Wie Impfstoffe noch besser werden |
Neisseria meningitidis (MenB) ist ein Bakterium, das weltweit für zahlreiche Sepsis- und Meningitisfälle verantwortlich ist. Allerdings hat es sich bisher erfolgreich jeglichen Impfansätzen entzogen. Die Polysaccharide der bakteriellen Kapsel von MenB ähneln im Aufbau sehr stark den Zuckerstrukturen auf vielen menschlichen Zellen, unter anderem auch auf Zellen im Gehirn. Deshalb ist das adaptive Immunsystem darauf selektioniert, nicht gegen diese Zuckerstrukturen aktiv zu werden.
Mit der sogenannten Reverse Vaccinology wurde ein ganz anderer Ansatz gewählt: Das gesamte Genom des Bakte¬riums wurde sequenziert und mithilfe bioinformatischer Analysen nach Genen durchsucht, die möglicherweise für Oberflächenproteine oder Virulenz-assoziierte Antigene -codieren. In silico konnten 600 Proteine selektiert werden. 350 davon wurden in Escherichia coli rekombinant hergestellt und nach ihrer Aufreinigung in Mäuse appliziert, um eine Immunantwort zu induzieren. Nach weiteren Analysen wurden schließlich vier Proteine als Impfantigene ausgewählt und bildeten die 4CMenB-Vakzine, die 2013 als Bexsero® zugelassen wurde (12).
Eine Weiterentwicklung der Reverse Vaccinology ist die genaue Analyse der B-Zellklone und der Antikörper eines Menschen nach einer Impfung oder Infektion. Im Körper sollten neutralisierende Antikörper gebildet worden sein, die das Antigen sehr effizient erkennen und unschädlich machen. Schaut man sich die Antigen-Bindungsstellen derartiger neutralisierender Antikörper genauer an, kann virtuell ein passendes Antigen-Epitop hineinmodelliert werden, das wiederum als potenzielles Impfantigen identifiziert und gegebenenfalls nachgebaut werden kann. Auf diesem Weg wurden einige interessante, konservierte Antigene bei HIV identifiziert (13).
Über beide Wege der Reverse Vaccinology könnten künftig vielleicht weitere Pathogene für Impfansätze zugänglich gemacht werden.
Das Prinzip könnte auch zu therapeutischen Tumorimpfstoffen führen. Analysiert man im Tumorgewebe all die Proteine, die zwar in Krebszellen, aber nicht in gesunden Zellen vorkommen, lassen sich über bioinformatische Ansätze tumorspezifische Antigene finden, die für therapeutische Impfstoffe angewendet werden können. Aus derartigen Ansätzen hervorgegangene Produkte sind in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung und könnten vielleicht die Tumortherapie revolutionieren.