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Neue Strategien

Wie Impfstoffe noch besser werden

Die aktive Immunisierung ist eine echte Erfolgsstory! Viele, aber längst nicht alle lebensbedrohlichen Erkrankungen können vermieden oder abgemildert werden. Manche Pathogene entziehen sich einer Impfstrategie bislang völlig. Wie begegnet man solchen Herausforderungen?
AutorKontaktRobert Fürst
AutorKontaktIlse Zündorf
Datum 01.06.2025  08:00 Uhr

Seit 1980 sind die Pocken durch eine konzertierte Impfkampagne weltweit ausgerottet. Ein ähnliches Ziel ist bei der Poliomyelitis fast erreicht. Die Anzahl der Erkrankungsfälle durch Tetanus- oder Diphtheriebakterien oder Masern-, Mumps-, Röteln- und Windpockenviren ist durch die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen in Deutschland dramatisch zurückgegangen. Und mit einer Vakzinierung gegen humane Papillomaviren und Hepatitis-B-Viren lässt sich das Risiko, an einem Zervix- oder Leberzellkarzinom zu erkranken, stark reduzieren. Also alles bestens? Bei genauerer Betrachtung entdeckt man doch einige Herausforderung.

Unser Immunsystem: von der Wiege bis zur Bahre

Impfungen sind nur bei einem gut funktionierenden Immunsystem erfolgreich. Das ist aber nicht immer vorhanden.

Wenn ein Baby das Licht der Welt erblickt, ist sein Komplementsystem noch nicht voll ausgeprägt und die Zellen des angeborenen Immunsystems wie natürliche Killerzellen oder Makrophagen sind noch nicht funktional. Die T- und B-Lymphozyten reagieren zwar auf Antigene, allerdings kommt es vor allem zu einer Aktivierung von B-Zellen (Th2-Antwort) und die gebildeten Antikörper haben nur eine niedrige Affinität und eine kurze Lebensdauer (1).

Neugeborene sind also extrem anfällig für Pathogene. Ihr Immunsystem ist nicht ausreichend funktionsfähig, um mit Impfstoffen umzugehen, die attenuierte Erreger enthalten.

Dass Neugeborene trotz des unvollständig ausgebildeten Immunsystems nicht frühzeitig an einer Infektion sterben, liegt am Nestschutz: Bereits während der Schwangerschaft und auch im Verlauf der Stillzeit erhalten die Babys IgG- und IgA-Antikörper über die Plazenta und die Muttermilch. Somit ist der Säugling vor den Pathogenen geschützt, mit denen die Mutter bereits in Kontakt war.

Um diesen Schutzeffekt zu nützen, wird einer Schwangeren zwischen der 27. und 34. Schwangerschaftswoche eine Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten sowie gegen Influenza empfohlen. Auch der Impfstoff Abrysvo® gegen eine Infektion mit dem respiratorischen Synzytialvirus (RSV) kann zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche verabreicht werden; allerdings wird diese maternale Immunisierung bisher nicht von der STIKO empfohlen.

In Studien zeigte sich, dass der Schutz durch diese sogenannte Leihimmunität beim Neugeborenen bis zu sechs Monate anhält, was die besonders vulnerable Zeit des Säuglings gut überbrückt.

Bisher wird diese Art der Infektionsprävention noch wenig genutzt. Denn es besteht immer die Befürchtung, dass Probleme in der Schwangerschaft oder eine Schädigung des Fetus auftreten, die – begründet oder nicht – mit der Impfung in Verbindung gebracht werden (2).

Mit dem Größer- und Erwachsenwerden reift das Immunsystem aus. Jedoch kann es aus diversen Gründen zu einer Immunsuppression kommen. Bestimmte genetische Prädispositionen, Infektionen mit Influenza- oder Epstein-Barr-Virus, Arzneimittel und Krankheiten, aber auch Unterernährung oder chronischer Stress können sich mehr oder weniger stark auf die Funktionalität des Immunsystems auswirken. Die betroffenen Personen leiden vermehrt unter einfachen Infektionen und sollen keine Lebendimpfstoffe erhalten.

Im Lauf des Lebens kommt es zur allgemeinen Alterung der Körperzellen, die auch das Immunsystem beeinträchtigt. Besonders gravierend wirkt sich die Schrumpfung des Thymus auf die Immunantwort aus. Der Thymus ist für die Differenzierung und Reifung der T-Lymphozyten verantwortlich und verliert bereits ab der Pubertät an Größe und Funktionalität mit der Folge, dass die Anzahl naiver T-Zellen allmählich abnimmt. Auch bei den B-Lymphozyten sinkt die Anzahl der naiven Zellen. Stattdessen kommen vermehrt Antigen-erfahrene Gedächtniszellen vor, die jedoch zum Teil bereits etwas »ausgelaugt« sind.

Insgesamt entsteht im Alter eine Lymphopenie und der Körper kann nicht mehr adäquat auf neue Antigene und entartete Zellen reagieren. Deshalb steigt ab etwa 70 Jahren das Risiko, an einem Tumor zu erkranken. Gleichzeitig reagiert das Immunsystem nicht mehr gut auf Impfstoffe und der Schutz durch eine aktive Immunisierung lässt nach (1).

Impfen trotz Immunseneszenz

Die Beobachtung, dass sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem an Aktivität verlieren, wird als Immunseneszenz bezeichnet. Verschiedene Forschungsansätze zielen darauf ab, den Alterungsprozess des Immunsystems zu stoppen oder sogar umzukehren. Beispielsweise könnte die Verabreichung von rekombinantem Interleukin 7 dazu führen, dass die Aktivität der T-Lymphozyten wieder steigt (3). Ebenso wird überlegt, die Immuncheckpoint-Inhibitoren, die die T-Zell-Reaktivität bei Tumoren steigern, auch bei immunseneszenten Personen zur T-Zell-Mobilisierung einzusetzen (4).

Bis diese Ansätze ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gezeigt haben, bleibt für die erfolgreiche aktive Immunisierung älterer Menschen nur, die Antigenmenge anzupassen, geeignete Adjuvanzien einzusetzen und eine optimierte Applikationsweise zu nutzen.

Die Influenza-Vakzinen Fluad® und Efluelda®, die für Personen ab 50 sowie ab 60 Jahren empfohlen werden, verfolgen jeweils eines dieser Prinzipien: In Fluad® sind die üblichen 15 μg Hämagglutinin pro Virusstamm enthalten, aber zusätzlich noch das Adjuvans MF59C.1 (5). Im nicht-adjuvantierten Impfstoff Efluelda® werden 60 μg Hämagglutinin je Virusstamm eingesetzt (6).

Ein weiteres Phänomen, das im Alter auftritt, ist das »inflammaging«, für das es keine wirklich passende Übersetzung ins Deutsche gibt. Letztlich ist es der Zustand einer permanenten niedrigschwelligen Entzündung, die im Zusammenhang mit der Immunseneszenz entsteht. Gegen diese permanente Entzündung wird der Einsatz von Metformin, Imiquimod oder COX-2-Inhibitoren diskutiert (4).

Kein »One protocol fits all«

Bei Impfstoffen für die aktive Immunisierung gegen verschiedene Pathogene sind ganz unterschiedliche Ansätze verwirklicht. Neben Totimpfstoffen, die beispielsweise Toxoide, Konjugatimpfstoffe, inaktivierte Viren oder Bakterien und Subunit-Vakzine umfassen, sind auch einige Lebendimpfstoffe gegen Virusinfektionen verfügbar.

Bereits der älteste kommerziell angewandte Impfstoff – gegen die Pocken – war eine Lebendvakzine. Ihr Vorteil ist, dass sie eine starke und lang anhaltende Immunantwort hervorruft. Nachteilig ist, dass sie eine starke Immun- und Impfreaktion auslöst, weshalb die Akzeptanz von Lebendimpfstoffen eher gering ausfällt. Daher wurden mit den Totimpfstoffen besser verträgliche Vakzinen entwickelt, die ebenfalls einen guten Immunschutz liefern können. Allerdings müssen sie meist mit einem Adjuvans verstärkt werden.

Eine »einfache« Attenuierung hat sich für die Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken bewährt, ist aber aus Sicherheitsgründen für Impfstoffe gegen HIV oder gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV) nicht umsetzbar. Der Lebendimpfstoff gegen Polio war und ist zwar sehr wertvoll für weltweite Schluckimpfungskampagnen, löst aber immer häufiger Impfstoff-assoziierte Polio-Erkrankungen aus. Die enthaltenen Viren neigen zu Rückmutationen, die die Attenuierung aufheben. Gerade in Regionen, in denen die Durchimpfung der Bevölkerung nicht ausreichend ist, kann es dadurch zu Poliofällen kommen. In Industrieländern hat sich inzwischen der inaktivierte Polio-Impfstoff (IPV) durchgesetzt.

Die Herstellung von Influenza-Vakzinen in bebrüteten Hühnereiern ist nicht mehr zeitgemäß und mit Problemen verbunden, seien es Produktionsausfälle, beispielsweise wegen Kontaminationen der Eier, oder Allergien der Impflinge gegen Hühnereiweiß. Alternativen für eine sichere und nachhaltige Produktion bieten verschiedene Zellkultursysteme und die rekombinante Antigenherstellung.

Mittlerweile wird auch über unterschiedliche Formulierungen und Applikationswege nachgedacht, um die Immunreaktion gegen bestimmte Antigene zu optimieren. Allerdings sind für manche Pathogene trotz intensiver Forschungen nach wie vor keine wirksamen Impfstoffe verfügbar. Obwohl gerade gegen HIV-1 zahlreiche Ansätze getestet wurden, ist wegen dessen extremer Mutationsfreudigkeit noch kein wirksamer Impfstoff in Sicht (7).

HIV-1 steht auf der WHO-Liste derjenigen Pathogene, gegen die Impfstoffe dringend entwickelt werden sollten. Weitere hoch priorisierte Krankheitserreger sind beispielsweise Gruppe-A-Streptokokken, das Hepatitis-C-Virus (HCV) und Klebsiella pneumoniae.

Optimierung der Impfstoffherstellung

Viele der verfügbaren Impfstoffe wurden und werden durch die Pathogene selbst gewonnen. Beispielsweise werden nach wie vor Masern- und Mumpsviren in Hühnerembryozellen gezüchtet oder Influenzaviren in befruchteten Hühnereiern vermehrt.

Als Alternative für befruchtete Hühnereier können Zellkulturen zur Anzucht von Influenzaviren verwendet werden. Mit Flucelvax® Tetra ist seit 2018 ein Impfstoff auf dem Markt, der aus MDCK-Zellen (Madin Darby Canine Kidney) gewonnen wird (8). Damit entfällt das Problem, dass Personen mit einer Allergie gegen Hühnereiweiß nicht gegen Influenza geimpft werden können.

Seit 1987 werden vermehrt Antigene von Pathogenen rekombinant in Zellkulturen hergestellt. Den Anfang machte der Impfstoff gegen HBV, gefolgt von Vakzinen gegen Cholera, Humane Papillomaviren (HPV), Meningokokken B, Herpes zoster, Influenza und SARS-CoV-2. Bei den rekombinant exprimierten Oberflächenproteinen von HBV und HPV zeigte sich zudem, dass sie sich unter bestimmten Bedingungen spontan zu sogenannten Virus-ähnlichen Partikeln zusammenlagern (VLP, virus-like particles). Dadurch induzieren diese Antigene eine deutlich bessere Immunantwort.

Mit Supemtek® Tetra ist seit 2020 ein Influenza-Impfstoff zugelassen, für den die Hämagglutinin-Proteine der empfohlenen Stämme mithilfe eines Baculovirus-Expressionssystems rekombinant in einer Insektenzelllinie produziert werden; diese stammt aus Sf9-Zellen des Eulenfalters Spodoptera frugiperda (9). Dies beschleunigt und erleichtert die Herstellung der jährlich anzupassenden Grippe-Impfstoffe.

Sichere neue Impfstoffe: Beispiel Polio-Vakzine

Attenuierte Virusimpfstoffe können gelegentlich rückmutieren und wieder voll infektiös werden. Besonders auffällig ist dies bei der oralen Polio-Vakzine (OPV).

Zweifellos brachte die weltweit recht einfach umsetzbare und sehr preisgünstige Schluckimpfung den Durchbruch: Die Kinderlähmung ist fast ausgerottet! Im Vergleich zum inaktivierten Impfstoff (IPV), der immer in Kombination mit anderen Antigenen intramuskulär appliziert wird, kann sich OPV im Darm vermehren und sorgt dort für eine mukosale Immunität. Dadurch wird die Ansteckung weiterer Personen verhindert (10). Anstelle der Wildtypviren waren in den letzten Jahren immer wieder zirkulierende Vakzin-abhängige Polioviren (cVDPV, circulating vaccine-derived poliovirus) für Erkrankungsfälle verantwortlich.

Die Mutationen, die zur Attenuierung des Poliovirus geführt haben, sind gut charakterisiert. Außerdem sind diejenigen Stellen bekannt, die anfällig für eine Rückmutation sind.

Durch kleinere Veränderungen des Virusgenoms konnte nun ein genomisch stabiler Stamm generiert werden, der seine Sicherheit und Wirksamkeit in einer Phase-III-Studie gezeigt hat. Die WHO hat dem neuen Impfstoff nOPV als wichtiges Mittel zur Eradikation der Kinderlähmung bereits eine Präqualifikation zugesprochen (11).

Neue Antigene: Beispiel MenB-Vakzine

Neisseria meningitidis (MenB) ist ein Bakterium, das weltweit für zahlreiche Sepsis- und Meningitisfälle verantwortlich ist. Allerdings hat es sich bisher erfolgreich jeglichen Impfansätzen entzogen. Die Polysaccharide der bakteriellen Kapsel von MenB ähneln im Aufbau sehr stark den Zuckerstrukturen auf vielen menschlichen Zellen, unter anderem auch auf Zellen im Gehirn. Deshalb ist das adaptive Immunsystem darauf selektioniert, nicht gegen diese Zuckerstrukturen aktiv zu werden.

Mit der sogenannten Reverse Vaccinology wurde ein ganz anderer Ansatz gewählt: Das gesamte Genom des Bakte¬riums wurde sequenziert und mithilfe bioinformatischer Analysen nach Genen durchsucht, die möglicherweise für Oberflächenproteine oder Virulenz-assoziierte Antigene -codieren. In silico konnten 600 Proteine selektiert werden. 350 davon wurden in Escherichia coli rekombinant hergestellt und nach ihrer Aufreinigung in Mäuse appliziert, um eine Immunantwort zu induzieren. Nach weiteren Analysen wurden schließlich vier Proteine als Impfantigene ausgewählt und bildeten die 4CMenB-Vakzine, die 2013 als Bexsero® zugelassen wurde (12).

Eine Weiterentwicklung der Reverse Vaccinology ist die genaue Analyse der B-Zellklone und der Antikörper eines Menschen nach einer Impfung oder Infektion. Im Körper sollten neutralisierende Antikörper gebildet worden sein, die das Antigen sehr effizient erkennen und unschädlich machen. Schaut man sich die Antigen-Bindungsstellen derartiger neutralisierender Antikörper genauer an, kann virtuell ein passendes Antigen-Epitop hineinmodelliert werden, das wiederum als potenzielles Impfantigen identifiziert und gegebenenfalls nachgebaut werden kann. Auf diesem Weg wurden einige interessante, konservierte Antigene bei HIV identifiziert (13).

Über beide Wege der Reverse Vaccinology könnten künftig vielleicht weitere Pathogene für Impfansätze zugänglich gemacht werden.

Das Prinzip könnte auch zu therapeutischen Tumorimpfstoffen führen. Analysiert man im Tumorgewebe all die Proteine, die zwar in Krebszellen, aber nicht in gesunden Zellen vorkommen, lassen sich über bioinformatische Ansätze tumorspezifische Antigene finden, die für therapeutische Impfstoffe angewendet werden können. Aus derartigen Ansätzen hervorgegangene Produkte sind in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung und könnten vielleicht die Tumortherapie revolutionieren.

Bessere Adjuvanzien

Die meisten Impfstoffe sind sehr hoch aufgereinigt und werden intramuskulär appliziert, was die aktive Immunisierung sehr gut verträglich macht. In der Muskulatur sind aber nur wenige antigenpräsentierende Zellen (APC) vorhanden, die die Impfantigene aufnehmen und den T-Zellen zeigen. Um trotzdem eine gute Immunantwort zu induzieren, werden seit Langem Adjuvanzien als Hilfsmittel eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, eine lokale Entzündungsreaktion auszulösen und damit Immunzellen an den Injektionsort zu locken (Grafik).

Bereits seit den 1920er-Jahren werden bestimmte Aluminiumsalze als Adjuvanzien eingesetzt; diese sind nach wie vor in den meisten zugelassenen Impfstoffen enthalten. Aluminiumsalze verstärken die Antigenaufnahme und -präsentation durch APC und aktivieren das sogenannte NLRP3-Inflammasom in der Zelle, was zur Expression der Entzündungszytokine IL-1b und IL-18 führt. Immer wieder gerieten die Aluminiumsalze in die öffentliche Kritik, weshalb neue Adjuvanzien gesucht wurden (14).

Mit komplettem und inkomplettem Freund-Adjuvans kamen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Wasser-in-Öl-Emulsionen als Immunstimulanzien ins Gespräch. Diese Stoffgemische waren mit erheblichen unerwünschten Wirkungen verbunden, sodass sie sich nicht durchsetzen konnten. Aber das Prinzip der Wasser-in-Öl-Emulsion wurde in den 1990er-Jahren wieder aufgenommen und mit MF59 neu realisiert (Tabelle 1).

MF59 besteht aus Squalen, Span 85 (Sorbitantrioleat) und Tween 80 (Polysorbat 80) in Natriumcitratpuffer und ist beispielsweise im Influenza-Impfstoff Fluad® Tetra enthalten. Es induziert sowohl die humorale als auch die zelluläre Immunantwort und führt dazu, dass hohe Titer an funktionalen Antikörpern gebildet werden. Durch die verschiedenen Chemokine, die nach Applikation von MF59 verstärkt entstehen, werden Leukozyten angelockt, die vermehrt Antigene aufnehmen und in die Lymphknoten wandern (14).

Ein ähnliches, aber doch etwas anderes Prinzip ist die Öl-in-Wasser-Emulsion AS03, die aus dem Tensid Polysorbat 80 und zwei biologisch abbaubaren Ölen, beispielsweise Squalen und DL-α-Tocopherol, besteht. Diese Emulsion aktiviert den NF-κB-Signalweg und stimuliert so das Immunsystem: Mehr Zytokine und Chemokine werden sezerniert und Zellen des angeborenen Immunsystems angelockt. Zusätzlich stimuliert AS03 CD4⁺-T-Zellen, was die Bildung von Gedächtnis-B-Zellen und die lang anhaltende Produktion neutralisierender Antikörper verbessert.

Adjuvans Komponenten Zugelassene Impfstoffe
MF59 Squalen, Polysorbat 80, Sorbitantrioleat saisonale Influenza
pandemische Influenza
Vogelgrippe
AS03 Squalen, α-Tocopherol, Polysorbat 80 pandemische Influenza
Vogelgrippe
AS01 MPL (Monophosphoryl-Lipid A), Quillaja saponaria Molina,
Fraktion 21, QS-21, Liposomen
Herpes zoster
Malaria tropica
AS04 MPL (Monophosphoryl-Lipid A), Aluminiumhydroxid Hepatitis-B-Virus
humanes Papillomavirus
Tabelle 1: Adjuvanzien in derzeit zugelassenen Impfstoffen

Durch die Beimischung von zwei weiteren Immunstimulanzien zu AS03 entstand AS02. Dieses Adjuvanz enthält zusätzlich das Saponin QS-21 aus dem Seifenrindenbaum Quillaja saponaria und 3-O-Desacyl-4’-monophosphoryl-lipid A (MPL), ein »entschärftes« Lipid A aus der äußeren Membran des gramnegativen Bakteriums Salmonella minnesota.

Von MPL weiß man seit Langem, dass es als PAMP (pathogen-associated molecular pattern) wirkt und an die Toll-like-Rezeptoren (TLR) 2 und 4 bindet. Dadurch wird das angeborene Immunsystem sehr effizient stimuliert. MPL befindet sich außerdem in den Adjuvans-Systemen AS01 und AS04: In AS01 ist es zusammen mit QS-21 in Liposomen verpackt, in AS04 ist MPL an Aluminiumhydroxid gebunden (Tabelle 1). Im direkten Vergleich war AS02 dem Adjuvanzsystem AS01 unterlegen (15) und wird nicht mehr eingesetzt.

Auch andere TLR können gezielt von entsprechenden Liganden angesteuert werden, die ebenfalls als Adjuvanzien genutzt werden können (Tabelle 2). In welchem Ausmaß dadurch die Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems stimuliert und welche Subtypen der T-Helfer-Zellen präferenziell aktiviert werden, unterscheidet sich leicht. So kann die Richtung der Immunantwort – B-Zell-/Antikörper-vermittelt versus T-Zell-vermittelt – etwas moduliert werden. Somit kann man heute – je nach Pathogen – das optimale Adjuvans für eine passende Immunantwort auswählen.

Mustererkennungsrezeptor
(pattern recognition receptor, PRR)
Ligand
TLR1/2 L-pampo, MALP-2, Pam2CSK4, Pam3CSK4
TLR3 Poly(I:C) (polyinosinic:polycytidylic acid)
Poly-ICLC
TLR4 Monophosphoryl-Lipid A (MPL)
TLR5 Flagellin
TLR7/8 Imiquimod
TLR9 CpG ODN
Tabelle 2: Beispiele von TLR-Liganden als mögliche Adjuvanzien (14)

Neuartige Systeme: VLP und Virosomen

Manche zählen Virus-ähnliche Partikel (VLP) zu Adjuvanzien, manche definieren sie als eine besondere Art Antigen. Unabhängig von der Einstufung haben sie bereits Einzug in die zugelassenen Impfstoffe gehalten.

Mit den rekombinanten Impfstoffen gegen HBV und HPV sind seit etlichen Jahren VLP-Impfstoffe auf dem Markt. Ihr Vorteil ist, dass sie sehr ähnlich aussehen wie die Originalviren, aber nicht infektiös sind. Ähnlich wie bei den richtigen Viren lassen sich nicht-umhüllte und umhüllte VLP unterscheiden.

Verschiedene Zellsysteme werden zur Herstellung genutzt, darunter die Hefen Saccharomyces cerevisiae und Pichia pastoris. Auch in Escherichia coli oder Pflanzenzellen können unbehüllte VLP produziert werden. Umhüllte VLP müssen in einer Säugerzelllinie produziert werden, die die Membran für die VLP-Hülle liefert. Aufgrund ihrer geringen Größe von 20 bis 200 nm werden sie zu den sogenannten Nanovakzinen gezählt (14).

Etwas andere VLP sind die sogenannten Virosomen. Für deren Herstellung benötigt man die intakten Viren, die zunächst mithilfe von Detergenzien solubilisiert werden. Nach Entfernen des Nucleocapsids wird die Hülle mitsamt den darin ursprünglich enthaltenen Oberflächenproteinen rekonstituiert. An die wiederhergestellte (synthetische) Membranhülle können sowohl innen als auch außen zusätzliche Antigene adsorbieren, weshalb die Virosomen interessante Transportvehikel sind. Beispielsweise wurden Influenza-basierte Virosomen mit HIV-1-spezifischen Antigenen beladen, um so einen Impfstoff gegen HIV-1 zu entwickeln, der bisher allerdings nicht erfolgreich ist.

Neues Format: mRNA-Impfstoffe

Während der Covid-19-Pandemie wurde mit Hochdruck an Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 gearbeitet – mit dem Erfolg, dass binnen kürzester Zeit tatsächlich eine aktive Immunisierung verfügbar war. Das Rennen machte ein bis dahin unbekanntes Format: mRNA-Impfstoffe.

Das Antigen wird nicht mehr direkt appliziert, sondern nur die genetische Information für das Antigen eingebracht, und der Impfling muss es selbst herstellen. Das hat den Vorteil, dass nicht nur die MHC-II-, sondern auch die MHC-I-vermittelte Immunantwort aktiviert wird. Ein weiterer Vorteil dieser Art Impfstoffe ist, dass sie sehr schnell hergestellt werden können. Außerdem brauchen sie keine zusätzlichen Adjuvanzien: RNA bindet selbst an TLR. Jedoch sind RNA-Moleküle sehr instabil und müssen in Lipidnanopartikeln verpackt werden, die zudem dafür sorgen, dass die RNA in Zellen eindringen kann.

Neben den konventionellen linearen mRNA wird auch an selbst-amplifizierenden RNA geforscht. Diese haben den Vorteil, dass sie sehr viel länger im Körper verweilen und somit eine nachhaltigere Expression des Antigens und damit auch eine längere Stimulation des Immunsystems erzielen. Allerdings ist die Herstellung dieser Art RNA-Moleküle sehr viel aufwendiger.

Im Fluss der genetischen Information noch einen Schritt weiter zurück gehen DNA-Impfstoffe, die entweder als nackte DNA beispielsweise über Elektroporation appliziert oder aber verpackt als nicht-replizierende Viren verwendet werden. Im Gegensatz zu RNA-Impfstoffen besteht bei DNA die Möglichkeit, dass sie sich ins Genom der Zielzelle integriert (16). Als Vektoren werden beispielsweise replikations-defiziente Varianten humaner oder Schimpansen-Adenoviren genutzt.

Was der Applikationsweg bewirkt

Die meisten Impfstoffe werden intramuskulär verabreicht. Das hat sich als bequeme und nicht allzu schmerzhafte Anwendung bewährt, hat aber Nachteile: Zum einen sind in der Muskulatur nur wenige APC anzutreffen, die das Antigen aufnehmen könnten. Zum anderen wird damit nur eine systemische Immunität induziert, die zwar vor schweren Erkrankungsverläufen, aber nicht unbedingt vor der eigentlichen Infektion schützt.

Dem ersten Punkt lässt sich durch Adjuvanzien abhelfen, die Immunzellen anlocken. Alternativ können einige Impfstoffe gegen Influenza auch subkutan angewendet werden, wo direkt Langerhans-Zellen die Präsentation der Antigene an T-Zellen übernehmen können. Der Schutz vor einer Infektion könnte durch eine mukosale Immunität, also durch Applikation auf eine Schleimhaut, erreicht werden.

Bereits seit 2013 ist mit Fluenz® Tetra Nasenspray ein Influenza-Impfstoff für Kleinkinder ab zwei Jahren zugelassen, der die mukosale Immunität adressiert (Tabelle 3). Enthalten sind kälteadaptierte, temperatursensitive, lebend-attenuierte Influenzaviren, die über reverse Gentechnologie in VERO-Zellen produziert wurden. Werden die Viren in die Nase gesprüht, können sie sich im kühleren Nasopharynx vermehren und dort eine protektive Immunität induzieren. In tieferen, wärmeren Regionen der Atemwege sind die temperaturempfindlichen Viren nicht mehr vermehrungsfähig und können somit keine Erkrankung auslösen.

Infektion Antigen Handelsname Formulierung, Anwendung
Influenza lebend-attenuierte, kälteadaptierte Influenza-Reassortanten Fluenz Tetra Spray, nasal
Poliomyelitis lebend-attenuierte Polioviren (OPV) Biopolio* Lösung, oral
Rotavirus lebend-attenuiertes monovalentes humanes Rotavirus, pentavalenter Lebendimpfstoff Rotarix, Rotateq Lösung, oral
wiederkehrende Harnwegsinfekte inaktivierte Ganzzellen von Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Enterococcus faecalis und Proteus vulgaris Uromune* Spray, oral (sublingual)
Typhus Ty21a lebend-attenuierte Bakterien Typhoral L magensaftresistente Hartkapseln, oral
Cholera inaktivierte Bakterien + rCTB Dukoral Lösung, oral
Cholera lebend-attenuierte Bakterien, Stamm CVD 103-HgR Vaxchora Lösung, oral
Tabelle 3: Zugelassene Impfstoffe für eine mukosale Immunisierung; modifiziert nach (17); * in Deutschland nicht verfügbar

Durch die mukosale Immunisierung werden nicht nur IgG, sondern auch lokal wirksame IgA-Moleküle induziert. Gleichzeitig könnten nadelfreie Impfstoffe die Akzeptanz der Prävention deutlich steigern.

Bisher werden nur lebend-attenuierte Pathogene für die mukosale Immunisierung verwendet. Aber es gibt verschiedene Ansätze, auch Subunit-, DNA- oder RNA-Impfstoffe zu applizieren, beispielsweise über Nanovesikel, Chitosan oder Polysaccharid-Alginat-Nanogele.

Die vielen neuen Impfstrategien lassen hoffen, dass in nicht allzu ferner Zukunft auch die »harten Nüsse« an Pathogenen erfolgreich angegangen und die bestehenden Vakzinen in ihrer Herstellung, Applikation und Wirksamkeit optimiert werden können.

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