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Autismus
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Anzeichen kennen, Beratung anpassen

Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung neigen zu zwanghaft-pedantischen Verhaltensweisen. Ungewohnte Situationen wie die Beratung in einer Apotheke können Stress für sie bedeuten. Wie kann das Apothekenpersonal Betroffene erkennen und die Beratung anpassen?
AutorKontaktSilke Kerscher-Hack
Datum 02.07.2023  08:00 Uhr

Beratung autistischer Menschen in der Apotheke

Ungewohnte Situationen wie eine Beratung in der Apotheke oder unangenehme Umgebungsbedingungen wie grelles Licht oder ein hektisches Betriebsklima bedeuten für autistische Menschen Stress und können zu einer Reizüberflutung führen. Für Apothekenpersonal bedeutet das, sie wenn möglich in einer ruhigen Umgebung zu beraten. Doch wie kann es Betroffene erkennen?

Personen mit Autismus-Spektrum-Störung können dadurch auffallen, dass sie Blickkontakt meiden, wenig Minenspiel aufweisen oder wenig interessiert an ihrem Gegenüber wirken. Typisch sind zudem sprachliche Besonderheiten wie ein monotoner Tonfall, eine flache Satzmelodie oder ein eigentümliches Sprechverhalten. Es kann sein, dass autistische Patienten sehr leise beziehungsweise laut oder nur wenig sprechen. Manchmal dominieren sie das Gespräch, reden jedoch nur über ihr Lieblingsthema – möglicherweise ohne Apothekenbezug. Gesagtes verstehen sie in der Regel wörtlich, weswegen sie Probleme mit Floskeln, Witzen, Späßen oder subtilen Anspielungen haben.

Autistische Menschen unterbrechen häufig unbeabsichtigt Gespräche, da sie den richtigen Zeitpunkt, etwas zu sagen, nicht finden. Ihnen kann es schwerfallen, Smalltalk zu führen, Gefühle oder Bedürfnisse zu verbalisieren sowie nonverbal – also über Mimik und Körpersprache – zu kommunizieren oder die ungeschriebenen Regeln der sozialen Interaktion, wie sich zu bedanken oder zu begrüßen, zu befolgen. Typisch sind zudem sich wiederholende Bewegungen oder Äußerungen, die auch unauffällig sein können, zum Beispiel ein Drehen von langen Haaren um die Finger oder ein Vor-sich-Hinsummen. Auffällig ist auch, wenn Patienten Details in der Umgebung wahrnehmen, die anderen nicht auffallen, oder wenn sie andere Personen unverblümt beurteilen (7).

Während der Beratung entsprechender Patienten sind dann »vor allem klare und eindeutige Aussagen wichtig«, empfiehlt Dose. So sei zum Beispiel der Hinweis, ein Medikament drei Mal täglich einzunehmen, für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung aufgrund ihres idiosynkratischen Sprachverständnisses zu unpräzise. Besser seien eindeutige Erklärungen wie: »Nehmen Sie die erste Tablette um 8.00 Uhr, die zweite um 15.00 Uhr und die dritte um 22.00 Uhr ein«, erklärt Dose. Zudem sollte Apothekenpersonal dem Experten zufolge »immer wieder nachfragen, ob das Gesagte verstanden worden ist«.

Bei mehrfachen Beratungsterminen sei auf eine klare zeitliche Angabe zu achten und mögliche Veränderungen seien rechtzeitig – möglichst schriftlich zum Beispiel per E-Mail – anzukündigen. »Zudem sollte die Beratung möglichst von der gleichen Person und im gleichen Raum durchgeführt werden«, rät Dose weiter. Sinnvolle Hilfsmittel bei der Beratung könnten schriftlich formulierte oder in Bildern dargestellte Anweisungen sein.

Weitere Tipps zur Beratung autistischer Patienten (6) sind:

  • Sich nach den Wünschen des Betroffenen erkundigen: Soll die Tür offen oder geschlossen sein? Soll das Licht gedimmt werden?
  • Den Betroffenen ausreden lassen, damit dieser sein Anliegen ausdrücken kann.
  • Gesprächspausen zulassen: Zu viele gestellte Fragen könnten den Patienten überfordern.
  • Sensibel beraten, aber auf gut gemeinte Verharmlosungen bezüglich des Gesundheitszustands verzichten.
  • Berührungen etwa im Rahmen einer Blutdruckmessung vorher ankündigen. Manchmal hilft es, das Spezialinteresse zur Ablenkung zu nutzen oder den Betroffenen am Handy spielen zu lassen.
  • Explizit nach den vorhandenen Beschwerden fragen, da autistische Menschen diese oft nicht selbst erwähnen. Hier sind die eventuell veränderte Schmerz- und Körperwahrnehmung sowie andere Wahrnehmungsbesonderheiten zu berücksichtigen.
  • Bei Anwesenheit einer Bezugsperson gilt: Nicht nur mit dieser über den Betroffenen, sondern auch mit diesem selbst reden.

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