Wo die Grenzen der Therapie liegen |
Brigitte M. Gensthaler |
23.01.2023 12:30 Uhr |
In der Blutdrucktherapie alter und gebrechlicher Menschen werde heute vermehrt auf die Verträglichkeit der Medikation geachtet, betonte Professor Dr. Dietmar Trenk, Bad Krozingen, beim Pharmacon Schladming. / Foto: PZ/Alois Müller
Das Blutdruckprofil ändert sich mit den Jahren. »Eine isolierte diastolische Hypertonie gibt es fast nur bei jungen Menschen; bei alten Patienten liegt fast immer eine isolierte systolische Hypertonie vor«, erklärte der Apotheker und Leiter Abteilung Klinische Pharmakologie am Universitäts-Herzzentrum Campus Bad Krozingen. Die isolierte systolische Hypertonie (ISH) ist definiert als erhöhter systolischer Blutdruck mit normalen oder niedrigen diastolischen Werten. Die große Blutdruckamplitude entsteht bei zunehmender arterieller Gefäßsteifigkeit und erhöhter Reflexion der Druckwelle.
Eine Hypertonie schädigt viele Organe, darunter Herz, Nieren, Auge, Gehirn und Gefäße. Komorbiditäten wie Diabetes oder Nierenleiden erhöhen das individuelle Risikoprofil. Pro 10 mmHg Senkung des systolischen Blutdrucks sinkt das Risiko für Herzinfarkt um 20 Prozent, das für Schlaganfall oder Herzinsuffizienz um 27 bis 28 Prozent (mehr zur Herzinsuffizienz lesen Sie im Titelbeitrag der PZ 3/2023). Für eine Retinopathie und die koronare Herzkrankheit liegt die Risikoreduktion knapp unter 20 Prozent.
Die europäischen Leitlinien (Stand 2018) empfehlen eine blutdrucksenkende Pharmakotherapie und Lebensstiländerung bei leistungsfähigen Patienten über 65 Jahren, wenn der systolische Druck über 140 mmHg liegt. Bei Menschen ab 80 werde ab einem Wert über 160 mmHg behandelt, informierte Trenk. Unabhängig vom Alter gilt ein diastolischer Wert über 90 mmHg als behandlungsbedürftig.
Welche Zielwerte gelten? Bei Jüngeren (bis 65 Jahre) sollte der Blutdruck unter 130 mmHg liegen, bei Älteren bei 130 bis 139 mmHg. »Bei alten Menschen sind auch höhere Werte akzeptabel, aber keine unter 120 mmHg«, betonte Trenk. Für den diastolischen Blutdruck gilt ein Zielwert unter 80 mmHg für alle hypertensiven Patienten.
In der Pharmakotherapie geht der Trend klar zur Kombitherapie. Man beginnt mit einem ACE-Hemmer (oder Sartan) plus Calciumkanalblocker oder Diuretikum, möglichst in einer Tablette. Auf Stufe 2 werden die drei Wirkstoffgruppen kombiniert. Führt dies nicht zum Ziel, wird ein Aldosteron-Antagonist wie Spironolacton ergänzt. »Bei niedrigem Risiko und bei sehr alten oder gebrechlichen Patienten kann im Einzelfall auch mit einer Monotherapie begonnen werden«, so Trenk. Laut Studien nütze eine antihypertensive Therapie auch gebrechlichen Patienten. »Ein Absetzen der Blutdruckmedikation allein aufgrund des Alters wird nicht empfohlen, wenn der Patient sie gut verträgt.«