Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Autismus
-
Anzeichen kennen, Beratung anpassen

Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung neigen zu zwanghaft-pedantischen Verhaltensweisen. Ungewohnte Situationen wie die Beratung in einer Apotheke können Stress für sie bedeuten. Wie kann das Apothekenpersonal Betroffene erkennen und die Beratung anpassen?
AutorKontaktSilke Kerscher-Hack
Datum 02.07.2023  08:00 Uhr

Der Begriff »Autismus« leitet sich von den griechischen Wörtern »autos« (selbst) und »ismos« (Zustand, Ort) ab und bedeutet »sehr auf sich bezogen sein«. Eine Autismus-Spektrum-Störung ist eine quantitative und qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion sowie der Kommunikation mit repetitiven (sich wiederholenden) und stereotypen (gleichförmig auftretenden) Verhaltensmustern, Interessen sowie Aktivitäten, die ein Leben lang andauert (1). Schätzungen zufolge sind etwa 0,6 bis 1 Prozent der Bevölkerung betroffen, wobei Jungen die Diagnose etwa viermal häufiger erhalten als Mädchen.

Die Ausprägung reicht von leichten Formen, die im Alltag kaum auffallen, bis zu schwersten Formen mit erheblicher Beeinträchtigung der sozialen Teilhabe. Wegen dieser großen Unterschiede in der Symptomausprägung spricht man von Autismus-Spektrum-Störungen (2).

Autistische Menschen bevorzugen oftmals die Bezeichnung »Autismus« oder »Autismus-Spektrum« gegenüber »Autismus-Spektrum-Störung«. Letztere ist gängig nach der elften Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) und wird daher im Folgenden verwendet.

Autismus als neuronale Entwicklungsstörung

In der ICD-10 wurde Autismus den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen zugeordnet und zwischen frühkindlichem Autismus, Asperger-Syndrom und atypischem Autismus unterschieden (siehe Kasten). Doch »diese Differenzierung hat sich nach neueren Erkenntnissen als nicht haltbar erwiesen«, erklärt Professor Dr. Matthias Dose, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Kbo-Berater für Autismus-Spektrum-Störungen und Huntington-Krankheit, gegenüber der PZ. Heutzutage wird ein fließender Übergang der Symptomatik bei unterschiedlicher Krankheitsursache angenommen.

Aus diesem Grund ist in der ICD-11, die seit Januar 2022 gilt, die Gruppe der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen aufgelöst und stattdessen die Autismus-Spektrum-Störung der Gruppe der neuronalen Entwicklungsstörungen zugeordnet. Der Begriff gilt nun als Oberbegriff für das gesamte Spektrum autistischer Erkrankungen und fasst Betroffene mit starker Beeinträchtigung (ehemals frühkindlicher Autismus) und geringerer Beeinträchtigung (ehemals Asperger-Syndrom) zusammen. »Mit der Zuordnung zu ›neuronalen‹ statt ›tiefgreifenden‹ Entwicklungsstörungen wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich um eine Hirnentwicklungsstörung und nicht – wie zum Teil früher angenommen – um Fehler in der Erziehung handelt«, erläutert Dose.

Welche Faktoren die Hirnentwicklungsstörung dabei auslösen, ist noch nicht abschließend geklärt. Allerdings tritt sie familiär gehäuft auf, weswegen wahrscheinlich genetische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Zudem können Umweltfaktoren eine veränderte Genregulation bewirken (Epigenetik). Als Risikofaktoren werden ein höheres Alter beider Eltern sowie Stress, Infektionen etwa mit Rötelnviren oder die Einnahme bestimmter Medikamente wie Antiepileptika oder Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) während der Schwangerschaft oder eine ausgeprägte Frühgeburtlichkeit diskutiert.

Mehr von Avoxa