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IQVIA-Statistik

2,4 Millionen Botendienste pro Monat

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie haben die Apotheken ihren Service, Medikamente nachhause zu liefern, verstärkt ausweiten können.Der Grund für den sprunghaften Anstieg ist eine Verordnung aus dem Gesundheitsministerium.  DAV-Chef Fritz Becker weist aber daraufhin, dass nicht alle Botendienste auch abgerechnet werden.
Charlotte Kurz
16.09.2020  16:32 Uhr

Der Botendienst ist zurzeit Streitsache der Politik. Heute Nachmittag tagt der Gesundheitsausschuss des Bundestags über das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG). Mit dem Gesetz könnte der Botendienst dauerhaft vergütet werden, mit 2,50 Euro je Dienst. Die ABDA wird heute Nachmittag allerdings auf 5 Euro je Botendienst pochen.

Dass der Botendienst ein aktuelles Politikum ist, zeigen auch Zahlen und Fakten des Informationsdienstleisters IQVIA. Demnach rechneten Apotheken im März insgesamt noch knapp 25.000 Botendienste mit den Kassen ab. Ab dem 20. März konnten Apotheken in Baden-Württemberg mit der AOK Baden-Württemberg und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau bereits Botengänge per Sonder-PZN mit 2 Euro je Botendienst abrechnen. Mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bekamen ab dem 22. April bundesweit alle Apotheken die Botendienste vergütet und zwar mit 5 Euro netto je Lieferort. Und die Verordnung hatte einen deutlichen Effekt: Im April stieg die Zahl der abgerechneten Botendienste auf knapp 520.000, im Mai dann sogar auf gut 2,4 Millionen. Auch für Juni und Juli dieses Jahres rechneten Apotheken insgesamt jeweils rund 2,4 Millionen Botendienste ab. Bei den etwa 19.000 Apotheken in Deutschland ergibt sich damit ein durchschnittliches monatliches Angebot von etwa 126 Botendiensten pro Apotheke. Insgesamt beliefen sich die Kosten für die Krankenkassen auf rund 45 Millionen Euro.

Die Zahlen von IQVIA zeigen zudem, dass die große Mehrheit der abgerechneten Botendienstgänge auf Rezepte von Hausärzten zurückgehen (77 Prozent). Damit konnte in den chaotischen Zeiten der Pandemie die medizinische Grundversorgung der Patienten bis vor die Haustür gesichert werden.

Vor allem Ältere nutzen den Botendienst

Zudem profitierten vor allem Ältere von der Verordnung aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), denn aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus trauten sich viele nicht mehr in die Apotheke vor Ort. 84 Prozent der Botendienste beanspruchten somit die Über-50-Jährigen. Davon bestellte die Altersgruppe 80 Plus mit 30 Prozent die meisten Medikamente nachhause, dicht gefolgt von den 70 bis 79-Jährigen (22 Prozent) und den 60 bis 69-Jährigen (18 Prozent). Bei den Personen unter 40 Jahren nutzten nur 10 Prozent das Angebot der Vor-Ort-Apotheken zur Lieferung von Arzneimitteln bis vor die Haustür.

Interessant ist auch ein Blick auf die regionale Verteilung der abgerechneten Botendienste. IQVIA rechnete die Botendienste auf je 100.000 Einwohner um und kommt zu dem Ergebnis, dass das Saarland Spitzenreiter bei den abgerechneten Botendiensten in den vergangenen Monaten ist, mit 18.000 Botendiensten je 100.000 Einwohner. Rheinland-Pfalz folgt mit gut 13.000 Botendiensten, Thüringen befindet sich mit 12.000 abgerechneten Diensten auf Platz 3. In den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen leisteten die Apotheken pro 100.000 Einwohner nur zwischen 1.600 und gut 2.000 Botendienste.

Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, geht allerdings davon aus, dass diese Zahlen nicht alle Botendienste erfassen und erklärte: »Eine bundesweite Umfrage der ABDA im Frühjahr dieses Jahres hat ergeben, dass die Apotheken normalerweise jeden Tag 300.000 Botendienste leisten und diese Kapazität im Ausnahmemonat März sogar noch um 50 Prozent gesteigert haben. Dass in den vergangenen Monaten noch längst nicht jeder einzelne Botendienst bei den Krankenkassen abgerechnet wurde, ist kein Wunder. So sind rezeptfreie Medikamente, Hilfsmittel, Privatrezepte oder die Heimversorgung beim Botendienst nicht einzeln abrechnungsfähig. Und etliche Apotheke scheinen außerdem nicht alle abrechnungsfähigen Botendienste auch wirklich abzurechnen, weil sie ihre Prozesse noch nicht angepasst haben oder Auseinandersetzungen mit Kassen fürchten. Belastbare Erkenntnisse werden wir in den nächsten Monaten gewinnen.«

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