. Zwischen den Chemotherapie-Zyklen, manchmal sogar zwischen einzelnen Gaben, sind Erholungspausen zu Hause möglich, sofern keine Komplikationen wie Fieber oder Infektionen auftreten.
Während der weniger intensiven Erhaltungstherapie, die etwa eineinhalb Jahre dauert, kann der Patient ebenfalls zu Hause leben. Dennoch muss er regelmäßig die Tagesklinik oder Ambulanz für Blutbilduntersuchungen aufsuchen (5).