Union will Mehrfachvergabe und regionale Rabattverträge |
Ev Tebroke |
26.09.2019 17:14 Uhr |
Das Positionspapier sieht etwa vor, Rabattverträge künftig nur noch zu erlauben, wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller existieren. / Foto: Fotolia/Minerva Studio
Unter dem Titel »Für eine sichere und zuverlässige Versorgung mit Medikamenten – Lieferengpässen nachhaltig vorbeugen« listet das fünfseitige Papier zahlreiche Punkte auf, die die Arzneimittelversorgung hierzulande wieder stabilisieren sollen. Der Handlungsbedarf ist aus Sicht der Union groß. Derzeit führe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 229 Humanarzneimittel mit einem Lieferengpass, so die AG Gesundheit, unter Vorsitz der gesundheitspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), und ihrem Vize, dem Arzneimittelexperten Michael Hennrich (CDU). Das verunsichere Patienten, stelle ein Risiko für die Arzneimittelversorgung dar und schaffe einen erhöhten Aufwand für Apotheker und Ärzte.
Zuletzt hatte die Koalition mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) versucht, das Problem einzudämmen, bislang aber mit wenig Erfolg. So wurden etwa die Kassen verpflichtet, bei Rabattverträgen die Vielfalt der Hersteller zu berücksichtigen. Sanktionierungen bei Nichteinhaltung dieser Vorgabe sind aber nicht vorgesehen. Exklusivverträge mit nur einem Hersteller sind daher nach wie vor üblich. Eine verpflichtende Mehrfachvergabe gibt es nicht.
Das will die Union anscheinend nun ändern. In dem Entwurf des Positionspapiers ist vorgesehen, Rabattverträge künftig nur noch zu erlauben, »wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller vorhanden sind«. Auch solle die Vergabe grundsätzlich auf mindestens zwei unterschiedliche Anbieter verteilt werden. Und auch die Apotheken wollen die Unionspolitiker beim Thema Rabattverträge entlasten. Um den derzeitigen enormen Aufwand aufgrund der hohen Anzahl an zu berücksichtigenden Rabattverträgen zu minimieren, wollen sie prüfen, das Rabattvertragssystem stärker regional zu zentralisieren, sprich regional Kassen gemeinsam zu Ausschreibungen zu verpflichten.
Auch fordern die Gesundheitspolitiker der Union mehr Transparenz über das Liefer- und Marktgeschehen: »Das BMG wird aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die für eine größere Transparenz bei Lieferketten von pharmazeutischen Unternehmen über Großhandel bis hin zu den Apotheken sorgen.« Auch die Einkaufssituation und Belieferung von Krankenhausapotheken müsse berücksichtigt werden, heißt es.
Was den Export von Arzneimitteln betrifft, die eigentlich für den deutschen Markt zur Verfügung stehen sollten, so soll das BMG eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag geben. Dadurch soll genauer eruiert werden können, wie groß der Anteil der Arzneimittel ist, die aus marktpolitischen Gründen ins Ausland exportiert werden und dann hierzulande in der Versorgung fehlen. Hintergrund dieser derzeit leider gängigen Praxis in der Pharmabranche ist, dass im Ausland höhere Preise für die Wirkstoffe gezahlt werden. Grundsätzlich wollen die Unionspolitiker für versorgungsrelevante Wirkstoffe bei Engpässen den Export vorübergehend beschränken.
Ebenfalls als notwendig erachten die Unionspolitiker verbindliche Meldepflichten bei drohenden oder bestehenden Lieferengpässen versorgungsrelevanter Arzneimittel. Bislang besteht lediglich für Krankenhausapotheken eine solche Pflicht. Künftig sollen auch im ambulanten Bereich drohende Versorgungs- und Lieferengpässe frühzeitig angezeigt werden. Auch regen die Politiker den Aufbau einer nationalen Arzneimittelreserve an, um die Verfügbarkeit wichtiger Arzneimitteln zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang soll für Pharmaunternehmen die verpflichtende Vorratshaltung ausgeweitet werden.
Um den Standort Europa in der Wirkstoffproduktion wieder zu stärken und eine weitere Verlagerung der Produktionsstätten in Drittländer zu verhindern, fordern die Unionspolitiker die Bundesregierung auf, die pharmazeutische Produktion in der Europäischen Union zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 zu machen. Entsprechende Vorhaben hatte zuletzt auch das BMG angekündigt.
Die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, begrüßt den Vorstoß der Unionsfraktion. »Das Thema zieht sich durch fast alle Bereiche des Gesundheitswesens, wir müssen uns damit befassen«, teilte sie mit. Die Patienten müssten sich darauf verlassen können, dass sie ihre Medikamente pünktlich bekommen. »Lieferengpässe sind deswegen nicht nur einfach ein Ärgernis. Sie wecken Zweifel an der Verlässlichkeit unseres Gesundheitswesens.« Wie die einzelnen Maßnahmen aussehen könnten, müsse diskutiert werden. »Konstruktive Vorschläge aus der Union sind uns als Diskussionsgrundlage sehr willkommen«, so Schulz-Asche.
Auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) sieht die Initiative der Union positiv: »Wir begrüßen, dass sich die Politik verstärkt mit den Problemen der Liefer- und Versorgungsengpässe befasst. Engpässe haben viele Ursachen, insofern ist es gut, dass nun verschiedene Vorschläge auf dem Tisch liegen. Es kommt nun darauf an, wie der Gesetzgeber sie konkret umsetzt«, so BAH-Vize Hermann Kortland.