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Leukämie im Kindesalter

Apotheker als Berater und Begleiter

Stationsapotheker sind heute ein fester Bestandteil des klinischen Alltags. Sie sorgen an vielen Stellen für mehr Arzneimitteltherapiesicherheit. Besonders vielfältig sind ihre Aufgaben in der stationären und ambulanten Betreuung von Leukämie-kranken Kindern und ihren Angehörigen.
AutorKontaktMaureen Christina Strauß
Datum 24.08.2025  08:00 Uhr

In der pädiatrischen Onkologie der Universitätsmedizin Frankfurt am Main gehören Stationsapotheker unverzichtbar zum interprofessionellen Behandlungsteam. Ihre Aufgaben umfassen weit mehr als das reine Medikamentenmanagement. Sie tragen Verantwortung für die Sicherheit der onkologischen Arzneimitteltherapie, beraten Ärzte, Pflegepersonal und Patienten und sichern die Arzneimitteltherapie an der Schnittstelle zur ambulanten Weiterversorgung. Die enge Zusammenarbeit mit öffentlichen Apotheken gewinnt zunehmend an Bedeutung, vor allem wenn die Patienten aus dem Krankenhaus nach Hause kommen. Dies wird hier am Beispiel Leukämie-kranker Kinder gezeigt.

Die akuten Leukämien, insbesondere die akute myeloische Leukämie (AML) und die akute lymphoblastische Leukämie (ALL), sind in Deutschland mit etwa 30 Prozent die häufigsten Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter (1). Die beiden Formen unterscheiden sich in Ätiologie, Klinik und Therapieansätzen.

Die ALL ist mit rund 76 Prozent die häufigste Form der Leukämie bei Kindern, während die AML mit etwa 14 Prozent deutlich seltener auftritt (2, 3). Die Inzidenz bei Unter-18-Jährigen liegt in Deutschland bei 4,1/100.000 für die ALL und bei 0,7/100.000 für die AML. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 2250 Kinder neu an einer Leukämie, Jungen etwa 1,2-mal häufiger als Mädchen. Eine Leukämie wird vorwiegend in der frühen Kindheit, zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr, diagnostiziert (3, 4).

Allgemeine Risikofaktoren lassen sich nicht konkret benennen. Beispielsweise können seltene genetische Veränderungen wie eine Trisomie des Chromosoms 21 das Erkrankungsrisiko für akute Leukämien steigern (4).

Erste Krankheitszeichen reichen von Müdigkeit und blasser Haut bis hin zu häufigen Infektionen, Fieber und Blutungen, weshalb sie meist nicht gleich mit einer Leukämie assoziiert werden. Diese unspezifischen Symptome verzögern häufig die Diagnosestellung. Frühzeitige Erkennung und Intervention können jedoch entscheidend sein für den Therapieerfolg (5).

Die Prognose variiert je nach Leukämieform, Alter des Kindes und individuellen Faktoren. In den letzten 40 Jahren ist die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich angestiegen: Fünf Jahre nach Diagnosestellung und erfolgreicher Behandlung leben noch 88 Prozent der Patienten (früher 67 Prozent) (4). Diese erfreuliche Zunahme von Langzeitüberlebenden ist auf Fortschritte in der Diagnostik, die Weiterentwicklung multimodaler Therapiekonzepte und die Entwicklung neuer Arzneimittel zurückzuführen.

Viele Behandlungsoptionen

Nach gesicherter Leukämiediagnose stehen mehrere therapeutische Ansätze zur Verfügung. Die Behandlung kann sowohl nach einem festgelegten Therapieschema als auch in Studien zur Therapieoptimierung erfolgen. Ziel von Studien ist es, die Toxizität durch Dosisreduktion der Chemotherapie zu minimieren oder den Therapieerfolg zu maximieren, zum Beispiel durch Hinzunahme eines bispezifischen Antikörpers wie Blinatumomab.

Zur Behandlung der Leukämien werden grundsätzlich zahlreiche Methoden, darunter patientenindividuelle Chemotherapie, Strahlentherapie sowie die Stammzelltransplantation, eingesetzt (1). Eine Stammzelltransplantation wird bei einer AML bereits während der ersten Behandlungsphase in Erwägung gezogen, allerdings nur, wenn durch die intensive Chemotherapie keine ausreichende Wirkung erzielt werden kann. Bei einer ALL hingegen kommt diese Therapieform oftmals erst bei einem Rückfall infrage.

Therapie nach festem Protokoll

Die Therapie der ALL bei Kindern erfolgt zum Beispiel an der Universitätsmedizin Frankfurt am Main nach dem Behandlungsprotokoll der AIEOP-BFM-ALL-Studie als »Standard of Care« (Abbildung 1, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Stand 7. Juli 2025). Dieses und weitere Therapieprotokolle, beispielsweise CoALL oder ALLTogether1, sind deutschlandweit etabliert. Nur in seltenen Fällen, beispielsweise bei ausgeprägter Toxizität oder allergischen Reaktionen, weichen Ärzte von diesen Therapieschemata ab.

Zur Festlegung des Behandlungsplans erfolgt laut AIEOP-BFM-ALL-Studie am Tag 33 nach Therapiestart eine Risikostratifizierung anhand des minimalen Resterkrankungsanteils (MRD). Ein MRD-Wert unter 10 Prozent wird als Standardrisiko (SR) eingestuft, während höhere Werte auf eine Hochrisiko-ALL (HR) hinweisen.

Die Behandlung einer ALL beginnt zunächst für alle Patienten mit einer Vorphase, in der sie in der Regel mit der Einnahme von Prednison und einer intrathekalen Methotrexat-(MTX-)Gabe starten. Darauf folgen die Induktionsphase (Protokoll IA/B), eine Konsolidierungsphase, die Extrakompartmenttherapie (Protokoll M) sowie die Reinduktionsphase (Protokoll II/III), deren Dauer je nach Risikoklassifikation stark variiert (Abbildung 1).

In der Induktionsphase kommen vor allem Vincristin, Daunorubicin, Prednison sowie Pegasparaginase zum Einsatz, um die Leukämiezellen möglichst rasch und effektiv zu reduzieren. Während der Konsolidierungsphase liegt der Schwerpunkt der Medikation auf einer Kombination aus Cytarabin, 6-Mercaptopurin und Cyclophosphamid. Die Extrakompartmenttherapie (auch als Protokoll M bezeichnet) richtet sich gezielt auf leukämische Zellen außerhalb des Knochenmarks. Hier wird vor allem MTX verabreicht. In der abschließenden Reinduktionsphase werden erneut intensive Zytostatika verabreicht, unter anderem Vincristin, Doxorubicin, Dexamethason, Cyclophosphamid, Pegasparaginase sowie Cytarabin, um einen Rückfall zu verhindern und die Erkrankung langfristig zu kontrollieren.

Bei Hochrisiko-(HR-)Patienten werden meist zusätzlich intensivierte Therapieblöcke, die sogenannten HR-Blöcke, nach der Konsolidierung und vor der Reinduktionsphase verabreicht. Hier werden nicht nur viele der bereits genannten Arzneistoffe eingesetzt, sondern zusätzlich noch Ifosfamid und Etoposid. Der Einsatz von Blinatumomab erfolgt aktuell häufig in zwei Zyklen über 28 Tage, in der Regel vor Protokoll II bei einem niedrigen Rückfallrisiko und vor beziehungsweise nach den HR-Blöcken bei einem hohen Rückfallrisiko. Abschließend erfolgt die Erhaltungstherapie (5).

Im August 2018 wurde das Therapiespektrum durch die EMA-Zulassung von Kymriah® in Europa um eine Immuntherapie mit gentechnisch veränderten T-Zellen (Chimäre-Antigen-Rezeptor-T-Zelltherapie: CAR-T-Zelltherapie) erweitert. Es ist das einzige Präparat zur CAR-T-Zelltherapie, das für Kinder zugelassen ist (6). Es bietet eine weitere Option für Patienten unter 18 Jahren, bei denen vorhergehende Arzneitherapien keinen Erfolg erzielt haben, kein kompatibler Spender für eine Stammzelltransplantation gefunden wird oder eine refraktäre ALL bei mehrfachem Rezidiv vorliegt.

Im Mittelpunkt der pharmazeutischen Betreuung stehen unter anderem Arzneistoffe wie Glucocorticoide, Cytarabin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Pegasparaginase, Vincristin und Doxorubicin. Diese gehören zu den Hauptverursachern häufiger Nebenwirkungen wie Fieber, Schleimhautentzündungen (Mukositis), Unterdrückung der Knochenmarksfunktion (Knochenmarkssuppression) sowie allergischen Reaktionen.

Der intensive Behandlungsabschnitt dauert ungefähr sechs Monate und erfordert zahlreiche stationäre Aufenthalte in der Klinik. Zwischen den Chemotherapie-Zyklen, manchmal sogar zwischen einzelnen Gaben, sind Erholungspausen zu Hause möglich, sofern keine Komplikationen wie Fieber oder Infektionen auftreten.

Während der weniger intensiven Erhaltungstherapie, die etwa eineinhalb Jahre dauert, kann der Patient ebenfalls zu Hause leben. Dennoch muss er regelmäßig die Tagesklinik oder Ambulanz für Blutbilduntersuchungen aufsuchen (5).

Aufgaben im Überblick

Apotheker auf Station haben vielfältige Aufgaben, zum Beispiel die Optimierung der Arzneimitteltherapie durch Prüfung der Medikationspläne oder die Aufklärung der Patienten zur korrekten Einnahme ihrer oralen Arzneimittel (Tabelle 1).

Sie kontrollieren nicht nur die Chemotherapeutika, sondern auch die begleitende Therapie auf mögliche Wechselwirkungen und korrekte Dosierungen. Besonders wichtig ist die Berücksichtigung des Off-Label-Use in der Kinderklinik sowie die Einhaltung von Sicherheitsvorgaben, etwa Rote-Hand-Briefe. So ist beispielsweise Metamizol bei neutropenen Patienten seit Dezember 2024 kontraindiziert, da eine mögliche Agranulozytose aufgrund der neutropenen Symptomatik nicht zuverlässig erkannt werden kann.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal und Apothekern kann das Nebenwirkungsmanagement, die Adhärenz und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) enorm verbessern.

Prozesse Aufgaben im Detail
Plausibilitätsprüfung und Herstellung Kommunikation zwischen Station und Herstellung
Teilnahme an Tumorkonferenzen: Übermittlung der Information bei Abweichung von einem Therapieprotokoll
Beratung auf Station Teilnahme an Stationsvisiten
individuelles Nebenwirkungsmanagement
Beratung und Aufklärung zu:
Chemo- und Supportivtherapie inklusive unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
richtige Einnahme und Anwendung von Zytoralia
Einfluss der Ernährung auf das Infektionsgeschehen
Vorbereitung für die ambulante Weiterversorgung
elektronische Verordnung des Arztes Überprüfen und Anlegen der korrekten Verordnung in der digitalen Patientenakte: mehr AMTS, weniger Applikationsfehler
Medikationsmanagement Analyse der Gesamtmedikation auf Interaktionen
Tabelle 1: Prozesse und Aufgaben von Stationsapothekern auf einer pädiatrisch-onkologischen Station

Patientenindividuelle Zytostatikaherstellung

Die patientenindividuelle Zubereitung von Chemotherapeutika erfolgt in der zentralen Zytostatikaherstellung der Krankenhausapotheke.

Dieser Prozess beginnt mit einer sorgfältigen Plausibilitätsprüfung der ärztlichen Verordnungen durch die Apotheke. Dabei überprüfen Apotheker unter anderem, ob das Medikament dem Therapieprotokoll entspricht, die angegebene Dosierung bezüglich Körperoberfläche oder Körpergewicht richtig ist und ob eventuell eine Dosisanpassung nötig ist. Eine Anpassung kann beispielsweise bei eingeschränkter Nierenfunktion oder bei Säuglingen unter einem Jahr beziehungsweise mit einem Körpergewicht unter 10 kg erforderlich sein.

An der Universitätsmedizin Frankfurt erfolgt die Abstimmung bei abweichenden Therapien durch den Stationsapotheker, der gleichzeitig auch in der Zytostatikaabteilung tätig ist. Abweichende Verordnungen kann er bei der morgendlichen Stationsvisite frühzeitig mit den Ärzten klären. Neben der Teilnahme an der wöchentlichen Tumorkonferenz begleitet der Stationsapotheker auch das wöchentlich stattfindende interprofessionelle Teammeeting auf Station, bei dem der aktuelle Behandlungsstand aller Patienten besprochen wird. Das strukturierte Vorgehen minimiert wiederholte Nachfragen; arzneimittelbezogene Probleme können direkt im Team geklärt werden.

Die enge Zusammenarbeit und der optimierte Ablauf von der Verordnung bis zur Herstellung der Zytostatika erhöhen nicht nur die individuelle Patientensicherheit, sondern sparen Ressourcen für Ärzte und Pflegepersonal.

Da es keine direkte Schnittstelle zwischen der Software zur Zytostatikaherstellung und den Computerized-Physician-Order-Entry-(CPOE-)Systemen der Kliniken gibt, arbeitet der Stationsapotheker an dieser sensiblen Stelle im Vier-Augen-Prinzip gemeinsam mit dem verordnenden Arzt. Zur Vermeidung von Transkriptionsfehlern überprüft er vor der Herstellung des Arzneimittels sorgfältig die Übertragung der ärztlichen Verordnung in die elektronische Patientenakte und bereitet diese für die ärztliche Prüfung und Freigabe vor. Hier werden auch die korrekten Dosierungen in standardisierten Infusionsvolumina angegeben. Dies erleichtert dem Pflegepersonal die Anwendung und vermindert das Risiko von Applikationsfehlern beim Anhängen der Chemotherapie-Infusion.

Betreuung von Patienten und Familien

Im klinischen Alltag tragen Stationsapotheker erheblich dazu bei, durch die Medikationsanalyse die Patientensicherheit zu erhöhen und arzneimittelbezogene Probleme frühzeitig zu erkennen. In der pädiatrischen Versorgung sind ihre Aufgaben oft noch komplexer, da die Beratung von Kindern und Jugendlichen besonders viel Empathie erfordert. Zudem müssen sie immer auch die Angehörigen mitbetreuen und beraten.

Die Diagnose einer Krebserkrankung ist für die Kinder und ihre Familien ein tiefer Schock. Sie geht einher mit Ängsten vor dem Unbekannten, Unsicherheiten hinsichtlich der Behandlung und Prognose sowie Verzweiflung über die aktuelle Situation.

Für die Familien bedeutet dies eine enorme psychische und organisatorische Belastung. Neben der Sorge um das erkrankte Kind müssen sie häufig auch den Bedürfnissen gesunder Geschwisterkinder gerecht werden. Diese sind dauerhaft von ihrem kranken Bruder oder der Schwester während eines Klinikaufenthalts getrennt, denn Kinder (meist <14 Jahre) dürfen nicht zu Besuch auf pädiatrisch-onkologische Stationen.

Einige Kliniken begegnen dieser Situation mit gezielten Angeboten wie »Geschwistertagen«, bei denen Geschwisterkinder aktiv einbezogen werden. In diesem geschützten Rahmen erhalten sie altersgerecht aufbereitete Informationen und können ärztliches, pharmazeutisches und pflegerisches Personal fragen. Ziel ist es, Ängste und Unsicherheiten abzubauen.

Die onkologische Therapie ist sehr komplex und muss rasch begonnen und umgesetzt werden. Die Familien brauchen dazu umfangreiche und fundierte Informationen. Dabei stehen insbesondere die Anwendung oraler und intravenöser Chemotherapeutika, die notwendige Supportivtherapie und potenzielle Nebenwirkungen im Fokus. Trotz hoher fachlicher Qualifikation der ärztlichen und pflegerischen Teams gelingt es ihnen nicht immer, diese komplexen Inhalte ausreichend zu vermitteln.

Hier hat sich die pharmazeutische Betreuung der Ärzte, des Pflegepersonals und der Eltern durch Stationsapotheker als wirkungsvolle Ergänzung etabliert. Eine evidenzbasierte Beratung der Patienten und ihrer Sorgeberechtigten ist ein zentraler Bestandteil der pharmazeutischen Tätigkeit in der onkologischen Versorgung. Dafür ist es essenziell, Vertrauen aufzubauen und verständlich und altersgerecht zu sprechen, damit Patienten und Angehörige die komplexen Therapieschemata akzeptieren und meistern können. Dies verbessert die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) stark.

Erfassung von ABP

In einem prospektiven Projekt am Sir Anthony Mamo Oncology Centre (Malta) entwickelten Apotheker und Pädiater ein standardisiertes pharmazeutisches Betreuungsmodell zur Erfassung und Bearbeitung arzneimittelbezogener Probleme (ABP) in der pädiatrischen Onkologie (7). Über einen Zeitraum von acht Monaten wurden 545 Pharmaceutical Care Issues (ABP und die Beratung dazu) in 325 Visiten dokumentiert.

Die häufigsten Probleme betrafen die patientenindividuelle Beratung (26,9 Prozent), Arzneimittelauswahl (23,7 Prozent), Dosierung (19,3 Prozent) und Monitoring (15,4 Prozent). In bemerkenswerten 95 Prozent der Fälle wurden die klinisch-pharmazeutischen Interventionen vom interprofessionellen Behandlungsteam sowie von den Patienten und deren Eltern akzeptiert.

Das Projekt belegt eindrücklich den klinischen Mehrwert pharmazeutischer Betreuung im onkologischen Setting. Durch die strukturierte Analyse und proaktive Kommunikation wurden potenzielle Medikationsfehler frühzeitig erkannt und vermieden. Das Modell erwies sich als praktikabel, klinisch wirksam und förderlich für eine sichere personalisierte Arzneimitteltherapie bei krebskranken Kindern und Jugendlichen.

Eine Übertragung auf vergleichbare Versorgungssituationen in Deutschland erscheint aus Sicht der Autoren sinnvoll, um die AMTS und Versorgungsqualität nachhaltig zu verbessern (7).

Weniger Nebenwirkungen und zufriedenere Patienten

Auch die randomisierte multizentrische AMBORA-Studie (Arzneimitteltherapiesicherheit bei der Behandlung mit neuen oralen Antitumor-Wirkstoffen) zeigt den signifikant positiven Einfluss der pharmazeutischen Betreuung auf die AMTS und die Patientensicherheit (8). In dieser Studie mit rund 200 Patienten, die mit neuen oralen Zytostatika behandelt wurden, gingen die Nebenwirkungen bereits nach der ersten Endpunktbewertung um 34 Prozent zurück.

Bemerkenswert ist, dass die Intervention nicht nur die objektiv erfassbare Patientensicherheit erhöhte, etwa durch Reduktion schwerwiegender Nebenwirkungen (≥ Grad 3) um 45 Prozent, sondern auch die Patientenerfahrungen signifikant verbesserte. Die Therapiezufriedenheit, das Verständnis für die Arzneimittel und die selbstberichtete Adhärenz verbesserten sich in der Interventionsgruppe durchgängig und klinisch relevant.

Diese Ergebnisse verdeutlichen: Eine kontinuierliche, auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern abgestimmte pharmazeutische Betreuung kann auf pädiatrischen Stationen erheblich zur Verbesserung der Therapiesicherheit und der Lebensqualität der Patienten beitragen (8).

Eine Studie am Klinikum Fulda (9) zeigte eindrucksvoll einen weiteren Nutzen der pharmazeutischen Patientenbetreuung. In einem dreiphasigen Studiendesign wurden die klinische Relevanz und der qualitative Mehrwert der stationsapothekerlichen Tätigkeit in der Onkologie systematisch evaluiert. Die Ergebnisse unterstreichen ebenfalls, dass die Einbindung von Stationsapothekern wesentlich zur Optimierung des Therapiemanagements und der Patientenzufriedenheit beiträgt, insbesondere durch eine strukturierte AMTS-Überwachung, Interaktionsprophylaxe und individuelle Beratung (9).

Konkrete Beratungsbeispiele

Ein zentraler Bestandteil der ALL-Therapie im Kindes- und Jugendalter ist die intravenöse Hochdosistherapie mit Methotrexat (MTX) als Bestandteil der Extrakompartmentphase. Die Extrakompartmentphase ist ein bedeutsames Therapieelement und bezeichnet die Behandlung des Zentralnervensystems (ZNS), das bei den meisten Kindern mitbefallen ist. Besonders wichtig ist hier die Eliminationsphase des Medikaments MTX.

Apotheker informieren die Eltern im Aufklärungsgespräch gezielt über die Funktion und Notwendigkeit der Leukovorin-Rescue-Therapie. Hierbei handelt es sich um den Wirkstoff Calciumfolinat, der bei normaler Elimination von MTX gemäß Protokoll intravenös zu Stunde 48, 54 und 60 nach einer MTX-Infusion als Bolus verabreicht werden muss. Diese Folgetherapie reduziert die MTX-induzierte Toxizität und ist essenziell für die Therapiesicherheit. Sollte es während der Eliminationsphase zu erhöhten Spiegeln von MTX im Blut kommen, verlängern sich Dauer und Dosis der Leucovorin-Rescue-Therapie so lange, bis die Spiegel wieder im Normbereich sind.

Zur Prophylaxe mukosaler Nebenwirkungen, insbesondere der oralen Mukositis, können die Kinder während der MTX-Infusion regelmäßig Eis lutschen oder kühle Flüssigkeiten trinken. Dies kann die lokale Durchblutung im Mund- und Rachenraum reduzieren und die Schleimhaut vor schädlichen Metaboliten schützen (10).

Weitere relevante Arzneimittel sind Prednison und Dexamethason, deren protokollgerechte Einnahme einen Glucocorticoid-induzierten Diabetes mellitus auslösen kann. Diese Form der Hyperglykämie ist in der Regel reversibel und bildet sich typischerweise nach Absetzen des Glucocorticoids rasch zurück. Dennoch kann vereinzelt eine temporäre antidiabetische Therapie mit Insulin erforderlich sein (11).

Ein weiterer Beratungsfokus liegt auf der Pegasparaginase, einem zentralen Bestandteil der Induktionsphase. Das körperfremde Enzym soll das Zellwachstum durch Abbau der Aminosäure L-Asparagin bremsen, jedoch sind allergische Reaktionen eine häufige und schwerwiegende Nebenwirkung. Diese können sich als Hautausschlag, Juckreiz, Dyspnoe, Brustenge oder Anaphylaxie äußern. Eine Aufklärung der Eltern über mögliche Symptome und Verhaltensmaßnahmen im Notfall ist essenziell. Sie müssen verstehen, dass sie das medizinische Personal sofort benachrichtigen müssen, falls die genannten Symptome während der Infusion auftreten.

Bei klinisch signifikanten Hypersensitivitätsreaktionen wird in der Regel eine Umstellung auf die biotechnologisch hergestellte Crisantaspase (Erwinase®) erwogen (12).

Neutropenie und ihre Folgen

Die aus klinischer Sicht schwerwiegendste unerwünschte Wirkung, die nahezu allen zytostatisch wirksamen Arzneimitteln gemeinsam ist, ist und bleibt die Knochenmarkssuppression. Diese führt zu einer Neutropenie, einer niedrigen Anzahl weißer Blutkörperchen, mit erhöhter Anfälligkeit gegenüber Infektionen, häufig durch für immunkompetente Personen harmlose Erreger.

Daher ist die Antiinfektiva-Beratung sehr wichtig – ganz im Sinne des Antibiotic Stewardship (ABS). Im Fokus stehen die Auswahl des geeigneten Antibiotikums unter Berücksichtigung der alters- und gewichtsabhängigen Dosierung und die adäquate Therapiedauer. Zur Beurteilung der Effektivität der antiinfektiven Therapie wird zudem großer Wert auf das therapeutische Drug Monitoring (TDM) gelegt. Dieses ermöglicht eine individuelle Dosisanpassung auf Basis der gemessenen Wirkstoffkonzentrationen im Blut, um sowohl die Wirksamkeit zu maximieren als auch Nebenwirkungen zu minimieren.

Eine gezielte Beratung zur Infektionsprophylaxe im ambulanten Bereich hilft den Kindern und Familien, Risikosituationen frühzeitig zu erkennen und Schutzmaßnahmen zu etablieren.

Vor diesem Hintergrund lief von April 2014 bis März 2018 an der Kinderklinik der Universitätsmedizin Frankfurt eine monozentrische prospektive Studie (13), um die Wirksamkeit einer »neutropenen Diät« zur Reduktion des Infektionsrisikos im klinischen und häuslichen Umfeld zu evaluieren. Eine neutropene Diät bezeichnet hier eine spezielle Ernährungsweise für Patienten mit Neutropenie. Ziel ist es, das Risiko von Infektionen, die durch Lebensmittel übertragen werden können, zu minimieren. Die Diät beinhaltet den Verzicht auf rohe oder ungekochte Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse, die potenziell gefährliche Bakterien oder Keime enthalten könnten.

Die Analyse umfasste 86 Kinder mit onkologischer Grunderkrankung. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Infektionsraten zwischen Kindern mit und ohne diätetische Einschränkungen (13).

In der Konsequenz wird in der klinischen Praxis heute zunehmend auf die aktuellen Ernährungsempfehlungen für immunsupprimierte Patienten verwiesen (14) (Tabelle 2). Diese betonen die Notwendigkeit einer hygienisch einwandfreien, ausgewogenen und vollwertigen Ernährung. Apotheker in der stationären und ambulanten Betreuung können Familien anhand der Empfehlungen fundiert beraten.

Nahrungsmittel (Beispiele) Hohes Risiko (nicht empfohlen) Geringes Risiko
Fleisch, Geflügel und Fisch roh oder nicht ausreichend erhitzt (Mett, Tartar, offen verkaufter Rohschinken) ausreichend erhitzt (Fleisch im Kern weiß oder braun gebraten, Saft klar), eingeschweißter Schinken und ähnliche Produkte
Eier und Eierprodukte roh oder nicht ausreichend erhitzt (auch Tiramisu) Eier: Eiweiß und Eigelb festgekocht (eventuell pasteurisierte Eiprodukte wie Flüssigei verwenden)
Milchprodukte wie Quark, Käse Produkte aus nicht pasteurisierter Milch (Rohmilchprodukte) mindestens pasteurisierte Produkte
Salat Salatbar, rohe Sprossen Salat, der sorgfältig gewaschen und zubereitet wurde (kein Biosalat)
Früchte und Gemüse nicht geputzt oder gewaschen gut geputzt und gewaschen (gekocht kein Problem)
Tabelle 2: Empfehlung zur Nahrungsmittelzubereitung; laut Bundesgesundheitsblatt 2021 (14)

Wichtige Aspekte in der öffentlichen Apotheke

Bei der häuslichen Verabreichung von oralen Arzneimitteln an Kinder, vor allem bei flüssigen Darreichungsformen, passieren häufig Anwendungsfehler (15). Als Ursachen gelten unter anderem uneinheitliche Dosierungen, unzureichende Beratung und ungeeignete Applikationshilfen. Laut Studie sind Familien mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz oder Sprachbarrieren besonders betroffen. Standardisierte Dosierangaben, geeignete Hilfsmittel und eine patientenorientierte Kommunikation könnten diese Risiken minimieren (15).

Gerade die öffentliche Apotheke spielt hier eine wichtige Rolle, denn als niedrigschwellige Anlaufstelle mit hoher Beratungskompetenz trägt sie entscheidend zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei. Besonders wichtig ist sie beim Übergang von der stationären zur ambulanten häuslichen Versorgung. Da Kinder im Krankenhaus oft parenteral therapiert werden, ist nach der Entlassung eine Umstellung auf orale Arzneiformen nötig.

Mit der gezielten Prüfung der Entlassmedikation, der Abgabe altersgerechter Applikationshilfen sowie der individuellen Beratung zur Einnahme von oralen CMR-Substanzen (CMR: krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend) können öffentliche Apotheken viele Fehlerquellen im häuslichen Umfeld aktiv vermeiden. Praktische Hinweise, etwa zu Teilbarkeit und Einnahmezeitpunkt oder bei Problemen wie Dysphagie, helfen den Familien im Alltag.

Ausblick

In der AMBORA-Studie, der Untersuchung aus Fulda sowie der Studie aus Malta wurde eindrucksvoll belegt, dass Apothekerinnen und Apotheker – sowohl auf Station und in der klinischen Arzneimittelherstellung als auch in der öffentlichen Apotheke – einen entscheidenden Beitrag zur Förderung der AMTS, des Wohlbefindens und der Lebensqualität von Kindern mit onkologischen Erkrankungen und ihren Familien leisten. Pharmazeutische Fachkompetenz und die unmittelbare Betreuung der Patienten können die Versorgung dieser besonders vulnerablen Gruppe nachhaltig verbessern.

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