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Eiweiß-Hype

Wie viel Protein braucht der Mensch?

Glaubt man der Werbung, so gilt bei Eiweiß: je mehr, desto besser. Nicht nur Sportler, auch viele »normale« Menschen greifen bei Produkten mit extra Protein zu. Doch wie gesund sind sie wirklich?
Nicole Schuster
23.04.2021  07:00 Uhr

Lebensmittel bestehen aus drei Hauptnährstoffen, die auch als Makronährstoffe bezeichnet werden: Fette, Kohlenhydrate und Proteine (Eiweiß). Bei den Proteinen deutet schon der Name auf eine vermutete Sonderrolle hin: Er ist abgeleitet vom griechischen »protos«, was so viel bedeutet wie »der Erste«.

Mehr als 20 verschiedene Aminosäuren benötigt der Körper, um daraus Eiweiße wie Struktur-, Transport- und Rezeptorproteine sowie Immunglobuline, Enzyme, Peptidhormone wie Insulin und schließlich auch DNA und RNA herzustellen. Acht der proteinogenen Aminosäuren sind unentbehrlich; die Bezeichnung »essenziell« gilt als veraltet. Menschen können sie nicht selbst produzieren und müssen sie daher über die Nahrung aufnehmen: Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin, bei Säuglingen zusätzlich Histidin. Bei unzureichender Zufuhr drohen Mangelerscheinungen.

»Eiweiß ist der einzige Makronährstoff, den der Körper nicht in größeren Mengen speichern kann«, sagt Professor Dr. Johannes Georg Wechsler, Arzt für Innere Medizin, Gastroenterologie – Endoskopie, Ernährungsmedizin DGEM/DAEM sowie Präsident des Bundesverbands Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) gegenüber der PZ. Doch wie viel Eiweiß braucht der Körper täglich? Dabei geht es streng genommen nicht um das Protein an sich, sondern um die unentbehrlichen Aminosäuren.

Die empfohlene Zufuhr wird in Protein pro Kilogramm Körpergewicht angegeben. Säuglinge, Schwangere, Stillende sowie ältere Menschen haben einen erhöhten Bedarf. Referenzmengen hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) auf ihrer Website veröffentlicht.

Demnach benötigt ein durchschnittlicher Erwachsener jeden Tag 0,8 bis 1 g/kg Körpergewicht. Menschen, die pro Woche mehr als fünf Stunden Sport treiben, können gemäß einem Positionspapier der DGE abhängig von Trainingszustand und -ziel 1,2 bis 2,0 g/kg Körpergewicht pro Tag aufnehmen.

Um den Bedarf zu decken, ist einiges zu beachten. »Protein ist nicht gleich Protein«, sagt Wechsler. Entscheidend sei eine gute biologische Wertigkeit. »Darunter versteht man, in welchem Ausmaß ein aufgenommenes Nahrungsprotein in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann. Je ähnlicher die Aminosäuren-Zusammensetzung, desto besser ist die Umsetzung.«

Proteine aus tierischen Quellen enthalten meist alle proteinogenen einschließlich der unentbehrlichen Aminosäuren, pflanzliche Proteine weisen hingegen zum Teil nicht das volle Spektrum auf und haben daher eine geringere biologische Wertigkeit. Auf Präparaten ist dieses Maß als Zahl angegeben – zum Beispiel 90 oder 100. Je höherwertig ein Protein ist, desto weniger braucht man davon, um den täglichen Bedarf zu decken.

Eine biologische Wertigkeit von 100 hat Hühnervollei, das in diesem System als Referenz dient. Auch eine Wertigkeit über 100 ist möglich, da der Wert 100 dimensionslos ist. Kartoffeln und Vollei ergeben zusammen zum Beispiel eine biologische Wertigkeit von 136. »Wer Nahrungsmittel mit einer relativ geringen biologischen Wertigkeit geschickt kombiniert, kann eine biologisch hochwertige Mahlzeit auch aus rein pflanzlichen Nahrungsmitteln erreichen«, erklärt Wechsler. »Die einzelnen Komponenten ergänzen sich und werten sich gegenseitig auf, etwa Getreide mit Hülsenfrüchten.«

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