Wie Impfstoffe noch besser werden |
Die meisten Impfstoffe werden intramuskulär verabreicht. Das hat sich als bequeme und nicht allzu schmerzhafte Anwendung bewährt, hat aber Nachteile: Zum einen sind in der Muskulatur nur wenige APC anzutreffen, die das Antigen aufnehmen könnten. Zum anderen wird damit nur eine systemische Immunität induziert, die zwar vor schweren Erkrankungsverläufen, aber nicht unbedingt vor der eigentlichen Infektion schützt.
Dem ersten Punkt lässt sich durch Adjuvanzien abhelfen, die Immunzellen anlocken. Alternativ können einige Impfstoffe gegen Influenza auch subkutan angewendet werden, wo direkt Langerhans-Zellen die Präsentation der Antigene an T-Zellen übernehmen können. Der Schutz vor einer Infektion könnte durch eine mukosale Immunität, also durch Applikation auf eine Schleimhaut, erreicht werden.
Der trivalente attenuierte Lebendimpfstoff Fluenz® wird als Nasenspray verabreicht und soll Kinder zwischen 2 und 18 Jahren vor saisonaler Grippe schützen. / © Getty Images/Paul Biris
Bereits seit 2013 ist mit Fluenz® Tetra Nasenspray ein Influenza-Impfstoff für Kleinkinder ab zwei Jahren zugelassen, der die mukosale Immunität adressiert (Tabelle 3). Enthalten sind kälteadaptierte, temperatursensitive, lebend-attenuierte Influenzaviren, die über reverse Gentechnologie in VERO-Zellen produziert wurden. Werden die Viren in die Nase gesprüht, können sie sich im kühleren Nasopharynx vermehren und dort eine protektive Immunität induzieren. In tieferen, wärmeren Regionen der Atemwege sind die temperaturempfindlichen Viren nicht mehr vermehrungsfähig und können somit keine Erkrankung auslösen.
Infektion | Antigen | Handelsname | Formulierung, Anwendung |
---|---|---|---|
Influenza | lebend-attenuierte, kälteadaptierte Influenza-Reassortanten | Fluenz Tetra | Spray, nasal |
Poliomyelitis | lebend-attenuierte Polioviren (OPV) | Biopolio* | Lösung, oral |
Rotavirus | lebend-attenuiertes monovalentes humanes Rotavirus, pentavalenter Lebendimpfstoff | Rotarix, Rotateq | Lösung, oral |
wiederkehrende Harnwegsinfekte | inaktivierte Ganzzellen von Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Enterococcus faecalis und Proteus vulgaris | Uromune* | Spray, oral (sublingual) |
Typhus | Ty21a lebend-attenuierte Bakterien | Typhoral L | magensaftresistente Hartkapseln, oral |
Cholera | inaktivierte Bakterien + rCTB | Dukoral | Lösung, oral |
Cholera | lebend-attenuierte Bakterien, Stamm CVD 103-HgR | Vaxchora | Lösung, oral |
Durch die mukosale Immunisierung werden nicht nur IgG, sondern auch lokal wirksame IgA-Moleküle induziert. Gleichzeitig könnten nadelfreie Impfstoffe die Akzeptanz der Prävention deutlich steigern.
Bisher werden nur lebend-attenuierte Pathogene für die mukosale Immunisierung verwendet. Aber es gibt verschiedene Ansätze, auch Subunit-, DNA- oder RNA-Impfstoffe zu applizieren, beispielsweise über Nanovesikel, Chitosan oder Polysaccharid-Alginat-Nanogele.
Die vielen neuen Impfstrategien lassen hoffen, dass in nicht allzu ferner Zukunft auch die »harten Nüsse« an Pathogenen erfolgreich angegangen und die bestehenden Vakzinen in ihrer Herstellung, Applikation und Wirksamkeit optimiert werden können.
Robert Fürst studierte Pharmazie und erhielt 2001 die Approbation als Apotheker. Anschließend folgten Promotion (2005) und Habilitation (2011) im Fach Pharmazeutische Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Von 2012 bis 2023 hatte er die W3-Professur für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main inne. Seit Ende 2023 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische Biologie am Department Pharmazie der LMU München. Sein Forschungsschwerpunkt sind die zellulären und molekularen Wirkmechanismen von entzündungshemmenden Naturstoffen.
Ilse Zündorf studierte Biologie von 1984 bis 1990 an der Universität Erlangen. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität von Kentucky, Lexington, USA, wurde sie 1995 am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt promoviert. Zunächst als Akademische Rätin, seit 2001 als Akademische Oberrätin, arbeitet sie am dortigen Institut für Pharmazeutische Biologie. Ihre Forschungsthemen betreffen Herstellung und Charakterisierung monoklonaler Antikörper, Herstellung und Modifikation rekombinanter Antikörperfragmente sowie die Etablierung von zellulären Testsystemen zur Wirkstoffsuche.