Zwei weitere Anträge zur Impfpflicht stehen |
In den Augen einiger Bundestagsabgeordneten sollen auch künftig Ärzte in Impfzentren weiter eine wichtige Aufgabe übernehmen: Verpflichtende Impf-Aufklärungsgespräche. / Foto: Adobe Stock/lotharnahler
Zwei verschiedene Anträge, die sich mit einer möglichen Covid-19-Impfpflicht beschäftigen, liegen bereits seit Ende vergangener Woche auf dem Tisch. Am heutigen Mittwoch stellten einige Bundestagsabgeordnete zwei weitere Entwürfe vor, die insgesamt alle Anfang März im Bundestag diskutiert werden sollen.
Eine verpflichtende Impfaufklärung mit einer anschließenden möglichen Impfpflicht ab 50 Jahren haben fraktionsübergreifend einige Bundestagsabgeordnete darunter der FDP-Gesundheitspolitiker Professor Andrew Ullmann sowie die Grünen-Politikerin und Berichterstatterin für Apothekenthemen, Paula Piechotta, und der SPD-Abgeordnete Herbert Wollmann vorgestellt. Über das Konzept sprach die PZ bereits mit Piechotta.
Nun liegt der konkrete Gesetzentwurf vor. Darin heißt es, dass alle Personen, die seit mindestens sechs Monaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, verpflichtet sind, spätestens bis zum 15. September 2022 entweder über einen Impf- oder Genesenennachweis oder einen »Nachweis über eine individuelle ärztliche Beratung zu Schutzimpfungen gegen das Coronavirus« zu verfügen. Damit soll es ein sogenanntes Covid-19-Beratungszertifikat geben, das etwa den Namen der Person, das Geburtsdatum sowie das Datum und Angaben zur Beratung einschließlich Informationen zum Aussteller enthält. Dieses Zertifikat soll ähnlich wie die Test, Genesenen- oder Impfzertifikate vom Robert-Koch-Institut (RKI) entwickelt und sowohl in der Corona-Warn-App als auch in der CovPass-App abgebildet werden. Dabei sollen die Krankenversicherungen ihre Versicherten über diese Beratungspflicht bis spätestens zum 15. Mai 2022 informieren.
Das Impf-Aufklärungsgespräch selbst soll vor allem in Impfzentren stattfinden, erklärte Ullmann am Mittwoch im Rahmen eines Pressegesprächs auf Nachfrage der PZ. Er gehe davon aus, dass die Nachfrage nach Impfungen im Laufe des Sommers nachlassen wird, deshalb werde es dort Kapazitäten für diese Gespräche geben. Auch Allgemeinmediziner und Hausärzte könnten diese Gespräche übernehmen, diese seien aber bereits stark ausgelastet und sollen durch die Aufklärungsgespräche nicht weiter belastet werden. Allerdings sollen diese Gespräche nicht terminlich zugewiesen werden. Die Benachrichtigung vonseiten der Krankenkassen sollen aber Möglichkeiten aufweisen, wo die Beratungsgespräche möglich sind.
In einem zweiten Schritt soll der Bundestag dann die Voraussetzungen per Beschluss schaffen können, eine Impfpflicht für Über-50-Järhige rechtzeitig vor einer für den Herbst und Winter 2022/2023 zu erwartenden Infektionswelle zu beschließen. Damit müssten alle Personen über 50 Jahre sich gegen Covid-19 impfen lassen oder über einen entsprechenden Genesenennachweis verfügen. In diesem Fall soll die Bescheinigung über das ärztliche Beratungsgespräch einen Monat nach Bekanntmachung des Beschlusses im Bundesgesetzblatt seine Gültigkeit verlieren. Die Impfpflicht soll nicht für Personen gelten, die im ersten Schwangerschaftsdrittel sind oder aufgrund von medizinischen Kontraindikationen nicht gegen Covid-19 geimpft werden können.
Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, eine Überlastung des Gesundheitssystems vor allem im Herbst 2022 zu verhindern. Wer im ersten Schritt kein Impf-, Genesenen- oder Beratungszertifikat vorweisen kann oder im zweiten Schritt (Über-50-Jährige) kein Impf- oder Genesenennachweis vorweisen kann, muss mit einem Ordnungsgeld rechnen. Zuständige Behörden können die Nachweise anfordern. Auch die Polizei kann bei Personenkontrollen stichprobenartig nach den Zertifikaten fragen, erklärte Ullmann. Wenn diese nicht vorliegen, kann ein Ordnungsgeld fällig werden. Wenn dieses nicht bezahlt werden kann, sei aber eine Ersatzhaft ausgeschlossen, sieht der Gesetzentwurf vor.
Auch dieser Entwurf sieht ähnlich wie der Gesetzentwurf zur Impfpflicht ab 18 Jahren eine Verlängerung der Covid-19-Impfungen in Apotheken vor. Die bisher geregelten Apotheken-Impfungen in Paragraf 20b des Infektionsschutzgesetzes sollen lediglich in den Paragraf 20e verschoben werden. Und das Gesetz soll bis zum 31. Dezember 2023 gelten und alle drei Monate vonseiten der Bundesregierung evaluiert werden. Der Bundestag soll das Gesetz aber je nach Lage schon vorher aufheben können oder um bis zu ein Jahr verlängern. Zudem sieht der Entwurf vor, dass das Bundesgesundheitsministerium ohne Zustimmung des Bundesrats Näheres unter anderem über das Vorlage- und Benachrichtigungsverfahren per Verordnung festlegen darf.
Ein insgesamt vierter Antragsentwurf beschäftigt sich ebenfalls mit der Thematik. Bereits im Dezember hatten sich einige Bundestagsabgeordnete rund um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) in einem Antragsentwurf an die Bundesregierung gegen die allgemeine Impfpflicht ausgesprochen, nun liegt der Antrag als Drucksache vor. Neu ist, dass sich unter anderem prominente Abgeordnete der Linken wie Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht unter den Unterzeichnern des Gruppenantrags finden. Neu ist auch, dass die Abgeordneten fordern, den Immunitätsstatus der Bevölkerung verstärkt zu erforschen und »im Sinne einer möglichen Grundimmunisierung zu berücksichtigen«. Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit bekommen, ihren Immunitätsstatus »in qualifizierten Laboren nach wissenschaftlich entwickelten Standards den Immunstatus zu ermitteln«. Im Entwurf hatten sie noch auf eine möglichst baldige Zulassung eines proteinbasierten Impfstoffs gedrungen. Dies ist inzwischen überholt; Ende Februar soll der proteinbasierte Novavax-Impfstoff hierzulande ausgeliefert werden.
Die Argumente für ihr Nein zur allgemeinen Impfpflicht decken sich ansonsten mit denen im Entwurf. So heißt es zum Beispiel, dass anders als etwa Masern oder Pocken eine Ausrottung bei SARS-CoV-2 nicht erreicht werden könne, auch nicht mit einer staatlich verordneten Impfpflicht. Solche »Zielmarken« seien mit den derzeit zur Verfügung stehenden Impfstoffen »nicht definierbar, weil nicht erreichbar«. Und selbst wenn die Impfpflicht nicht auf Ausrottung, sondern darauf abziele, darüber das Gesundheitssystem dauerhaft zu entlasten, seien etwa zu Schutzdauer und -umfang einer Impfung noch zahlreiche Fragen ungeklärt. »Auch hier besteht ein entscheidender Unterschied zu den lange Immunität gewährenden Impfstoffen gegen Masern oder Pocken«, schreiben die Abgeordneten. Mit Blick auf das anfangs von zahlreichen Politikerinnen und Politikern über die Parteien hinweg gegebene Versprechen, keine allgemeine Impfpflicht einzuführen, warnen sie zudem vor einem »langfristigen Schäden in der Gesellschaft«, falls ein solches Versprechen gebrochen würde.
Der Bundestag möge also die Bundesregierung bitten zu ermitteln, mit welcher Impfrate und mit welchem Impfintervall eine dauerhafte Entlastung des Gesundheitssystems gewährleistet werden könne, schreiben die Abgeordneten. Zudem gelte es, die »Anstrengungen unterhalb des Grundrechtseingriffs einer Impfpflicht« zu intensivieren, etwa durch Aufklärung und Informationskampagnen zur Covid-19-Impfung. Niedrigschwellige Impfangebote seien aufrechtzuerhalten, ebenso Beratungsangebote in der Fläche, insbesondere für Menschen ohne festen Hausarzt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.