100 Jahre Hilfe bei Hämorrhoiden |
Elke Wolf |
25.07.2022 09:00 Uhr |
1922 kommt Posterisan auf den Markt, entwickelt von Apotheker Dr. Franz Lutze in der Berliner Oranien-Apotheke. Damals enthielt das Arzneimittel eine am Anwendungsort immunologisch wirkende Bakterienkultursuspension aus abgetöteten Escherichia coli. / Foto: Foto: Dr. Kade Healthcare
1922 kommt Posterisan auf den Markt, entwickelt von Apotheker Dr. Franz Lutze in der Berliner Oranien-Apotheke. Damals enthielt das Arzneimittel eine am Anwendungsort immunologisch wirkende Bakterienkultursuspension aus abgetöteten Escherichia coli – eine gegen das Brennen, Jucken und die Schmerzen am Po wahrlich innovative Behandlungsoption. In seiner ursprünglichen Zusammensetzung ist Posterisan bis heute im Ausland auf dem Markt, etwa in der Ukraine, Polen oder Litauen. Hierzulande hat sich Posterisan® akut, das heute das Lokalanästhetikum Lidocain enthält, laut dem Herstellerunternehmen Dr. Kade zum führenden OTC-Präparat im Hämorrhoidalbereich entwickelt.
Die Geschichte hinter dem Arzneimitteljubilar nimmt seinen Anfang 1886, als Dr. Franz Lutze »Dr. Kade‘s Oranien-Apotheke« in Berlin-Kreuzberg übernimmt. Den Namen des Gründers, Apotheker Dr. Rudolph Kade, behält er bei und legt damit den Grundstein für die Firmenhistorie der heutigen Dr. Kade Pharmazeutische Fabrik GmbH. Der Schaffensdrang Lutzes sowohl in naturwissenschaftlicher als auch unternehmerischer Hinsicht führte dazu, dass »die Fabrikation, die auf pharmazeutisch-technischem Gebiet lag und die Lohnanfertigung etwa von Granules, Tabletten und subkutanen Injektionen umfasste« – so zu lesen in »Dr. Kade – die Geschichte eines Familienunternehmens« von Professor Dr. Christoph Friedrich –, immer mehr Raum einnahm und schließlich 1908 aus den Apothekenräumen ausgelagert und im Hinterhof des Gebäudes eine eigene Produktionsstätte aufgebaut wurde.
Labor der Oranien-Apotheke um 1900 / Foto: Foto: Dr. Kade Healthcare
Bereits in den späten 1880er-Jahren war das Sortiment der Apotheke laut Firmenbroschüre weit gespannt und umfasste, wie die Ausstellungen des Unternehmens zeigten, Ergotin-Präparate und zahlreiche galenische Zubereitungen wie Pastillen, Granules, Dragees, Ätzstifte sowie auch Injektabilia, die Kokain, Strychnin und Morphin enthielten. Es gab auch Arzneifertigwaren wie Phenacetin® und Sulfonal®, aber auch Bandwurmmittel, Sublimatpastillen, Salol und Jodoformstäbchen. Zudem machte sich Lutze einen Namen mit zahlreichen vertriebenen Haus-, Taschen- und Reiseapotheken sowie schließlich Tropen- und Tornister-Apotheken. Der Apotheker belieferte bald deutsche Kolonialtruppen und die Bordapotheke der kaiserlichen Yacht »Hohenzollern« mit selbst hergestellten Arzneimitteln. In der »Pharmaceutischen Zeitung« von 1888 erschien eine Anzeige, in der die Oranien-Apotheke als »Centralstelle für alle medizinischen Novitäten« vorgestellt wird.
»Lutze hatte ein ausgeprägtes Interesse an naturwissenschaftlicher Forschung. Vor allem pharmakologische Zusammenhänge interessierten ihn sehr«, erzählte Apothekerin Annett Schubert, Leiterin des Wissenschaftlichen Bereichs bei Dr. Kade, bei der Pressekonferenz anlässlich des Posterisan-Jubiläums. Und auch in der Firmengeschichte ist zu lesen »… und es reizte den pharmazeutischen Praktiker, sich und seine Geschicklichkeit an ihnen - neuen Arzneiformen - zu versuchen«. In seinem handschriftlichen Lebenslauf bestätigt er selbst, dass er seine »practische Thätigkeit in direkter Verbindung mit dem auf sein Fach bezüglichen Fortschritten der Wissenschaft« betreiben wolle. Dabei stehen Verbandsstoffe, Wundbehandlung, Antiasthmatika und Hämorrhoidalleiden im Fokus, fasst Schubert den Schaffensdrang zusammen. Vor Posterisan kam übrigens 1905 das erste Hämorrhoidenmittel mit Inhaltsstoffen der Hamamelis auf den Markt.
Frühes Werbeplakat für das Präparat Posterisan, dessen Name auch nach der Rezepturänderung beibehalten wurde. / Foto: Foto: Dr. Kade Healthcare
»Bei seinen Studienarbeiten muss er aufmerksam geworden sein auf die immunologische Wirkweise von abgetöteten Bakterien. Deren Stoffwechselbestandteile und Zellreste wirken lokal immunstimulierend. Neben Posterisan mit seiner abgetöteten Bakterienkultursuspension (BKS) aus E. coli gab es damals noch ein weiteres Präparat namens Eksalb mit vier Hautkeimen, welches bei verschiedenen Dermatosen zum Einsatz kam«, führte Schubert aus. Zwar hat die BKS in Posterisan das Nachzulassungsverfahren in den 1980er- und 1990er-Jahren nicht bestanden, weshalb man sich von Firmenseite entschied, mit Lidocain als Wirkstoff weiterzuarbeiten. Dennoch sei es laut Schubert bemerkenswert, dass Lutze bereits vor 100 Jahren in Bakterien ein Therapiepotenzial gesehen hat, »wo heute das Mikrobiom ganz en vogue ist«. Der Name des Präparates ist stets beibehalten worden. Der erste Namensbestandteil leitet sich vom Lateinischen post (= hinter) beziehungsweise posterior (= hintere) ab. San geht auf das lateinische sanus, also gesund, zurück.
Über die Jahre baute Dr. Kade das Proktologie-Portfolio aus. Heute gehören für den OTC-Markt mit Posterine® und Faktu® lind zwei bekannte Hamamelisblätter-Extrakte zum Sortiment. Zur Vorbeugung von Hämorrhoiden-Rezidiven steht zudem mit Posterisan® protect ein Medizinprodukt mit Jojobaöl und Bienenwachs zur Verfügung. Mit weiteren verschreibungspflichtigen Präparaten werden nahezu alle proktologischen Beschwerden abgedeckt. Und: »Unsere halbfesten Präparate wie die Proktologika werden heute in Berlin hergestellt. Das sind jährlich insgesamt 11 Millionen Packungen. Wir stehen als Mittelständler zu Qualität aus Deutschland«, sagte Schubert.