Anzeichen kennen, Beratung anpassen |
Da autistische Menschen Umwelt- und Sinnesreize verändert wahrnehmen, kann es vorkommen, dass zu viele Reize auf einmal – seien es etwa mehrere Unterhaltungen gleichzeitig, viele nacheinander gestellte Fragen, blinkende Lichter oder viele Geschmacksrichtungen in einem Gericht – zu einer Reizüberflutung, einem sogenannten (Sensory) Overload, führen. Die Anzeichen hierfür sind individuell verschieden, können sich aber etwa in einem stereotypen Händereiben, einem monotonen Singen oder Hin- und Herschaukeln bemerkbar machen.
Beim sogenannten Shutdown ziehen sich autistische Menschen zurück und sind nicht mehr ansprechbar. / Foto: Adobe Stock/zakalinka
Ohne Rückzugsmöglichkeit kann ein Overload zu einem sogenannten Meltdown (»Kernschmelze«) führen, welcher von außen betrachtet wie ein Wutausbruch aussieht. Die Betroffenen haben keine Kontrolle mehr über ihr eigenes Verhalten. Sie schreien oder schimpfen laut, werfen mit Gegenständen oder schlagen mit dem Kopf an die Wand.
Besteht weiterhin keine Rückzugsmöglichkeit, kann dem Meltdown ein Shutdown (»Abschalten«) folgen. Die Betroffenen ziehen sich zurück und sind nicht mehr ansprechbar. Es kann sein, dass sie eingerollt in einer Zimmerecke liegen, sich eine Decke über den Kopf ziehen oder mit dem Körper vor und zurück wippen. Der Shutdown kann Stunden oder Wochen dauern und ist nicht mit einer Depression zu verwechseln: Im Unterschied zu dieser fehlen Symptome wie eine negative Sichtweise oder Grübeln. Beruhigungsversuche in Form von Berührungen oder Fragen wie »Wie kann ich dir helfen?« sowie das Einreden auf Betroffene stellen weitere Reize dar und sollten in allen drei Phasen vermieden werden. Besser ist es, den störenden Reiz eigenständig zu suchen und auszuschalten (3, 4, 5, 6).
Experten lehnen die Begriffe Overload, Meltdown sowie Shutdown zum Teil ab und plädieren dafür, lieber die konkreten Verhaltensweisen zu beschreiben.
Zu den bereits erwähnten Auffälligkeiten kommen nicht selten weitere psychische und körperliche Erkrankungen. Eine sehr häufige Komorbidität ist beispielsweise die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), an der zwischen 40 und 70 Prozent der autistischen Kinder leiden. Umgekehrt sind autistische Symptome bei 15 bis 25 Prozent der von ADHS betroffenen Kinder nachweisbar. Da die Symptome beider Störungen sich teilweise überlappen, ist die Differenzialdiagnostik schwierig (8).
Weitere begleitende psychische Erkrankungen sind Angst- und Zwangsstörungen, Schlafstörungen, disruptive Impulskontroll- und Sozialverhaltensstörungen, depressive Erkrankungen, bipolare Störungen und Psychosen. Zudem neigen Menschen mit Autismus zu Aggressionen, fremd- oder selbstverletzenden Verhaltensweisen und einer emotionalen Dysregulation, das heißt, einer Beeinträchtigung beim Umgang mit Emotionen. Ebenso sind die Prävalenzen des Tourette-Syndroms, der Lese-Rechtschreib-Störung sowie von Diabetes, Herzerkrankungen und neurologischen Erkrankungen, insbesondere Epilepsie, erhöht (6, 9).
In Krisenzeiten, die durch äußere Umstände (zum Beispiel Umzug oder Tod in der Familie) oder innere Umstände (zum Beispiel Pubertät, Ablösung vom Elternhaus) ausgelöst werden, entwickeln sich manchmal zusätzliche psychische Störungen. Zum einen können sich bereits vorhandene Beschwerden wie Autoaggressionen oder ritualisierte Verhaltensweisen verstärken, zum anderen können sich aber auch neue Krankheiten wie Zwangsstörungen entwickeln.