Wie Impfstoffe noch besser werden |
Die meisten Impfstoffe sind sehr hoch aufgereinigt und werden intramuskulär appliziert, was die aktive Immunisierung sehr gut verträglich macht. In der Muskulatur sind aber nur wenige antigenpräsentierende Zellen (APC) vorhanden, die die Impfantigene aufnehmen und den T-Zellen zeigen. Um trotzdem eine gute Immunantwort zu induzieren, werden seit Langem Adjuvanzien als Hilfsmittel eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, eine lokale Entzündungsreaktion auszulösen und damit Immunzellen an den Injektionsort zu locken (Grafik).
Bereits seit den 1920er-Jahren werden bestimmte Aluminiumsalze als Adjuvanzien eingesetzt; diese sind nach wie vor in den meisten zugelassenen Impfstoffen enthalten. Aluminiumsalze verstärken die Antigenaufnahme und -präsentation durch APC und aktivieren das sogenannte NLRP3-Inflammasom in der Zelle, was zur Expression der Entzündungszytokine IL-1b und IL-18 führt. Immer wieder gerieten die Aluminiumsalze in die öffentliche Kritik, weshalb neue Adjuvanzien gesucht wurden (14).
Grafik: Vereinfachte Darstellung der Wirkmechanismen von Adjuvanzien. Die verschiedenen Adjuvanzien können an unterschiedlichen Stellen die Immunantwort auf ein Antigen verstärken (grau hinterlegte Kästen). In der Folge kommt es zu einer Entzündung und zur Rekrutierung weiterer Immunzellen am Injektionsort und schließlich auch zur zellulären und humoralen Immunantwort. Grafik modifiziert nach (18). / © PZ
Mit komplettem und inkomplettem Freund-Adjuvans kamen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Wasser-in-Öl-Emulsionen als Immunstimulanzien ins Gespräch. Diese Stoffgemische waren mit erheblichen unerwünschten Wirkungen verbunden, sodass sie sich nicht durchsetzen konnten. Aber das Prinzip der Wasser-in-Öl-Emulsion wurde in den 1990er-Jahren wieder aufgenommen und mit MF59 neu realisiert (Tabelle 1).
MF59 besteht aus Squalen, Span 85 (Sorbitantrioleat) und Tween 80 (Polysorbat 80) in Natriumcitratpuffer und ist beispielsweise im Influenza-Impfstoff Fluad® Tetra enthalten. Es induziert sowohl die humorale als auch die zelluläre Immunantwort und führt dazu, dass hohe Titer an funktionalen Antikörpern gebildet werden. Durch die verschiedenen Chemokine, die nach Applikation von MF59 verstärkt entstehen, werden Leukozyten angelockt, die vermehrt Antigene aufnehmen und in die Lymphknoten wandern (14).
Ein ähnliches, aber doch etwas anderes Prinzip ist die Öl-in-Wasser-Emulsion AS03, die aus dem Tensid Polysorbat 80 und zwei biologisch abbaubaren Ölen, beispielsweise Squalen und DL-α-Tocopherol, besteht. Diese Emulsion aktiviert den NF-κB-Signalweg und stimuliert so das Immunsystem: Mehr Zytokine und Chemokine werden sezerniert und Zellen des angeborenen Immunsystems angelockt. Zusätzlich stimuliert AS03 CD4⁺-T-Zellen, was die Bildung von Gedächtnis-B-Zellen und die lang anhaltende Produktion neutralisierender Antikörper verbessert.
Adjuvans | Komponenten | Zugelassene Impfstoffe |
---|---|---|
MF59 | Squalen, Polysorbat 80, Sorbitantrioleat | saisonale Influenzapandemische InfluenzaVogelgrippe |
AS03 | Squalen, α-Tocopherol, Polysorbat 80 | pandemische InfluenzaVogelgrippe |
AS01 | MPL (Monophosphoryl-Lipid A), Quillaja saponaria Molina,Fraktion 21, QS-21, Liposomen | Herpes zosterMalaria tropica |
AS04 | MPL (Monophosphoryl-Lipid A), Aluminiumhydroxid | Hepatitis-B-Virushumanes Papillomavirus |
Durch die Beimischung von zwei weiteren Immunstimulanzien zu AS03 entstand AS02. Dieses Adjuvanz enthält zusätzlich das Saponin QS-21 aus dem Seifenrindenbaum Quillaja saponaria und 3-O-Desacyl-4’-monophosphoryl-lipid A (MPL), ein »entschärftes« Lipid A aus der äußeren Membran des gramnegativen Bakteriums Salmonella minnesota.
Von MPL weiß man seit Langem, dass es als PAMP (pathogen-associated molecular pattern) wirkt und an die Toll-like-Rezeptoren (TLR) 2 und 4 bindet. Dadurch wird das angeborene Immunsystem sehr effizient stimuliert. MPL befindet sich außerdem in den Adjuvans-Systemen AS01 und AS04: In AS01 ist es zusammen mit QS-21 in Liposomen verpackt, in AS04 ist MPL an Aluminiumhydroxid gebunden (Tabelle 1). Im direkten Vergleich war AS02 dem Adjuvanzsystem AS01 unterlegen (15) und wird nicht mehr eingesetzt.
Auch andere TLR können gezielt von entsprechenden Liganden angesteuert werden, die ebenfalls als Adjuvanzien genutzt werden können (Tabelle 2). In welchem Ausmaß dadurch die Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems stimuliert und welche Subtypen der T-Helfer-Zellen präferenziell aktiviert werden, unterscheidet sich leicht. So kann die Richtung der Immunantwort – B-Zell-/Antikörper-vermittelt versus T-Zell-vermittelt – etwas moduliert werden. Somit kann man heute – je nach Pathogen – das optimale Adjuvans für eine passende Immunantwort auswählen.
Mustererkennungsrezeptor(pattern recognition receptor, PRR) | Ligand |
---|---|
TLR1/2 | L-pampo, MALP-2, Pam2CSK4, Pam3CSK4 |
TLR3 | Poly(I:C) (polyinosinic:polycytidylic acid)Poly-ICLC |
TLR4 | Monophosphoryl-Lipid A (MPL) |
TLR5 | Flagellin |
TLR7/8 | Imiquimod |
TLR9 | CpG ODN |