Angriff auf die Lunge |
Auftreten und Symptome einer medikamentös ausgelösten Lungenerkrankung sind komplex. Anamnese und bildgebende Verfahren sind wichtige Bausteine der Diagnostik. / Foto: Getty Images/FatCamera
Medikamentös induzierte Erkrankungen an der Lunge können sich in vielfältigen klinischen Erscheinungsbildern äußern, die vom banalen Husten bis hin zum lebensbedrohlichen akuten Atemnotsyndrom (ARDS) reichen. Besonders häufig treten Erkrankungen an den Atemwegen und sogenannte interstitielle Lungenerkrankungen auf. Bei Letzteren handelt es sich um eine heterogene Gruppe von mehr als 100 verschiedenen Entitäten, die das Epithel der Lungenbläschen, das Endothel der Lungenkapillaren, die Basalmembran sowie das Binde- und Stützgewebe rund um die Blutgefäße und kleinen Atemwege betreffen.
Am Anfang der interstitiellen Lungenerkrankungen stehen häufig entzündliche Prozesse im Vordergrund. Im Verlauf solcher Alveolitiden kann es zu einer zunehmenden Vernarbung bis hin zur Lungenfibrose kommen.
Die genaue Häufigkeit einer medikamentös bedingten Lungentoxizität ist schwer abzuschätzen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass klinische, radiologische und auch morphologische Befunde häufig sehr unspezifisch sind und andere Ursachen, vor allem Infektionen, ausgeschlossen werden müssen. Nicht selten begünstigen medikamentös ausgelöste Lungenschäden das Risiko für eine bronchopulmonale Infektion, was die Identifizierung eines pneumotoxischen Arzneistoffs drastisch erschwert (1).
Insgesamt geht man davon aus, dass 14 Prozent aller schweren Asthmaanfälle und 10 Prozent aller ARDS-Erkrankungen auf Arzneistoffe zurückzuführen sind. Dies gilt auch für 3 bis 5 Prozent aller interstitiellen Lungenerkrankungen (2). Besonders die akute eosinophile Pneumonie, eine Unterform der interstitiellen Lungenerkrankung, tritt häufig nach Medikamentengabe auf und ist durch Einwanderung von eosinophilen Granulozyten gekennzeichnet.
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass viele medikamentös bedingte pulmonale Schädigungen, gerade aufgrund der unspezifischen Symptome, nicht erkannt werden (3).
Husten und Atemnot können viele Ursachen haben. Eventuell sind Medikamente die Auslöser. / Foto: Getty Images/Vladimir Vladimirov
Für viele Medikamente wurden Nebenwirkungen an den Atmungsorganen beschrieben. Zytostatika und Krebstherapien stehen an erster Stelle einer solchen Pulmotoxizität, gefolgt von Antirheumatika, Antibiotika, nichtsteroidalen Antiphlogistika, Psychopharmaka und Antiarrhythmika (4).
Seit 1995 existiert eine Datenbank, die ständig aktualisiert wird und in der alle medikamentös induzierten Nebenwirkungen an der Lunge erfasst werden (www.pneumotox.com). Aktuell sind mehr als 1100 potenziell pneumotoxische Arzneistoffe aufgeführt, darunter auch als gut verträglich geltende, rezeptfrei erhältliche. Die Datenbank gibt einen ersten Einblick, ob und wie häufig ein Arzneistoff die Atmungsorgane schädigt.
Verschiedene Mechanismen können an der Entstehung von Nebenwirkungen an den Atmungsorganen beteiligt sein. Häufig sind diese spezifisch auf die Lunge begrenzt, aber auch Schädigungsmuster mit Beteiligung weiterer extrapulmonaler Organe können auftreten. Neben einer direkten Toxizität des Arzneistoffs oder seiner Metaboliten kann es vor allem zu immunologisch vermittelten Reaktionen an der Lunge kommen.
Nicht selten ist eine zytotoxische Wirkung von Arzneistoffen auf die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies zurückzuführen, deren Entstehung durch einen hohen Sauerstoffgehalt begünstigt wird. Dieser ist naturgemäß in der Lunge sehr hoch: Mindestens 10.000 Liter Luft strömen jeden Tag ganz automatisch durch unser Atmungsorgan. Mit der Luft werden jedoch auch Stäube, Bakterien, Viren und Allergene aufgenommen. Die Lunge reagiert darauf mit der Bildung von proinflammatorischen Mediatoren und einer Aktivierung des Immunsystems. Tatsächlich können Alveolarepithelzellen zahlreiche proinflammatorische Zytokine bilden (5).
Auch finden sich zahlreiche Immunzellen in der Lunge. Neben Makrophagen in den Alveolen und im Interstitium kommen in der Lunge dendritische Zellen und lungenspezifische innate lymphoide Zellen vor, die einer ersten Infektabwehr dienen (6). Zahlreiche Arzneistoffe können proinflammatorische Signalwege verstärken und damit immunologische Reaktionen fördern oder sogar erst auslösen.
In vielen Fällen induzieren Arzneistoffe selbst allergische Immunreaktionen. Meist stellen die Medikamente oder ihre Metabolite ein Hapten dar, das nach Bindung an ein Protein zum Vollantigen wird. Bei Reaktionen vom Soforttyp (Typ-I-Allergie) kommt es zur IgE-Bildung und bei einem Zweitkontakt zu einer Aktivierung von Mastzellen. Die Ausschüttung von Histamin, Leukotrienen und weiteren Mediatoren führt an der Lunge zu Bronchokonstriktion, Angioödemen und Atemnot.
Manche Arzneistoffe können die Lungenfunktion beeinträchtigen. Regelmäßige Kontrollen sind notwendig. / Foto: Getty Images/Kobus Louw
Dagegen ist die Typ-IV-Allergie durch eine Aktivierung von T-Lymphozyten gekennzeichnet, die mit einer Entzündungsreaktion und der Infiltration weiterer Immunzellen verknüpft ist. Vor allem die Ansammlung von Eosinophilen in der Lunge ist hier charakteristisch. Gerade im Hinblick auf allergische Reaktionen mehren sich die Hinweise, dass eine genetische Prädisposition für die medikamentös ausgelösten Nebenwirkungen an der Lunge existieren könnte (7).
Schließlich können Arzneistoffe auch unmittelbar, also ohne dazwischengeschaltete Immunreaktion, Mastzellen aktivieren. Die klinischen Erscheinungsbilder mit Bronchokonstriktion und Angioödem-Bildung ähneln sehr den echten immunologisch bedingten Typ-I-Allergien und werden daher als Pseudoallergien bezeichnet.
Tatsächlich ist auch die Lunge ein metabolisch aktives Organ. Die Gesamtkonzentration der Enzyme der Cytochrom-P450-Superfamilie beträgt hier etwa 10 Prozent der Konzentration in der Leber (8). Allerdings besitzt die Lunge ein sehr individuelles Cytochrom-P450-Isoenzym-Muster, sodass sich die Metabolisierung von Arzneistoffen doch sehr von der hepatischen Umwandlung unterscheiden kann. Zudem besteht auch hier die Möglichkeit der Induktion oder Inhibition der Cytochrom-P450-Enzyme durch eine Komedikation.
Die Diagnose einer medikamentös induzierten Lungenschädigung ist sehr komplex, weil Laborparameter, radiomorphologische Befunde und klinische Manifestationen meistens sehr unspezifisch sind und Arzneistoffe ein sehr breites Spektrum an bronchopulmonalen Krankheitsbildern auslösen können. Häufige Symptome sind Husten, Fieber, Atemnot und Hypoxämie.
Am Anfang einer Diagnose stehen der klinische Verdacht und eine entsprechende Medikamentenanamnese. Bereits dokumentierte Fälle (www.pneumotox.com) geben einen ersten Anhaltspunkt. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Arzneistoffapplikation und Krankheitsmanifestation ist essenziell. Allerdings kann die Latenzzeit zwischen der Exposition und dem Auftreten von Symptomen von wenigen Minuten, beispielsweise bei allergischen Reaktionen, bis zu mehreren Jahren betragen.
Bei der Diagnostik werden klinisches Erscheinungsbild, radiomorphologische Untersuchungen sowie Lungenfunktionstests mit einer plausiblen Arzneistoffexposition in Zusammenhang gebracht (9). Eine bronchoalveoläre Lavage kann wertvolle kompatible Informationen hinsichtlich immunologischer Reaktionen liefern und eine mögliche Infektion ausschließen.
Von Bedeutung ist der Effekt einer Arzneistoffkarenz. Allerdings führt diese nicht immer zur Verbesserung der Symptomatik, da manche medikamentös ausgelösten Schädigungen, beispielsweise Lungenfibrosen, nicht reversibel sind.
Medikamentös induzierte Nebenwirkungen an der Lunge treten besonders häufig bei Tumorpatienten auf. Man geht davon aus, dass etwa 10 Prozent aller Patienten bei ihrer Chemotherapie einen Lungenschaden entwickeln (10).
Nahezu alle Zytostatika können pneumotoxisch wirken (Tabelle 1). Diese Effekte können bereits während der Therapie, beispielsweise in Form eines Lungenödems, oder erst einige Monate bis Jahre nach der Behandlung, oft als fibrotische Veränderung, auftreten. Da häufig mehrere Zytostatika kombiniert werden, kann es schwierig sein, den ursächlichen Arzneistoff zu identifizieren (11).
Klinisches Bild | Beispiele ursächlicher Arzneistoffe | |
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Alveolitis | Bleomycin, fast alle Zytostatika (Cyclophosphamid, Lomustin, Carmustin et cetera), Immun-Checkpoint-Inhibitoren, Tyrosinkinase-InhibitorenAmiodaron, Carbamazepin, Cotrimoxazol, Nitrofurantoin, NSAID, Phenytoin, Sirolimus, Sulfasalazin | |
Lungenfibrose | Bleomycin, Busulfan, Carmustin, Mitomycin C und viele weitere Zytostatika, Tyrosinkinase-InhibitorenAmiodaron, Amphotericin B, Bromocriptin, Hydrochlorothiazid, Nitrofurantoin, Sulfasalazin | |
akutes Atemnotsyndrom (ARDS) | Bleomycin, Busulfan, Carmustin, Chlorambucil, Cyclophosphamid, Docetaxel, Gefitinib, Gemcitabin, Mitomycin C, PaclitaxelAmiodaron, Carbamazepin, Cotrimoxazol, Nitrofurantoin, SirolimusCAR-T-Zell-Therapie |
Unter Bleomycin ist das Risiko einer pulmotoxischen Nebenwirkung drastisch erhöht. Der Wirkstoff ist in vielen Kombinationstherapien enthalten, zum Beispiel bei Hodenkrebs, den Lymphdrüsenkrebs-Formen Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgkin-Lymphom sowie dem Plattenepithelkarzinom.
Der zytostatische Wirkmechanismus ist gut untersucht. Bleomycin dient als Chelatbildner für Eisen-Ionen, was die Bildung eines reaktiven Sauerstoffkomplexes ermöglicht. Gleichzeitig hat Bleomycin eine DNA-Bindungsstelle, sodass es durch den aktiven Komplex zur radikalischen Abstraktion eines Wasserstoffatoms an einem Desoxyribose-Rest kommt: Ein DNA-Strangbruch ist die Folge (12).
Die hohe Lungentoxizität ist jedoch auch ein pharmakokinetisches Problem. Denn die Inaktivierung von Bleomycin erfolgt durch Deamidierung mittels einer Bleomycin-Hydrolase. Gerade dieses Enzym ist aber in der Lunge kaum vorhanden. Noch Jahre nach einer Therapie können als Spätfolge unter anderem Lungenfibrosen auftreten. Jährliche Vorsorgeuntersuchungen einschließlich Röntgenaufnahmen und Lungenfunktionstests sind daher dringend zu empfehlen (13).
Auch bei vielen anderen Zytostatika, beispielsweise Cisplatin, Cyclophosphamid, Busulfan, Carmustin oder Gemcitabin, sind Lungenschäden möglich. Risikofaktoren sind neben höherem Lebensalter vor allem die kumulative Medikamentendosis, eine zusätzliche Strahlentherapie, bestehende Lungenerkrankungen und hohe Sauerstoffgehalte in der Atemluft, beispielsweise beim Sporttauchen.
Neben den klassischen Zytostatika stehen niedermolekulare Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) zur Verfügung, die eine zielgerichtete Tumortherapie erlauben. Überraschend ist, dass auch bei TKI schwere pulmonale Nebenwirkungen auftreten können. In den meisten Fällen handelt es sich um interstitielle Lungenerkrankungen, die durch eine Strahlentherapie und bestehende Lungenerkrankungen begünstigt werden.
Derartige pulmotoxische Wirkungen wurden für die EGF-Rezeptor-Inhibitoren Erlotinib und Gefitinib beschrieben, die unter anderem zur Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) eingesetzt werden. In einer Metaanalyse von randomisierten kontrollierten klinischen NSCLC-Studien betrug die Inzidenz von interstitiellen Lungenerkrankungen unter Erlotinib 0,9 Prozent im Vergleich zu 0,4 Prozent bei Patienten in den Kontrollarmen (14). Auch bei BRC-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib oder Dasatinib, die überwiegend zur Erstlinientherapie der chronischen myeloischen Leukämie eingesetzt werden, wurden Nebenwirkungen an der Lunge beschrieben (15).
Asiatische Patienten haben eine sehr viel höhere Inzidenz für eine interstitielle Lungenerkrankung nach Einnahme von Tyrosinkinase-Inhibitoren als Patienten kaukasischer Abstammung. / Foto: Getty Images/FatCamera
Interessanterweise findet man bei asiatischen Patienten mit etwa 5 Prozent eine sehr viel höhere Inzidenz für eine interstitielle Lungenerkrankung nach Gabe von TKI, was auf eine genetische Prädisposition hinweist (16). Ebenso deutet dies darauf hin, dass es sich um einen immunvermittelten Prozess handelt.
Die Symptome treten meist einige Tage bis mehrere Monate nach Beginn der Therapie auf und sind häufig durch schwere, potenziell letal verlaufende interstitielle Pneumonien gekennzeichnet. Meist sprechen sie gut auf Glucocorticoide an. Man muss individuell entscheiden, ob die TKI-Therapie weitergeführt werden kann.
Checkpoint-Inhibitoren wie anti-PD-1-, anti-PD-L1- und anti-CTLA-4-Antikörper stellen ein neues, sehr effektives Prinzip in der onkologischen Therapie dar. Sie aktivieren die Tumorabwehr, indem inhibitorische Interaktionen zwischen Antigen-präsentierenden Zellen und T-Lymphozyten an den sogenannten Checkpoints aufgehoben werden. Immuncheckpoint-Inhibitoren werden bei immer mehr Tumorentitäten eingesetzt (17).
Die immunstimulierende Wirkung der Antikörper führt jedoch zu einem neuartigen Spektrum an Nebenwirkungen, die denen von Autoimmunerkrankungen ähneln. Checkpoint-induzierte autoimmune Nebenwirkungen können sich in allen Organsystemen manifestieren. Hier kommt es zur Infiltration aktivierter T-Lymphozyten, die körpereigene Epitope erkennen. Am häufigsten finden sich derartige Nebenwirkungen an Haut, Darm, Leber und endokrinen Drüsen (18).
Nebenwirkungen an der Lunge treten mit 3 bis 10 Prozent zwar seltener auf, sind aber mit der höchsten Mortalität verknüpft (19). Die häufigsten Symptome sind Dyspnoe, Husten, Fieber und Brustschmerzen.
Das Auftreten einer Pneumonitis hängt auch von der Tumorentität ab. Patienten mit einem NSCLC haben ein höheres Risiko als beispielsweise Melanompatienten (20). Eine vorangegangene thorakale Strahlentherapie und die Kombination zweier Checkpoint-Inhibitoren (anti-CTLA-4- und anti-PD-1-Antikörper) oder die gleichzeitige Gabe eines TKI erhöhen das pulmotoxische Risiko (21).
Da Checkpoint-Inhibitoren bei Krebspatienten mit schlechter Prognose oft die einzige erfolgversprechende Option sind, sollte die Behandlung möglichst weitergeführt werden. Oft reicht eine Dosisreduktion oder das Überspringen eines Behandlungszyklus bei gleichzeitiger Glucocorticoid-Gabe aus. Nur bei schweren und lebensbedrohlichen Symptomen sollte die Behandlung abgebrochen werden (22).
T-Lymphozyten mit genetisch modifizierten chimären Antigenrezeptoren (CAR-T-Zellen) haben die Therapie von malignen hämatologischen B-Zell-Erkrankungen revolutioniert. Durch die Interaktion des CAR-Rezeptors mit dem Zielantigen, zum Beispiel CD19 oder BCMA auf B-Lymphozyten, kommt es zur Aktivierung der T-Zellen und zu einer erwünschten Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen (23).
Ein Zytokin-Freisetzungssyndrom ist potenziell lebensbedrohlich. Häufig ist eine Beatmung erforderlich. / Foto: Getty Images/Siqui Sanchez
Bei einer überschießenden Freisetzung der proinflammatorischen Mediatoren spricht man von einem Zytokin-Freisetzungssyndrom oder bei besonders schweren Verläufen von einem Zytokinsturm. Klinisch äußert sich das Syndrom durch grippeähnliche Symptome und Fieber; zudem kann es zu Organschäden kommen. Vor allem die Lunge ist betroffen. Durch eine Zytokin-vermittelte vaskuläre Permeabilitätssteigerung kann es zu einem Lungenödem und interstitiellen Lungenerkrankungen kommen (24). Die Folge ist eine respiratorische Insuffizienz, die häufig eine Beatmung erfordert.
Als wirksame Therapie hat sich Tocilizumab, ein anti-IL-6-Antikörper, erwiesen. Der Zytokinsturm ebbt nach wenigen Tagen ab und die geschädigte Lunge erholt sich in der Regel wieder vollständig.
Auch Antibiotika führen häufig zu Nebenwirkungen an der Lunge. In der Regel handelt es sich um Typ-I- und Typ-IV-Allergien. Betalactam-Antibiotika sind das prominenteste Beispiel. Auch für Nitrofurantoin sind derartige allergische Reaktionen bekannt; allerdings wirkt es auch direkt toxisch an der Lunge (25).
Nitrofurantoin wird als Mittel der ersten Wahl bei einer unkomplizierten Harnwegsinfektion eingesetzt. Es ist ein Prodrug, das in Bakterien durch Nitroreduktasen zu Nitroso-Verbindungen umgesetzt wird. Diese Reduktionsmetaboliten führen durch Adduktbildung mit der bakteriellen DNA zu Strangbrüchen.
Allerdings wurden auch pulmotoxische Nebenwirkungen wie interstitielle Pneumonie bis hin zu tödlich verlaufenden Lungenfibrosen beschrieben (Tabellen 1 und 2). Die Häufigkeit und Schwere dieser Reaktionen nimmt mit der Dauer der Anwendung zu. Meist treten diese unter Langzeittherapie über mehr als sechs Monate auf. Die Nebenwirkungen lassen sich damit erklären, dass auch in der Lunge Enzyme vorkommen, die die Bildung von reaktiven zytotoxischen Nitroso-Verbindungen katalysieren.
Klinisches Bild | Beispiele ursächlicher Arzneistoffe | |
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Husten | ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorenblocker (Sartane), Fentanyl, Mycophenolat-Mofetil, Nitrofurantoin, Propofol, Statine | |
Bronchospasmus | ACE-Hemmer, Amiodaron, Amphotericin B, ß-Adrenorezeptor-Antagonisten, Cholinesterase-Inhibitoren wie Neostigmin, NSAR, direkte Parasympathomimetika wie Pilocarpin, Opioide, Pentamidin, trizyklische AntidepressivaCyclophosphamid, Gemcitabin, Paclitaxel | |
eosinophile Lungenerkrankung | BleomycinACE-Hemmer, Amiodaron, Carbamazepin, Cephalosporine, Cotrimoxazol, Minocyclin, Penicilline, Penicillamin, Phenytoin, Propylthiouracil, Tetracyclin, Statine, Sulfosalazin |
Nitrofurantoin darf daher in der Rezidivtherapie und Prophylaxe nicht länger als sechs Monate angewendet werden (26). Beim Auftreten von Lungenreaktionen wie Atemnot, Husten und Fieber sollte die Therapie abgebrochen und eine systemische Glucocorticoid-Therapie eingeleitet werden. Zudem darf kein Reexpositionsversuch erfolgen.
Auch in Zeiten der Ablationstherapie bei Vorhofflimmern ist Amiodaron ein wirksamer und unverzichtbarer Arzneistoff bei supraventrikulären und ventrikulären Tachyarrhythmien. Die pulmonale Toxizität ist die wichtigste unerwünschte Wirkung des Antiarrhythmikums (Tabellen 1 und 2).
Dieser Effekt ist auf eine direkte Toxizität des Arzneistoffs zurückzuführen und tritt daher dosisabhängig auf. Bei einer früher durchaus üblichen Hochdosistherapie mit mehr als 400 mg/d traten pulmonale Nebenwirkungen bei 5 bis 15 Prozent der Patienten auf (27). Eine effektive antiarrhythmische Therapie gelingt jedoch auch mit therapeutischen Dosen unter 200 mg/d. Tatsächlich kommt es dann »nur« bei 0,1 bis 0,5 Prozent der Patienten zu pulmonalen Nebenwirkungen, häufig in Form einer irreversiblen Lungenfibrose (28).
Grund hierfür ist, dass sich Amiodaron als amphiphiler Arzneistoff in Lysosomen und Endosomen der Zelle einlagern kann und so den zellulären Phospholipidtransfer behindert. Besonders empfindlich reagieren Typ-II-Pneumozyten, die auch für die Bildung des Surfactants verantwortlich sind. Es kommt zu einer Hyperplasie der Pneumozyten und einer Verbreiterung der Alveolarsepten mit einem zellulären entzündlichen Infiltrat und einer unterschiedlich stark ausgeprägten interstitiellen Fibrose (29).
Hohes Alter und bestehende Lungenerkrankungen sind Risikofaktoren der Amiodaron-vermittelten Lungentoxizität. Vor Therapiebeginn werden daher eine Testung der Lungenfunktion und eine Thorax-Röntgenaufnahme empfohlen, die in regelmäßigen Abständen wiederholt werden sollten.
Zahlreiche Studien belegen, dass die Einnahme von β-Adrenorezeptor-Antagonisten (Betablocker) mit einer Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität sowie Einschränkungen des Atemflusses einhergeht (30). Bei bestehendem Asthma können β-Rezeptorenblocker Exazerbationen auslösen, weil es zu einer ungebremsten Freisetzung von Acetylcholin kommen kann (Tabelle 2). Nicht selten passiert dies sogar nach der Anwendung von Augentropfen, weil es über eine Resorption der Wirkstoffe über die Nasenschleimhaut zu einer systemischen Wirkung kommen kann (31).
Antihypertonika: Paradebeispiele für pulmonale Nebenwirkungen sind der ACE-Hemmer-induzierte Husten und Betablocker-induzierte Bronchospasmen. / Foto: Getty Images/ibnjaafar
Ähnliches gilt für das direkte Parasympathomimetikum Pilocarpin.
In der Glaukomtherapie von Asthmapatienten sind daher Carboanhydrase-Hemmer wie Dorzolamid und Brinzolamid und α-Sympathomimetika wie Brimonidin die bessere Wahl.
Die systemische Gabe von β-Rezeptorenblockern bei Asthmapatienten galt lange Zeit grundsätzlich als kontraindiziert. Diese Auffassung hat sich in den letzten Jahren geändert. Während Betablocker bei Hypertonie nicht angezeigt sind, sollten sie bei klarer kardialer Indikation wie der Herzinsuffizienz gegeben werden. Auszuwählen sind kardioselektive Betablocker, die zu Beginn in geringer Dosis und unter engmaschiger Überwachung möglicher Symptome einer Atemwegsobstruktion eingesetzt werden (32).
Bei einigen Patienten mit Asthma verursacht die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) und anderen nicht-steroidalen Antiphlogistika eine oft dramatische Verschlechterung der Erkrankung. Man spricht auch von Aspirin-exacerbated respiratory disease (AERD). Circa 5 bis 12 Prozent der Asthmapatienten sind betroffen (33).
Die pathophysiologische Gemeinsamkeit dieser Substanzen, die ASS, Piroxicam, Ibuprofen, Diclofenac und andere umfassen, besteht in ihrer Eigenschaft, die COX-1 zu hemmen. Dies verursacht einen Shift im Arachidonsäure-Stoffwechsel. Es kommt zur vermehrten Bildung der proinflammatorischen Cysteinyl-Leukotriene und einer verminderten Bildung des bronchoprotektiven Prostaglandins E2. Die Folge ist eine massive Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen. Dies löst eine Bronchokonstriktion sowie eine erhöhte Vasodilatation und Gefäßpermeabilität aus, die zur Bildung von Ödemen führt (34).
Somit handelt es sich nicht um eine allergische IgE-vermittelte Aktivierung von Mastzellen, sondern um eine pseudoallergische Reaktion. Grundsätzlich sollten Asthmapatienten nicht-steroidale Antiphlogistika meiden; jedoch ist die Desensibilisierung mit ASS in spezialisierten Zentren möglich.
ACE-Hemmer sind das bekannteste Beispiel für den medikamentös induzierten Husten, der bei 5 bis 35 Prozent der Patienten auftritt (Tabelle 2). Interessanterweise gibt es Hinweise, dass die Inzidenz auch von der Indikation der ACE-Hemmer abhängt (35). Patienten mit Herzinsuffizienz und koronarer Herzerkrankung zeigen häufiger Reizhusten als Hypertoniker.
Der Mechanismus, wie ACE-Hemmer einen Reizhusten auslösen, ist inzwischen sehr gut untersucht. Da diese nicht nur die Bildung von Angiotensin II, sondern auch den Abbau von Bradykinin hemmen, kommt es zu einer direkten Modulation der Hustenrezeptoren. Die im Lungenepithel vorkommenden Hustenrezeptoren wie TRPV1 werden durch mechanische und chemische Reize aktiviert; über den Nervus vagus gelangt der Reiz in das in der Medulla oblongata gelegene Hustenzentrum. Über den Bradykinin-Rezeptor B2 kann Bradykinin die Hustenrezeptoren phosphorylieren, sodass diese sehr viel sensitiver auf exogene Reize reagieren (36).
Weitaus weniger bekannt ist, dass ACE-Hemmer auch zu einem Larynxödem führen können; dies kommt mit einer Inzidenz von 0,1 bis 0,7 Prozent sehr viel seltener vor. B2-Rezeptoren befinden sich auch in den Gefäßen der oberen Atemwege und erhöhen die Gefäßpermeabilität. In der Folge kommt es zur Ödembildung, die mit einer vital bedrohlichen Atemwegsobstruktion einhergehen kann. Etwa 30 Prozent der Angioödeme durch ACE-Hemmer werden als lebensbedrohlich eingestuft (37).
Im Bereich der Rheumatologie zählt Methotrexat zu den am häufigsten verordneten Arzneistoffen unter den DMARD (disease-modifying anti-rheumatic drug). In der Pneumologie ist Methotrexat in der Sarkoidose-Therapie ein wichtiger Wirkstoff zur steroidsparenden immunsuppressiven Kombinationstherapie. Zahlreiche Beobachtungsstudien und Fallberichte legten einen Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten interstitieller Lungenerkrankungen nahe.
In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Gefahr einer Lungenschädigung unter Methotrexat weitaus geringer ist als angenommen. Vor allem zwei große Studien, eine Registerstudie aus Dänemark mit mehr als 30.000 Patientendaten sowie eine Fallkontrollstudie mit 1223 Patienten, haben ergeben, dass das Risiko einer pulmotoxischen Nebenwirkung nicht erhöht ist (38, 39). Die Daten deuten eher darauf hin, dass die Entstehung einer interstitiellen Lungenerkrankung leicht verzögert ist.
Warum steht Methotrexat überhaupt im Verdacht, Nebenwirkungen an der Lunge zu verursachen? Dies könnte daran liegen, dass interstitielle Lungenerkrankungen bei Patienten mit rheumatoiden Erkrankungen mit 5 bis 10 Prozent recht verbreitet sind.
Burkhard Kleuser studierte Chemie und Lebensmittelchemie sowie Biochemie und Molekularbiologie an den Universitäten Wuppertal und Hamburg. Nach seiner Promotion 1994 und seiner Postdoktorandenzeit am Medical Center, Georgetown University, Washington D.C., USA, war er von 1997 bis 2002 als wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am Institut für Pharmazie der Freien Universität (FU) Berlin tätig, bevor er sich 2002 habilitierte und auch die Lehrbefähigung für das Fach Pharmakologie und Toxikologie erhielt. Kleuser wurde 2006 zum Professor (W2) für Pharmakologie und Toxikologie an die FU Berlin berufen. Von 2009 bis 2020 bekleidete er den Lehrstuhl für Toxikologie am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Potsdam. Seit August 2020 leitet er die Abteilung Pharmakologie und Toxikologie am Pharmazeutischen Institut der FU Berlin.