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Lieferengpässe

AOK kontert Union-Positionspapier

Die AOK-Baden-Württemberg reagiert alarmiert auf ein Positionspapier der Union zum Thema Lieferengpässe. Eine verpflichtende Mehrfachvergabe bei Rabattverträgen und zentralisierte Ausschreibungen lehnt die Kasse entschieden ab.
Ev Tebroke
02.10.2019  14:50 Uhr

Die AOK-Baden-Württemberg (BW) ist federführend bei den bundesweiten Rabattverträgen. Den nun im Entwurf eines Positionspapiers der Unionsfraktion geforderten Neuregelungen der Ausschreibungsmodalitäten bei solchen Verträgen erteilt AOK-Verhandlungsführer Christopher Hermann eine klare Absage. Die Gesundheitsexperten der CDU/CSU-Fraktion fordern unter anderem die Abschaffung von Rabattverträgen mit nur einem Hersteller.

Als »falsche Fährte« bezeichnet AOK-BW-Chef Hermann die Annahme der Politik, dass Rabattverträge für die zunehmende Problematik von Arzneimittel-Lieferengpässen verantwortlich seien. Dies sei ein »Märchen« der Pharmalobby. Lieferengpässe seien ein globales Problem und nicht durch Rabattverträge verursacht, bekräftigt die AOK-BW. Der deutsche Arzneimittelmarkt habe am globalen patentfreien Arzneimittelmarkt gerade mal 4 Prozent, von dem wiederum nur ein Teil durch Rabattverträge gesteuert werde. »Selbst eine große Krankenkasse wie die AOK Baden-Württemberg beeinflusst letztlich weniger als ein Zwanzigstel dieser vier Prozent«, so Hermann.

Das im Positionspapier der Unionsfraktion geforderte Verbot von Exklusiv-Ausschreibungen lehnt Hermann ab: Mit solchen Verträgen hätte die AOK-BW »vor zehn Jahren einen fairen Wettbewerb auf einem Markt erzwungen, auf dem zuvor nur Oligopole der Großkonzerne die Preise diktiert haben«. In seinen Augen sind Exklusiv-Verträge das einzige funktionierende Steuerungsinstrument des generischen Arzneimittelmarkts.

Die Gesundheitspolitiker der Union hatten in ihrem Papier zur Eindämmung von Liefer- und Versorgungsengpässen gefordert, Rabattverträge künftig nur noch zu erlauben, »wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller vorhanden sind». Auch solle die Vergabe grundsätzlich auf mindestens zwei unterschiedliche Anbieter verteilt werden.

Verlust von Kalkulationssicherheit

Die AOK-BW wertet ein verpflichtendes Mehrpartnermodell nun als Gefahr für kleine und mittelständische Unternehmen. Diese verlören jegliche Kalkulationssicherheit und würden aus dem Markt gedrängt. Auch könne keine Erfolgsprognose und damit keine Planung benötigter Arzneimittelmengen erfolgen, da zu Zeitpunkt der Ausschreibung nicht erkennbar sei, ob der andere Partner ein marktstarkes Unternehmen sei. Dies würde die Liefersicherheit noch mehr gefährden.

Die Unionspolitiker regen zudem an, das Rabattvertragssystem stärker zu zentralisieren, sprich Kassen regional gemeinsam zu Ausschreibungen zu verpflichten. Ein Vorschlag, den Hermann gänzlich indiskutabel findet. »So bildet man Kassenkartelle auf der einen Seite und Pharmamonopole auf der anderen.« Eine wettbewerbsfeindlichere Konstellation sei schwerlich vorstellbar, wettert Kassenchef Hermann. Aus Sicht der AOK-BW würde eine regionale Einheitsbündelung der Nachfragemacht der Krankenkassen zwangsläufig dazu führen, dass sich vergebene Rabattverträge auf ganz wenige Anbieter zentrieren. Leidtragende wären gerade kleinere und mittelständische Unternehmen.

Strafbewehrte Lieferverpflichtung

Laut AOK-BW sind Ausschreibungen Garant für Versorgungssicherheit. So seien Lieferengpässe in Märkten ohne Rabattverträge wesentlich häufiger als in Deutschland. Als Beleg nennt die Kasse etwa die USA, wo aktuell laut Statistik von drugs.com derzeit rund 250 Wirkstoffe in der Versorgung fehlten. Die Rabattverträge enthielten hierzulande eine strafbewehrte Lieferverpflichtung. Dies stelle sicher, dass das Pharmaunternehmen ein großes Interesse an einer uneingeschränkten Lieferfähigkeit habe. Untersuchungen der Kasse aus dem Jahr 2017 zufolge hätten Apotheken im Bereich der Vertragsarzneien bei lediglich 0,6 Prozent aller GKV-weit abgerechneten Arzneimittel ein Lieferversagen des Herstellers dokumentiert. In all diesen Fällen sei ein austauschbares, gleichwertiges Arzneimittel abgegeben worden.

Positiv wertet die Kasse die Forderungen der Unionsfraktion nach mehr Markttransparenz über verfügbare Arzneimittel, der Schaffung einer verbindlichen Meldepflicht bei drohenden Lieferausfällen, sowie einer nationalen Arzneimittelreserve. Die AOK verfolge schon lange die Idee, Pharmaunternehmen zu einer Vorratshaltung zu verpflichten, wie sie für Apotheken und Großhandel schon längst gelte.

 

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