Alle Ranitidin-Zulassungen ruhen vorläufig |
Daniela Hüttemann |
13.01.2021 11:00 Uhr |
Da nicht sicher ist, wie hoch die Nitrosamin-Belastung bei Ranitidin-Arzneimitteln ist, sollen diese vorerst nicht mehr eingenommen werden. / Foto: Getty Images/Ragnar Schmuck
Bei mehreren Arzneistoffen wurden seit Sommer 2018 die von der WHO als potenziell krebserregend eingestuften Nitrosamine gefunden, angefangen bei Valsartanen und anderen AT-1-Blockern mit Tetrazolstruktur, aber auch bei Ranitidin und Metformin.
Während bei den Sartanen schnell der Syntheseweg unter Verdacht geriet, bei dem je nach Bedingungen und eingesetzten Lösungsmitteln Nitrosamine entstehen können, könnte im Fall des Histamin-H2-Rezeptorantagonisten Ranitidin aus dem Molekül selbst bei der Zersetzung NDMA entstehen, so die Vermutung. Erst in der Tablette, vor allem bei falscher (zu warmer) Lagerung, aber möglicherweise auch nach der Verabreichung im Körper. Das kann derzeit nicht einmal für parenterale Formulierungen ausgeschlossen werden. Ranitidin mit seiner tertiären Amin- und Nitroethendiamin-Funktion gilt als sehr instabiles Molekül.
»Der Abbau von Ranitidin als Wirkstoff und im Arzneimittel ist derzeit unzureichend beschrieben«, kommentiert die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) die Meldung, dass das BfArM nun das vorläufige Ruhen aller Zulassungen Ranitidin-haltiger Arzneimittel vorerst bis zum 2. Januar 2023 angeordnet hat. Dabei setzt die deutsche Arzneimittelbehörde einen Beschluss der EU-Kommission vom November 2020 um.
Die wiederum hatte auf Basis einer Neubewertung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) reagiert. »In fast allen getesteten Ranitidin-Wirkstoffchargen und Ranitidin-haltigen Arzneimitteln wurde N-Nitrosodimethylamin (NDMA) oberhalb der Konzentration gefunden, die gemäß den aktuellen, in ICH M7 (R1) festgelegten Grundsätzen akzeptabel ist«, erläutert die AMK.
Der CHMP kam im September 2020 nochmals zu dem Schluss, dass angesichts der Unsicherheiten bezüglich des Risikos einer endogenen Bildung von NDMA aus Ranitidin und des Abbaus des Wirkstoffs im Laufe der Zeit, der zur Entstehung von NDMA führt, das Nutzen-Risiko-Verhältnis für alle Ranitidin-haltigen Arzneimittel derzeit negativ ist. Bislang handelt es sich zwar eher um ein theoretisches Risiko, da es bislang keine Daten aus epidemiologischen oder klinischen Studien gebe, die ein erhöhtes Krebsrisiko beim Anwender zeigen, so die AMK. Trotzdem gehen die Behörden mit dem Ruhen der Zulassung nun erst einmal auf Nummer sicher.
Die Maßnahme sei vorläufig befristet, da die Anordnung dann aufgehoben werden kann, wenn die Zulassungsinhaber bestimmte Bedingungen erfüllt haben. Dies betrifft in erster Linie parenterale Präparate. Die AMK will gegebenenfalls über Rückrufe informieren. Aktuell liegen keine vor. Die USA hatten bereits im April 2020 alle Ranitidin-haltigen Arzneimittel zurückgerufen.
Die positive Nachricht: Ranitidin ist nicht unverzichtbar. Laut Arzneiverordnungsreport sind die zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Tagesdosen kontinuierlich schon seit Jahren rückläufig. Ranitidin wird dabei vor allem bei Nichtulkus-Dyspepsie und Reizmagen-Syndrom und der nicht-erosiven Refluxkrankheit eingesetzt. In diesen Indikationen gibt es zweifelsfrei genügend pharmakotherapeutische Alternativen – sowohl im Rx- als auch im OTC-Bereich.