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Wie erkläre ich es dem Kunden?

Zuzahlung und Festbetrag

Ein häufiger Anlass für Rückfragen von Seiten der Apothekenkunden sind die zu tragenden Kosten beim Einreichen von Kassenrezepten. Der zweite Teil der PZ-Serie »Wie erkläre ich es dem Kunden?« beleuchtet, wie Zuzahlungsbeträge entstehen und was es mit dem Festbetrag auf sich hat.
Carolin Lang
17.09.2020  12:30 Uhr

»Warum muss ich denn etwas bezahlen, ich habe doch ein Rezept?« oder »Das letzte Mal musste ich nur 5 Euro bezahlen.« sind häufige Fragen und Aussagen, mit denen pharmazeutisches Personal am HV konfrontiert wird. Wundern sich Apothekenkunden über die zu tragenden Kosten und äußern vielleicht sogar ihren Unmut darüber, kann es hilfreich sein zu erklären, wie diese entstehen.

Gesetzlich Krankenversicherte müssen in der Regel für jedes verordnete Medikament eine Zuzahlung leisten, also einen Eigenanteil am Gesamtpreis. Den Rest der Kosten übernimmt die jeweilige Krankenkasse. Die Zuzahlung ist abhängig vom Preis des entsprechenden Medikaments. Sie beträgt in der Regel zehn Prozent des Verkaufspreises, mindestens fünf Euro aber höchstens zehn Euro. Sie liegt niemals über den tatsächlichen Kosten des Mittels. Kostet ein Medikament 10 Euro, beträgt die Zuzahlung 5 Euro. Kostet es hingegen 80 Euro, bezahlt der Patient 8 Euro. Da die Zuzahlung 10 Euro nicht überschreiten darf, zahlen Patienten sowohl für ein Medikament, das 100 Euro kostet, als auch für ein Medikament, das 5000 Euro kostet, jeweils 10 Euro Zuzahlung.

Wenn sich ein Rabattvertrag ändert, kann sich unter Umständen auch die Zuzahlung ändern. Kunden sind dann teilweise verwundert, wenn sie bei Dauermedikation für die gleiche Verordnung mal mehr und mal weniger bezahlen müssen. Generell gilt: Die Zuzahlung muss in der Regel für jedes verordnete Medikament bezahlt werden. Sind beispielsweise »2x 50 Tabletten« verordnet und gibt es eine Packung mit 100 Stück, muss die Apotheke trotzdem zwei 50er-Packungen abgeben. Der Kunde muss in diesem Fall für beide Packungen die Zuzahlung tragen.

Zuzahlungsfrei

In manchen Fällen muss auch gar keine Zuzahlung geleistet werden. Das ist oftmals bei vergleichsweise günstigen Präparaten der Fall und soll einen Anreiz dafür bieten, sich für dieses Präparat zu entscheiden. Die Krankenkasse trägt in diesem Fall die gesamten Kosten. Nicht selten fragen Kunden gezielt nach diesen Präparaten.

Patienten können außerdem eine Zuzahlungsbefreiung bei ihrer Krankenkasse beantragen. Liegt eine Befreiung vor, kreuzt der Arzt in der Regel das Feld »Gebühr frei« an. Ist das Feld fälschlicherweise nicht angekreuzt, sollte sich das pharmazeutische Personal den Befreiungsausweis des Kunden zeigen lassen und eine entsprechende Korrektur auf dem Rezept durchführen. Kinder unter Jugendliche unter 18 Jahren sind grundsätzlich von Zuzahlungen befreit. Für Kinder unter zwölf Jahren sowie Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr werden teilweise auch nicht rezeptpflichtige Medikamente von der Krankenkasse bezahlt.

Festbetrag

Bei der Abrechnung verschreibungspflichtiger Medikamente über die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) können teilweise Kosten über die Zuzahlung hinaus anfallen – die sogenannten Mehrkosten. Oft sind dies kleine, krumme Beträge. Das kann zu Verwunderung oder Unverständnis seitens der Kunden führen. Beispielsweise auch dann, wenn der Kunde grundsätzlich von der Zuzahlung befreit ist oder das Medikament für ein Kind verordnet wurde.

Ein Beispiel: Ein Kunde reicht ein Rezept über Otriven 0,025 % Nasentropfen für einen Säugling ein. Nach Bearbeitung des Rezeptes soll der Kunde 1,18 Euro bezahlen und ist verwundert, da die gesetzlichen Krankenkassen Medikamente für Kinder unter zwölf Jahren normalerweise übernehmen.

Mehrkosten entstehen, sobald der Preis eines Medikamentes über der Erstattungshöchstgrenze liegt. Wie hoch diese ist, legt der GKV-Spitzenverband fest. Erstattungshöchstgrenzen gelten immer innerhalb bestimmter Medikamenten-Gruppen, den Festbetragsgruppen. Diese teilt der Gemeinsame Bundesausschuss  (G-BA) ein und fasst darin Arzneimittel mit denselben oder pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, therapeutisch vergleichbarer Wirkung sowie Arzneimittelkombinationen zusammen.

Fallen Mehrkosten an, ist es empfehlenswert, im Kundengespräch den offenen Betrag auch als solche, und nicht als Zuzahlung, zu bezeichnen. Zudem kann es helfen, dem Kunden zu erklären, wie der Betrag zustande kommt. Im Beispiel mit den Otriven Nasentropfen 0,025 % liegt der Festbetrag bei 1,18 Euro. Otriven Nasentropfen kosten aber 2,36 Euro und übersteigen den Festbetrag somit um 1,18 Euro. Die Mehrkosten von 1,18 Euro müssen also vom Kunden bezahlt werden (Anmerkung: Durch die aktuelle Senkung der Mehrwertsteuer können die Beträge temporär abweichen). Eine Befreiung von der Zuzahlung deckt die Mehrkosten nicht ab, und auch bei Verordnungen für Kinder müssen Mehrkosten vom Kunden übernommen werden. Mehrkosten können außerdem zusätzlich zur Zuzahlung anfallen.

In der Praxis kann das pharmazeutische Personal oftmals auf ein günstigeres Präparat ausweichen und so die Mehrkosten umgehen. In dem Fallbeispiel gibt es allerdings keine Alternative zu den Otriven Nasentropfen. Ein anderes häufiges Beispiel für Mehrkosten ist L-Thyroxin von der Firma Henning. Hier belaufen sich die Mehrkosten auf 42 Cent. Da das Präparat jedoch auf der Substitutionsausschlussliste steht, darf in diesem Fall zu keiner Alternative gegriffen werden. Als weitere Beispiele zum Durchspielen in der Apotheke eignen sich zum Beispiel Voltaren Dispers 30 Stück oder Capval 100ml.

Warum das Ganze?

Sowohl die Gruppenbildung durch den G-BA als auch das Festsetzen des Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband sollen einen Preisdruck nach unten auslösen. Hersteller orientieren sich mit ihren Preisen oftmals am Festbetrag, damit ihre Präparate in der Apotheke abgegeben werden. Denn wählen sie einen höheren Preis, müssen die Versicherten die Mehrkosten in der Regel selbst übernehmen. Das Prinzip soll also den Wettbewerb im Sinne fairer Arzneimittelpreise fördern, ohne dass die therapeutisch notwendige Arzneimittelauswahl für die Versicherten eingeschränkt wird.

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