Abwarten ist keine Therapieoption |
Wer hustet, produziert verstärkt Aerosole. Es sollte stets in die Armbeuge gehustet werden. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Auch in den Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und medizinischer Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) mangle es an Hinweisen auf die Notwendigkeit einer leitliniengerechten und evidenzbasierten Therapie zur Minderung von Erkältungssymptomen. Das kritisierten die Referenten des gestrigen digitalen Kompetenz-Kollegs »Atemwegsinfekte in Zeiten von Corona: Isolieren und Therapieren« des Unternehmens Pohl-Boskamp.
Egal, ob den respiratorischen Symptomen ein Covid 19-Infekt oder eine banale Erkältung zugrunde liegt, egal, ob schon Gewissheit über den Auslöser der Erkrankung besteht oder nicht: »Es reicht nicht, Patienten mit Hals-, Kopf- oder Gliederschmerzen, Husten, Schnupfen oder Heiserkeit – wie nur zu häufig praktiziert – in der häuslichen Isolation sich selbst zu überlassen«, betonten die Referenten. Die Patienten sollten immer auch symptomatisch mit bewährten Therapieoptionen behandelt und entsprechend beraten werden. Insbesondere quälender Husten sei ernst zu nehmen und frühzeitig zu therapieren, auch da die Linderung des Hustenreizes zu einer Minderung der Virenverbreitung durch Tröpfchenwolken und Aerosole und somit zum Schutz des häuslichen Umfeldes beitragen kann.
»Je eher, desto besser«, konstatierte Dr. Petra Sandow, Fachärztin für Allgemeinmedizin aus Berlin, mit Verweis auf die Notwendigkeit des frühzeitigen Einsatzes effektiver medikamentöser Therapiemaßnahmen aus dem Rx- und OTC-Bereich bei Erkältungserkrankungen sowie insbesondere bei akuten und chronischen Bronchitiden. Auch pflanzliche Heilmittel mit muko-, sekreto- und bronchospasmolytischen sowie sekretomotorischen, antioxidativen, antimikrobiellen und antiinflammatorischen Effekten hätten hier ihre Berechtigung.
Sandow hob hervor, dass sie bei der Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf das Grüne Rezept zurückgreift. Dieses zeige sowohl dem Patienten als auch dem abgebenden Apotheker, dass die Anwendung eines spezifischen Arzneimittels therapeutisch notwendig und zweckmäßig ist. »Als konkrete ärztliche Handlungs- und Therapieanweisung hat das Grüne Rezept für den Patienten mehr Relevanz als eine mündliche Empfehlung und stärkt somit auch die Adhärenz«, sagte sie. Dem Patienten könne das Grüne Rezept zudem nicht nur als Merkhilfe hinsichtlich Dosierung oder Einnahmemodalitäten, sondern gegebenenfalls auch als Formular zur Kostenerstattung bei der Krankenkasse dienen.
Nach vorliegendem Erkenntnisstand verlaufen rund 20 Prozent der Covid-19-Infektionen asymptomatisch. »Von den verbleibenden 80 Prozent wiederum leiden gleichermaßen 80 Prozent der Betroffenen unter milden Krankheitsverläufen mit respiratorischen Symptomen wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit, die nachweislich von einer zielgerichteten medikamentösen Therapie profitieren können«, unterstrich im weiteren Verlauf der Veranstaltung der Internist und Pneumologe Privat-Dozent Dr. Kai-Michael Beeh aus Wiesbaden.
Die derzeit mit Blick auf die Möglichkeit einer Covid-19-Infektion häufig praktizierte »Wait and See«-Strategie sei fehl am Platz – zumal, so Beeh, Patienten, die aufgrund von Erkältungssymptomen ohne Therapieempfehlung in Quarantäne geschickt werden, zusätzlich seelischen Belastungen ausgesetzt sind. »Sie fühlen sich zu Recht im Stich gelassen«, kritisierte Beeh, der eine »Nachschärfung der Empathie« in der ambulanten medizinischen und pharmazeutischen Betreuung forderte.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.