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Globale Lieferketten

Wirkstofflandkarte deckt US-Abhängigkeiten auf

Die amerikanische Wissenschaftsorganisation U.S. Pharmacopeia (USP) präsentiert anhand einer Landkarte, wo auf der Welt welcher Wirkstoff produziert wird. Die Aufstellung, die auch als Frühwarnsystem dient, zeigt unter anderem die Abhängigkeit des US-Markts von Indien.
Jennifer Evans
31.03.2022  09:00 Uhr

Insbesondere während der Coronavirus-Pandemie haben sich die Schwächen globaler Lieferketten von Arzneimitteln gezeigt. Wer sich keinen Überblick über die Zusammenhänge verschafft, kann sich nicht auf die nächste Krise vorbereiten. Darauf weist USP-Chef Ronald T. Piervincenzi in einem Bericht des US-amerikanischen Branchenmagazins der Drogeriemarktketten »Chain Drug Review« hin.

Die US-Wissenschaftsorganisation Pharmacopeia hat ihre Wirkstoff-Landkarte ursprünglich ins Leben gerufen, um Risiken und Schwachstellen globaler Lieferketten wichtiger Arzneimittel und Wirkstoffe aufzudecken. Ziel ist es, künftig die Versorgung mit kritischen Medikamenten sicherzustellen. Derzeit bildet die Landkarte laut Branchenmagazin 92 Prozent aller in den USA zugelassener Generika ab. Für ihre Auswertung greift die Organisation weltweit auf 250 Millionen Datenpunkte, 22.000 Standorte sowie 40 externe Datensätze zurück.

Schon aus dem ersten Teil der nun gestarteten USP-Serie lässt sich ablesen: In Indien existieren insgesamt 183 Einrichtungen, die jeweils mehr als zehn für den US-Markt wichtige Medikamente produzieren, sowie 114, die je mehr als 30 Mittel herstellen. Die PZ hatte bereits darüber berichtet, dass Indien seit der Covid-19-Pandemie noch stärker auf sogenannte Drug Parks setzt. Das sind infrastrukturelle Einrichtungen, in denen sich mehrere heimische Unternehmen ansiedeln, um die Herstellungskosten für lebenswichtige Arzneimittel durch ihre räumliche Nähe zu reduzieren. Sie wollen sich wiederum unabhängiger von China machen.

Relevant für den US-Markt ist auch die Europäische Union mit 83 Einrichtungen, die je mehr als zehn, beziehungsweise 45 Einrichtungen, die jeweils mehr als 30 Präparate für die Vereinigten Staaten produzieren. Demnächst will die USP-Serie zudem konkrete Arzneimittelklassen wie Statine oder antimikrobielle Mittel unter die Lupe nehmen sowie die globalen Vertriebsabläufe weitverbreiteter Präparate aufzeigen.

Empfehlungen an die Politik

Laut Piervincenzi verfolgt die USP mit ihrer Landkarte ebenfalls das Ziel, Regierungen, Hersteller und Lieferanten frühzeitig über mögliche Engpässe zu informieren und das Problem bereits im Vorfeld zu verhindern. Langfristig sollen die Akteure auf Basis der Daten außerdem entsprechende Empfehlungen erhalten, wie sie die Lieferketten stabilisieren können und wann etwa nationale Lager aufgefüllt werden müssen oder eine Kooperation mit internationalen Herstellern sowie anderen Regierungen notwendig wird.

Weitere Details zum künftigen Vorgehen wollen Hersteller, Ärzte, Patienten sowie nordamerikanische Behörden bald in einem Meeting klären, wie »Chain Drug Review« berichtet. Dabei soll es unter anderem um aktuelle Schwachstellen in den Lieferketten, das künftige Risikomanagement sowie um die Infrastrukturprobleme des Gesundheitswesens gehen. Vor allem wollen die Beteiligten aber auch klären, was die Politik gegen das Problem unternehmen kann.

Lieferengpässe auch Teil des Koalitionsvertrags

Um mehr Versorgungssicherheit zu erreichen, will auch Europa seine Kräfte bündeln. Die Bundesrepublik hatte das Thema Lieferengpässe während ihrer EU-Ratspräsidentschaft 2020 bereits auf die europäische Bühne gehoben und kurz darauf startete die EU-Kommission einen europäischen Pharmadialog. Klar ist schon jetzt: stabile Lieferketten kosten Geld. Geht es nach der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU) sollte die Politik bei diesem Problem verstärkt auf die Apotheker setzen

Zumindest haben sich die Ampel-Partner in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Arzneimittelherstellung inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion wieder mehr auf Deutschland und die EU zu konzentrieren. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, wollen die drei Parteien in diesem Bereich unter anderem »mehr Transparenz über finanzielle Zuwendungen an Leistungs- und Hilfsmittelerbringer« schaffen.

Welche Faktoren wo auf der Welt eine Gefahr für die globalen Lieferketten darstellen, hat die Organisation USP in einem Video aufbereitet.

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