Angriff auf die Lunge |
Neben den klassischen Zytostatika stehen niedermolekulare Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) zur Verfügung, die eine zielgerichtete Tumortherapie erlauben. Überraschend ist, dass auch bei TKI schwere pulmonale Nebenwirkungen auftreten können. In den meisten Fällen handelt es sich um interstitielle Lungenerkrankungen, die durch eine Strahlentherapie und bestehende Lungenerkrankungen begünstigt werden.
Derartige pulmotoxische Wirkungen wurden für die EGF-Rezeptor-Inhibitoren Erlotinib und Gefitinib beschrieben, die unter anderem zur Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) eingesetzt werden. In einer Metaanalyse von randomisierten kontrollierten klinischen NSCLC-Studien betrug die Inzidenz von interstitiellen Lungenerkrankungen unter Erlotinib 0,9 Prozent im Vergleich zu 0,4 Prozent bei Patienten in den Kontrollarmen (14). Auch bei BRC-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib oder Dasatinib, die überwiegend zur Erstlinientherapie der chronischen myeloischen Leukämie eingesetzt werden, wurden Nebenwirkungen an der Lunge beschrieben (15).
Asiatische Patienten haben eine sehr viel höhere Inzidenz für eine interstitielle Lungenerkrankung nach Einnahme von Tyrosinkinase-Inhibitoren als Patienten kaukasischer Abstammung. / Foto: Getty Images/FatCamera
Interessanterweise findet man bei asiatischen Patienten mit etwa 5 Prozent eine sehr viel höhere Inzidenz für eine interstitielle Lungenerkrankung nach Gabe von TKI, was auf eine genetische Prädisposition hinweist (16). Ebenso deutet dies darauf hin, dass es sich um einen immunvermittelten Prozess handelt.
Die Symptome treten meist einige Tage bis mehrere Monate nach Beginn der Therapie auf und sind häufig durch schwere, potenziell letal verlaufende interstitielle Pneumonien gekennzeichnet. Meist sprechen sie gut auf Glucocorticoide an. Man muss individuell entscheiden, ob die TKI-Therapie weitergeführt werden kann.
Checkpoint-Inhibitoren wie anti-PD-1-, anti-PD-L1- und anti-CTLA-4-Antikörper stellen ein neues, sehr effektives Prinzip in der onkologischen Therapie dar. Sie aktivieren die Tumorabwehr, indem inhibitorische Interaktionen zwischen Antigen-präsentierenden Zellen und T-Lymphozyten an den sogenannten Checkpoints aufgehoben werden. Immuncheckpoint-Inhibitoren werden bei immer mehr Tumorentitäten eingesetzt (17).
Die immunstimulierende Wirkung der Antikörper führt jedoch zu einem neuartigen Spektrum an Nebenwirkungen, die denen von Autoimmunerkrankungen ähneln. Checkpoint-induzierte autoimmune Nebenwirkungen können sich in allen Organsystemen manifestieren. Hier kommt es zur Infiltration aktivierter T-Lymphozyten, die körpereigene Epitope erkennen. Am häufigsten finden sich derartige Nebenwirkungen an Haut, Darm, Leber und endokrinen Drüsen (18).
Nebenwirkungen an der Lunge treten mit 3 bis 10 Prozent zwar seltener auf, sind aber mit der höchsten Mortalität verknüpft (19). Die häufigsten Symptome sind Dyspnoe, Husten, Fieber und Brustschmerzen.
Das Auftreten einer Pneumonitis hängt auch von der Tumorentität ab. Patienten mit einem NSCLC haben ein höheres Risiko als beispielsweise Melanompatienten (20). Eine vorangegangene thorakale Strahlentherapie und die Kombination zweier Checkpoint-Inhibitoren (anti-CTLA-4- und anti-PD-1-Antikörper) oder die gleichzeitige Gabe eines TKI erhöhen das pulmotoxische Risiko (21).
Da Checkpoint-Inhibitoren bei Krebspatienten mit schlechter Prognose oft die einzige erfolgversprechende Option sind, sollte die Behandlung möglichst weitergeführt werden. Oft reicht eine Dosisreduktion oder das Überspringen eines Behandlungszyklus bei gleichzeitiger Glucocorticoid-Gabe aus. Nur bei schweren und lebensbedrohlichen Symptomen sollte die Behandlung abgebrochen werden (22).